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Bauern und Corona
Protest gegen die anstehende Düngeverordnung

Die Landwirte-Lobby "Land schafft Verbindung" (LsV) deutet zur anstehenden Verabschiedung der Düngeverordnung einen Produktionsstreik an. Keine gute Idee in Zeiten des Coronavirus, finden die Agrarunternehmer und Bauernlobbyisten von DBV und AbL.

Von Dietrich Mohaupt | 25.03.2020
Ein Bauer bringt mit einem Traktor Gülle auf ein Feld.
Auf deutschen Ackern landet vielerorts zu viel Düngemittel (picture alliance / Bildagentur-online / McPhoto)
Der Brief lässt an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig. Von einer "guten Lösung in Bezug auf die Düngeverordnung", die man nach der Coronakrise finden müsse, ist da die Rede. Ganz offen warnen die führenden Köpfe der Lobby-Organisation "Land schafft Verbindung" – kurz LsV – davor, dass eine negative politische Entscheidung am Freitag im Bundesrat "…den deutschen Bauern jegliche Motivation ..." nehmen würde.
Viele Betriebe müssten dann wohl die Produktion von Nahrungsmitteln einstellen. Eine klare Ansage, so LsV-Sprecher Dirk Koslowski aus dem niedersächsischen Landkreis Rotenburg. Bei vielen Berufskollegen sei richtig Druck im Kessel, betont der Milchbauer.
"Wir haben immer mal wieder Stimmen, die nach einem Lieferstopp oder nach einer Lagerblockade schreien – bisher konnten wir die immer noch relativ erfolgreich einfangen, dass die die Füße stillhalten. Wie das dann allerdings aussehen wird, sollte das dann am Freitag beschlossen werden, wage ich nicht zu prognostizieren. Ob wir dann unsere Kollegen noch ruhig halten können, das weiß ich nicht. Das sollte keine Drohung sein oder keine Ankündigung – das ist einfach nur eine Feststellung, wie die Stimmung so ist."
"Produktionsboykott stehe nicht zur Diskussion"
Inhaltlich ist auch der Deutsche Bauernverband nicht glücklich mit der neuen Düngeverordnung. Den aktuellen Vorschlag halte er für teilweise fachlich mangelhaft, der Zeitplan für eine Umsetzung sei nicht einzuhalten, meint Verbandspräsident Joachim Rukwied. Ein Produktionsboykott der Landwirte stehe aber nicht zur Diskussion. Und auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, AbL, hält nichts von solchen Drohungen. Das Land befinde sich in einer Notsituation – da könne nicht eine einzelne Berufsgruppe damit drohen, ihren wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung einzustellen, betont der niedersächsische AbL-Vorsitzende Ottmar Ilchmann.
"Man stelle sich nur mal vor, dass die Krankenschwestern zum Beispiel sagen würden, wir versorgen die Kranken erst wieder, wenn wir über bessere Löhne gesprochen haben. Das ist unvorstellbar – und käme sehr schlecht an. Und ähnlich schlecht kommt diese Drohung seitens der Landwirtschaft an. Das Image der Landwirtschaft wird dadurch nicht gerade verbessert."
Zu viel Gülle auf vielen deutschen Ackern
Seit 1991 steht Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser bei der EU in der Kritik. Vor allem in Regionen mit industrieller Massentierhaltung kommt regelmäßig zu viel Gülle auf die Äcker – und damit mehr Nährstoffe, als die Pflanzen aufnehmen können. Das belastet das Grundwasser seit Jahrzehnten ganz erheblich – die Politik habe aber, zum Teil auf Druck der Agrarlobby und vor allem des Bauernverbandes, nie reagiert, kritisiert Ottmar Ilchmann.
"Der Handlungsbedarf war klar, es wurde nicht gehandelt – jetzt kommt die Politik massiv unter Druck durch die Drohung der EU-Kommission mit dem Vertragsverletzungsverfahren, und jetzt wird mit heißer Nadel wiederum eine Verschärfung der Düngeverordnung durchgedrückt, mit deren Details wir als AbL auch zum großen Teil nicht glücklich sind."
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"Kürzung der Düngermengen treffe alle Landwirte"
Vor allem das Verursacherprinzip komme in der Verordnung zu kurz. Die geplante pauschale Kürzung der Düngermengen treffe alle Landwirte – die Probleme seien aber nachweisbar in den Regionen mit großen Tierbeständen besonders gravierend. Trotzdem stehe mit dem Vorsitzenden der Organisation "Land schafft Verbindung", Dirk Andresen, ausgerechnet ein Landwirt an der Spitze des Protests gegen die verschärften Düngeregeln, der nach Recherchen der Tageszeitung "taz" an einer überdurchschnittlich großen Sauenhaltung beteiligt ist. Ein Landwirt also, der eher für das auch vom Bauernverband bisher immer propagierte "weiter so" stehe, als für ein Umdenken in der Landwirtschaft.
"Einfach zu sagen, wir wollen weitermachen wie bisher, das ist glaube ich der ganz falsche Weg. Und wenn da interessengeleitete Einzelpersonen versuchen, so eine Bewegung für sich zu instrumentalisieren, sehe ich das sehr kritisch. Ich weiß, dass bei "Land schafft Verbindung" sehr viele ganz normale bäuerliche Familienbetriebe sich engagieren, und das finde ich auch sehr gut, dass Bauern für ihre Interessen eintreten – aber sie müssen sehr aufpassen, dass sie sich nicht vor den falschen Karren spannen lassen."
Das könnte teuer werden für Deutschland
Die Bundesregierung hat Änderungsvorschläge der Bundesländer für die neue Düngeverordnung bereits zurückgewiesen – dass die Länderkammer sich am Freitag trotzdem noch dem Druck der Bauern beugen könnte, hält Ottmar Ilchmann für sehr unwahrscheinlich.
Denn dann würde es sehr teuer werden für Deutschland – die EU-Kommission droht für den Fall weiterer Verzögerungen mit einem Zwangsgeld von bis zu 850.000 Euro - pro Tag!!