Donnerstag, 18. April 2024

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Bayer CropScience
"Modell der Landwirtschaft muss sich dringend ändern"

Der jüngste Bericht über das Artensterben sei auch für den Bayer-Konzern alarmierend, sagte Klaus Kunz von Bayer CropScience im Dlf. Als Konsequenz müsse unter anderem der Pestizid- und Düngemitteleinsatz in der Landwirtschaft reduziert und stärker auf digitale und Biotechnologie-Verfahren gesetzt werden.

Klaus Kunz im Gespräch mit Georg Ehring | 07.05.2019
Ein Traktor spritzt in Thüringen auf einem Feld im Mai Pflanzenschutzmittel auf.
Dr. Klaus Kunz von Bayer CropScience plädiert für eine Reduzierung des Pestizid- und Düngemitteleinsatzes in der Landwirtschaft (picture alliance / Klaus Nowottnick)
Georg Ehring: Die Biodiversität ist weltweit bedroht und die Bemühungen, sie zu erhalten, sind bisher nicht von Erfolg gekrönt worden. Der Internationale Biodiversitätsrat (IPBES) hat gestern ein alarmierendes Bild von der Entwicklung der Artenvielfalt gezeichnet. Bedroht wird sie unter anderem durch nicht nachhaltige Landwirtschaft - aus Urwäldern werden Weiden und Soja-Plantagen. Zu intensive Landwirtschaft sorgt für Verarmung von Böden, und das bedroht auch die Ernten von morgen.
Zu den Unternehmen, die auf intensive Landwirtschaft setzen, gehört der Bayer-Konzern, der gerade den US-Agrarchemie-Riesen Monsanto übernommen hat. Dr. Klaus Kunz ist bei Bayer CropScience zuständig für Nachhaltigkeit und ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, wie der Bericht des Biodiversitätsrates bei ihm angekommen ist.
Nachhaltigkeit und Biodiversität müssen Leitlinien werden
Klaus Kunz: Der Bericht des Biodiversitätsrates hat ein Bild gezeichnet in einer Dramatik, wie wir das bisher noch von keinem gesehen haben. Das ist für alle Beteiligten alarmierend. Für uns ist das auch alarmierend und für uns ist ganz klar, dass sich am Modell der Landwirtschaft was Dringendes ändern muss. Und für uns ist auch klar, dass wir unseren Beitrag dazu leisten werden und müssen.
Ehring: Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern und was ist Ihr Beitrag?
Kunz: Was sich aus unserer Sicht ändern muss ist, dass Nachhaltigkeit im Allgemeinen und jetzt auch wirklich Biodiversität im Speziellen als Leitlinie für Geschäftsmodelle und für Produktentwicklungen im Kern des Geschäfts verankern muss. Das ist heute nicht immer der Fall. Das ist auch in der Politik nicht immer der Fall. Und, dass das in Einklang gebracht werden muss mit einem Landwirtschaftssystem, das aber nach wie vor genug Nahrungsmittel produziert, und einem Geschäftsmodell, das die Bauern auch noch an ihre Kinder weitervererben müssen, also ein wirklich schwieriges Dilemma. Und für uns ist ganz klar: Es müssen die Inputs reduziert werden. Das kann ganz konkret direkt angegangen werden, Pestizide und Düngemittel in der Fläche reduzieren, Wasserverbrauch reduzieren, Klimagase in der Landwirtschaft reduzieren. Das sind Ziele, die haben wir auch schon bekannt gegeben, und wir werden unsere Produkte in Zukunft unter diesen Rahmenbedingungen entwickeln.
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter reduzieren
Ehring: Sie stellen ja unter anderem Glyphosat her, ein Total-Herbizid, das der Acker-Begleitflora zumindest zur Aussaat-Zeit keine Chance lässt. Ist das aus Ihrer Sicht auch eine Ursache für den Artenschwund, wenn es in großen Mengen eingesetzt wird?
Kunz: Aus meiner Sicht ist der Artenschwund - und das hat ja der Biodiversitätsrat so auch beschrieben – ein komplexes Problem, zu dem übermäßiger Einsatz von Ressourcen in der Landwirtschaft, zum Beispiel auch von Pflanzenschutzmitteln beitragen. Und es ist absolut sinnvoll und notwendig, das zu reduzieren.
Ehring: Wie kann das denn ganz konkret geschehen?
Kunz: Wir haben - und das ist eine Sache, die vielleicht auch oft nicht so gesehen wird - die Mengen an Pflanzenschutzmitteln pro Hektar in den letzten 60 Jahren bereits deutlich gesenkt, über bessere, innovativere Pflanzenschutzmittel, auch sicherere Pflanzenschutzmittel, die in auch niedrigeren Dosen selektiver wirken - in den letzten 60 Jahren um 90 Prozent. Aber ich denke, der nächste Quantensprung, der steht direkt bevor mit der digitalen Landwirtschaft und Präzisionsapplikationen. Mit der Technologie wird sich noch mal eine signifikante Reduktion in der Fläche erreichen lassen. Biotechnologie, moderne Biotechnologie-Verfahren, ich denke auch konsensfähige Biotechnologie-Verfahren wie Genome Editing sind eine weitere Option, der man zumindest eine Chance geben sollte, jetzt gerade vor dem Hintergrund der Biodiversitätsdiskussion. Bessere Abmischungen von verschiedenen Formen der Landwirtschaft, von verschiedenen Tools, konventionelle chemische Behandlung in besserer Ergänzung mit biologischer Behandlung, mechanischer Behandlung. Es gibt eine ganze Palette von Dingen, die wir machen können und die wir auch machen werden.
Ehring: Veränderte Fruchtfolgen statt Einsatz von vielen Pestiziden – ist das eine Option, die Sie den Landwirten auch raten und zu denen Sie Hilfestellung geben wollen?
Kunz: Ja, absolut! Richtige Kulturführung, gute landwirtschaftliche Praxis ist aus unserer Sicht auch absolut Kern. Deswegen habe ich ja auch gesagt, die Biodiversität muss in den Kern des Geschäftsmodells rein. Das ist sie noch nicht immer und überall und das müssen wir verbessern.
"Glyphosat eines der sichersten Pflanzenschutzprodukte"
Ehring: Die Bundesumweltministerin und auch viele EU-Staaten geben Glyphosat auf Dauer keine Chance mehr. Wie sieht bei Ihnen in Ihrer Planung die Restlaufzeit für dieses Pestizid aus?
Kunz: Bayer steht hinter Glyphosat, denn die wissenschaftliche Bewertung von Glyphosat ist aus unserer Sicht ganz klar, dass das eines der sichersten Pflanzenschutzprodukte ist für den Anwender. Und trotzdem ist es so, dass wir perspektivisch auf eine balancierte Landwirtschaft setzen, dass wir die ideale Ergänzung von Pflanzenschutzmitteln und von anderen Tools als die präferierte Variante sehen. Und dass wir eine übermäßige Verwendung von einem einzelnen Wirkstoff in jedem Fall, egal sei das jetzt Glyphosat oder ein anderer, nicht für den richtigen Weg halten.
Ehring: Sie haben gerade in der Pflanzenzucht auch biotechnologische Verfahren angesprochen. Meinen Sie damit die Züchtungstechnik Crispr/Cas, die in Europa als Gentechnik eingeordnet wird?
Kunz: Ja! Ich meine zum Beispiel genau Crispr/Cas, die bekannteste Variante des Genome Editing. Weil das eine Technologie ist, die aus unserer Sicht eine zumindest intensivere Diskussion verdient in Europa. Weil Crispr/Cas tatsächlich Pflanzenzüchtung abkürzen kann, die wichtigen Produkte, die wir möglichst schnell haben müssen, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, Pflanzen mit höherer Trockenresistenz bringen kann auf einem viel schnelleren Weg, ohne dabei artfremde DNA in die Pflanze einzubauen. Was ja ein Verfahren ist, was in Europa weitgehend nicht akzeptiert ist.
Crispr/Cas kann Artenvielfalt sichern
Ehring: Die Landwirtschaft konzentriert sich immer mehr auf wenige Hochertragssorten, sowohl in der Tierzucht als auch in der Pflanzenzucht. Da leisten Sie mit Ihren Sorten ja einen Beitrag zu.
Kunz: Ich denke, dass über Verfahren wie Crispr/Cas sogar was für die Artenvielfalt hergestellt werden kann. Mit Crispr/Cas können Sie sogar Arten wieder aktivieren, die bereits verschwunden waren. Sie können einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten. Eine Landwirtschaft, die nur auf wenigen Arten beruht, ist keine nachhaltige Landwirtschaft.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.