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Bayern-Trainer Guardiola
Anfassen verboten!

Pep Guardiola ist der Depp der Woche. Die wegwerfende Geste der vierten Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus im Spiel der Münchner gegen Mönchengladbach hat den Bayern-Trainer zum Gespött der deutschen Fußballgemeinde gemacht. Allerdings hat die Spielszene auch noch eine andere, tiefere Dimension.

Von Hajo Steinert | 28.10.2014
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    Bayern München-Trainer Pep Guardiola im Konflikt mit der vierten Schidsrichterin Bibiana Steinhaus beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Unter Flutlicht wird jeder Mensch zu einer Lichterscheinung. Aber so viel Flut, Licht, Glanz und Erscheinung wie heute Abend in Offenbach beim Pokalspiel gegen den Karlsruher SC hat es in einem deutschen Fußballstadion schon lange nicht mehr gegeben. Denn eine Blondine steht im Mittelkreis. Eine Frau pfeift das Spiel. Nicht irgendeine. Bibiana. Bibiana Steinhaus. Alle Augen richten sich auf sie. Die Frau der Woche. Vorkämpferin des Deutschen Fußball-Bunds. Die einzige Frau in Deutschland, die bei einem Profifußballspiel zwischen Männern eine Pfeife in den Mund nehmen darf, die einzige, die den aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse ganz ins Körperliche gehenden Annäherungsversuch des bestgekleideten, bestaussehenden, feurigsten, allerdings seit seinem 18. Lebensjahr an eine gewisse Christina vergebenen Fußballtrainer vor Zehntausenden von Augenzeugen einen Korb gab, den der Gehörnte, ein Katalane, noch lange auf seinen Schultern tragen wird. Pep Guardiola ist der Depp der Woche.
    Bis hinein in die Vereinsklausen deutscher Kreisklassenvereine und Frauenselbsthilfegruppen wird der Eklat heiß diskutiert. Was war passiert? Der Bayern-Trainer ist beim Spiel in Mönchengladbach kurz vor Schluss mit der Entscheidung des Schiedsrichters nicht einverstanden und stellt sich, der Dortmunder Borusse Jürgen Klopp lässt grüßen, vor dem vierten Unparteiischen an der Außenlinie nicht nur auf und schreit, sondern geht ihm buchstäblich an den Leib, will dann an seinen Platz zurück, besinnt sich unterwegs nach seinem rhetorischen wie körperlich fehlgeschlagenen Einspruch und der plötzlichen Bewusstwerdung einer Straftat eines Besseren, will sich beim "vierten Mann" entschuldigen, indem er seine Hand um die Schulter der Autoritätsperson legen will, ja fast schon formvollendet gelegt hat, als sie mit ernster, aber durchaus teilnahmsvoller Miene und wegwerfender Handbewegung den Draufgänger wieder in die Schranken weist. Der "vierte Mann" war eine Frau.
    Wäre die Autoritätsperson ein Mann gewesen – niemand hätte mehr lange über den theaterreifen Temperamentsausbruch des Katalanen gesprochen. Der Verweis auf die Bühne kurz vor Schluss des Spiels hätte kein Nachspiel ergeben. Aber es war Bibiana. Bibiana Steinhaus. Mehr als eine Frau an der Linie. Eine Frau, die mit einer knappen, selbstbewussten Geste eine ganze Nation, nicht nur die weibliche Seite der Bevölkerung und alle Gegner von Bayern München, begeistert hat. Dabei sollte man allerdings in Rechnung stellen, dass auch ihr Angreifer im Sinne der Aufklärung und Gleichberechtigung handelte. Es machte nämlich für Pep im Eifer des Gefechts keinen Unterschied, ob es ein männlicher oder weiblicher Schiedsrichter ist, den er, einer kampfbetonten Sportart adäquat, an die Schulter wollte. Auch das sollte man berücksichtigen, wenn nun landauf, landab über die Zukunft von Schiedsrichterinnen in einer Welt diskutiert wird, die als letzte Bastion einer Männergesellschaft gilt – von heute an muss man sagen: galt. Pep Guardiola ist nicht nur ein Depp, er ist auch ziemlich hip. Und in Zukunft werden die Männer des Fußballs vor dem Einmarsch von weiteren Schiedsrichterinnen auf dem Schlachtfeld stramm stehen.