Mittwoch, 24. April 2024

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Bayern-Fanclub in Israel
Fußball verbindet

Sie schlafen in FC-Bayern-Bettwäsche, taufen ihre Söhne auf die Namen berühmter Bayern-Spieler und singen während der Übertragung von Bayern-Spielen in einer Kneipe in Zentral-Israel: Die Mitglieder von "Bayern Israel" sind Feuer und Flamme für ihren Verein. Mittlerweile zählt der Fanclub mehr als 2000 Mitglieder.

Von Peter Kapern | 05.03.2017
    Saher mit Söhnen Wassim und Muller
    Saher gehört zur arabischen Minderheit in Israel und ist Mitglied bei "Bayern Israel". Im Fanclub feiern Juden und Araber ihren Verein gemeinsam. (Deutschlandradio/ Peter Kapern)
    Halb zehn ist es in Petah Tikva, noch 15 Minuten bis zum Anstoß in München. Die erste Beobachtung: israelische Ultras trinken deutlich weniger als die deutschen. Singen aber genauso laut.
    Das Jacky-O ist eine Sportsbar am Stadtrand. Wie an jedem Spieltag hat Yevgeni Brand den Laden mit Fahnen des FC Bayern ausgeschmückt. Er hat den Fanclub gegründet - gemeinsam mit Adi Barel. Die beiden haben sich über das Internet kennengelernt, nachdem sie jahrelang einsam die Bayernspiele im Fernsehen angeschaut hatten. Da muss es doch noch mehr von unserer Sorte geben, haben sie gedacht. Und richtig: heute zählt der Club 2300 Mitglieder. Was sich seit der Fanclubgründung vor 7 Jahren bei Yevgeni aber nicht geändert hat: Die Nervosität vor dem Anpfiff:
    "Ich bin etwas aufgeregt und habe jetzt Schmetterlinge im Bauch. Aber es wird schon alles gut gehen."
    Araber und Juden feiern gemeinsam
    Sein Kumpel Adi übernimmt im Jackie-O die Rolle des Einpeitschers und Stadionsprechers. Ganz wie in der Allianzarena in München soll das klingen, wenn er in der hintersten Ecke der Kneipe zum Mikrofon greift und seinen tapferen Kampf mit den deutschen Umlauten kämpft.
    Mitten im Gewühl der Fans steht Saher. So wie immer, wenn die Bayern spielen. Saher lebt zwei Autostunden entfernt ganz im Norden an der Grenze zum Libanon, aber für ein paar Stunden mit seinen Freunden ist ihm kein Weg zu weit. Seine Wohnung sieht aus wie eine Filiale des Fanshops vom FC Bayern. Die teilt er sich mit seiner Frau und den vier Kindern. Der jüngste heißt - kein Scherz - Muller. So wie Thomas Muller. Seine Frau hat gegen die Namenswahl nicht einmal mehr protestiert. Saher gehört zur arabischen Minderheit in Israel. Araber und Juden gehen sich für gewöhnlich aus dem Weg - so gut es geht. Im Fanclub aber nicht:
    "Ich fühle mich überhaupt nicht fremd. Ich habe das Gefühl, ein echter Teil dieser Gruppe zu sein. Wenn wir auf Facebook kommunizieren, dann nennen wir uns gegenseitig Bruder. Und wir fühlen uns auch wirklich wie Brüder."
    Die Bruderliebe hat allerdings einen Preis. Das, was noch wichtiger ist, als Fußball, das hat im Fanclub keinen Platz: Die Politik. Nur so funktioniert der Vereinsfrieden, erklärt Yevgeni:
    "Das war von Anfang an unser eisernes Gesetz: Wer über Politik redet oder schlecht über Juden oder Araber spricht, der fliegt raus."
    Mitglieder des FC-Bayern Fanclubs in Petah Tiqva schauen gemeinsam ein Spiel.
    Mitglieder des FC-Bayern Fanclubs in Petah Tiqva schauen gemeinsam ein Spiel. (Deutschlandradio/ Peter Kapern)
    Ehrenpräsident "Beckenbauer"
    In der Allianzarena läuft das Spiel. Die Schalker halten dem Druck der Bayern tapfer stand - fast zweieinhalb Minuten lang. Und dann - in der "dreiten" Spielminute, ist Adi dran:
    Auch Beckenbauer brüllt sich die Seele aus dem Leib. Er ist der Ehrenpräsident. Weil er der Clubälteste ist. Und weil er ein echter Münchner ist. Und weil er dort schon im Stadion war, als noch Müller, Schwarzenbeck und - Beckenbauer gespielt haben. Und weil er der einzige ist, der diese Zeit miterlebt hat, haben sie ihm den Namen Beckenbauer gegeben. Eigentlich heißt er Jehuda Rosenberg:
    "Ich als Jude habe immer Schwierigkeiten gehabt, ein Bayernfan zu sein. Und andere Juden haben mich immer gefragt: Wie kannst du zu einem deutschen Club halten?"
    Auch heute noch rümpfen manche Israelis die Nase über die Leidenschaft der Bayern-Fans. Adi Barel zuckt mit den Schultern. Die Spanier haben uns Juden 1492 vertrieben, und die Italiener hatten auch ihre Faschisten, welchem Club sollen wir denn überhaupt noch die Daumen drücken, sagt er. Und schließlich habe der FC Bayern doch eine jüdische Vergangenheit mit einem jüdischen Vereinspräsidenten, Kurt Landauer:
    "Jeder von uns hier ist schon einmal schief dafür angesehen worden, dass er Fan einer deutschen Mannschaft ist, angesichts dessen, was die Deutschen den Juden angetan haben. Aber wir wissen ja schließlich, dass der FC Bayern seit seiner Gründung einen jüdischen Kern hatte, dazu gehören Kurt Landauer und noch andere. Die Mannschaft ist ja früher sogar als Judenmannschaft beschimpft worden. Und wir sind sehr stolz darauf."
    Stolz sind sie auch darauf, dass ihre Bayern die Schalker schwindelig spielen. Nach nur einer halben Stunde ist Adi Barel schon zum dritten Mal gefordert.
    So klingt der Abend dann aus. Etwas langweilig, weil die Bayern es danach geruhsamer angehen lassen. Trotzdem war es für Jehuda Beckenbauer Rosenberg ein guter Abend:
    "Wie fühlt sich das an? So wie jedes Mal, wenn ich hierher komme: Ich bin zu Hause!"