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Bayern sucht Standort
Werben für einen dritten Nationalpark

Bayern will einen dritten Nationalpark. Das hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) unlängst verkündet. Naturschutzverbände begrüßen die Entscheidungen für einen weiteren Standort. Für Kritiker hingegen ist es eine "spinnerte" Waldromantik, die vor allem Unordnung und fahrlässiger Wildwuchs auf Kosten der Anwohner nach sich zieht.

Von Susanne Lettenbauer | 03.08.2016
    Die Braunbärin "Luna" ist am 06.04.2016 in Neuschönau im Landkreis Freyung-Grafenau (Bayern) mit ihrem Nachwuchs zu sehen.
    Nachwuchs bei den Braunbären im Nationalpark Bayerischer Wald. (picture-alliance/ dpa/ Frank Bietau)
    Die Nachricht kam überraschend. Neben Flüchtlingspolitik, Zuwanderungsbegrenzung, Mütterrente und der Weiterentwicklung des G8-Gymnasiums in Bayern verkündete Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer auf der Kabinettsklausur vergangenes Wochenende:
    "Wir haben entschieden, dass die bayerische Staatsregierung für Bayern einen dritten Nationalpark anstrebt. Es ist die Umweltministerin beauftragt worden, jetzt Standortmöglichkeiten zu untersuchen."
    Ein neuer Nationalpark für Bayern. Der politische Beschluss ist gefasst. Nur: Warum gerade jetzt dieses Umweltbewusstsein der Staatsregierung mitten hinein in eine Diskussion um Sicherheit in Deutschland? Ist es nur ein politisches Zeichen oder steckt mehr dahinter?
    Das große Rätselraten hat begonnen. Wo genau soll der neue Nationalpark liegen? Bislang gibt es den Bayerischen Wald und den Nationalpark Berchtesgaden. Im Bayerischen Wald sorgen seit Jahren die strikten Umweltauflagen für Ärger mit den angrenzenden Waldbauern. Der Borkenkäfer greift auf den Nutzwald über, weil im Nationalpark die Natur sich selbst überlassen bleiben soll.
    Der Nationalparkgedanke bedeutet deshalb für Kritiker vor allem: spinnerte Waldromantik, Unordnung und fahrlässiger Wildwuchs auf Kosten der Anwohner.
    Wir wollen diese Standortmöglichkeit untersuchen mit Beteiligung der Bürger vor Ort, vor allem mit den Kommunen, deshalb gibt es jetzt auch keine Fokussierung auf eine Region, sondern auf Bayern. Es ist denkbar, dass man – wenn man sich für bestimmte Regionen entscheidet – dies auch grenzüberschreitend macht, nicht nur mit anliegenden Staaten, sondern auch mit angrenzenden Bundesländern.
    Das Fichtelgebirge liegt an der Grenze zu Tschechien, das nächste Bundesland wäre Thüringen, die Andeutungen träfen auf diese Region zu. Doch da wäre noch die Rhön und der Spessart. Er umfasst das größte zusammenhängende Gebiet aus Laubmischwäldern in Deutschland und liegt nördlich des die Grenze zum Odenwald bildenden Mains, also teilweise auf hessischem Gebiet.
    Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf hält sich bedeckt:
    Wichtig ist jetzt, dass wir die Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Verantwortlichen bekommen. Das heißt, wir werden jetzt in einen sehr offenen und transparenten Dialog einsteigen und wir werden ein Angebot machen an die Region, die sich das wünscht, die auch mitgehen möchte. Und ich glaube über diesen breit angelegten Dialog schaffen wir die Akzeptanz und kommen letztlich zu dem Erfolg, einen weiteren Nationalpark in Bayern zu haben.
    Sechzig Prozent der Waldfläche Bayerns steht bereits unter besonderem Schutz. Obwohl im Freistaat über die Hälfte des Bestandes Privatwald ist, dreißig Prozent Staatswald, 13,5 Prozent Kommunalwald. Kein einfaches Unterfangen, meint Seehofer, der die kritischen Diskussionen vor allem aktuelle im Steigerwald kennt:
    "Der Nationalpark soll vor allem Staatswald umfassen, weil es ja mit den privaten Waldbewirtschaftern immer sehr schwierig ist. Das wird oft als Enteignung begriffen. Ein Gebiet ist ausgeschlossen, weil wir da in meiner Anwesenheit in der bayerischen Staatskanzlei vor einige Woche eine Vereinbarung unterzeichnet haben mit drei Landräten."
    Dritter Nationalpark gilt als wichtigs Zeichen
    Der Steigerwald ist damit ausgeschlossen. Die Naturschutzverbände begrüßen die Entscheidungen. Ein dritter Nationalpark sei generell ein wichtiges Zeichen. "Der Bund Naturschutz wird sich weiterhin für einen Nationalpark Steigerwald stark machen. Bayern muss mehr Buchenwälder schützen, gibt Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz zu bedenken.
    In der Pressemitteilung des BUND wird er deutlicher:
    "Wenn die Staatsregierung einen Nationalpark auf den Weg bringen, aber gleichzeitig das am besten geeignete Gebiet von diesem Prozess ausschließen wolle, werde klar, dass es ihr offenbar nicht um die Sache gehe, sondern darum von den Debatten, um einen Steigerwald-Nationalpark abzulenken."
    "Wer den Nordsteigerwald fachlich völlig unbegründet von vorneweg ausschließt, will das Thema des ersten fränkischen Nationalparks nur bis zur Landtagswahl abräumen", wettert hingegen Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN.
    Die Landräte der betroffenen Regionen an Rhön und Spessart sind überrascht. "Sollte die Rhön ausgewählt werden, müssen wir sehen, wie die Rahmenbedingungen sind. Sicherlich haben Nationalparks touristisch eine hohe Bedeutung. Aber man muss auch sehen, welche Auswirkungen das auf die Region hat", meint Thomas Bold, Landrat des Landkreises Bad Kissingen.
    Sein Amtskollege im Landkreis Main-Spessart, Thomas Schiebel fühlt sich überrumpelt: Er sei überrascht, dass über seine Region gesprochen wird, ohne mit den Akteuren vor Ort in Kontakt zu treten. Das ist ein spannender Prozess, der sicherlich auch einer langen Planungs- und Vorlaufzeit bedarf. Der Spessart sei natürlich ein großer zusammenhängender Naturraum – das größte Mischwaldgebiet in dieser Region – und deshalb wäre der Nationalpark auch in touristischer Hinsicht eine Chance. Allerdings seien mit diesem Titel und diesem Prädikat Einschränkungen verbunden.
    Jetzt beginnt der Bürgerdialog. Wann die ersten Schilder "Herzlich willkommen im Nationalpark" stehen, ist noch unklar.