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Bayerns Wissenschaftsminister ist von Studiengebühren überzeugt

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat geplantes Volksbegehren gegen Studiengebühren für zulässig erklärt. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) erkennt Vorteile der Studiengebühren. So sei die Verbesserung von Studiengängen evident. Außerdem seine Partei gebe nicht momentanen Stimmungen nach.

Wolfgang Heubisch im Gespräch mit Manfred Götzke | 26.10.2012
    Werner Heubisch: Ich kann nicht erkennen, dass unser Koalitionspartner hier definitiv bereits Abschied genommen hätte. Herr Seehofer hat ja selbst gesagt, dass man jetzt mal zwei, drei Wochen darüber nachdenken müsste, mal die Fakten aufbereiten müsste, und so ist das in einer Koalition, und dann werden wir uns austauschen und natürlich auch, wie es üblich ist in einer funktionierenden Koalition, dass wir uns dann zusammensetzen, wenn Gesprächsbedarf ist, und die Thematik aufbereiten. Ich meine, wir haben einen Koalitionsvertrag, wo das klar festgehalten wurde, wurde das letzte Jahr noch mal bestätigt, und da wird man dann, wenn Bedarf ist bei der CSU, drüber sprechen.

    Manfred Götzke: Haben Sie von der FDP keine Angst vor einem Anti-Gebühren-Landtagswahlkampf?

    Heubisch: Wir haben ja klar einen Weg vorgezeichnet, wie das in Bayern mit dem Volksbegehren läuft. Im Endeffekt – ich kürze das ab – im Endeffekt steht der Bürger unter Umständen vor der Entscheidung, einen Gesetzesvorschlag der freien Wähler abstimmen zu können. Das wird man sehen. Ich bin natürlich ein sehr guter Demokrat, der jede Entscheidung des Volkes respektiert. Meine persönliche Meinung ist davon unbeeinflusst, weil ich in internationalen Kriterien denke für den Freistaat Bayern. Wir müssen uns bestens aufstellen, aber natürlich ist Volkes Stimme für mich maßgebend. Ich bin da sehr gelassen.

    Götzke: Nun haben bis auf Bayern und Niedersachsen alle Bundesländer die Gebühren wieder abgeschafft. Warum irren die alle?

    Heubisch: Weil sie sich zur Unzeit mit den Kriterien nicht auseinandergesetzt hat, weil sie dem momentanen politischen Druck nachgegeben hat. Es ist auch Zeichen eines Politikers, dass er für Überzeugungen auch einsteht und dass wir die Richtung beibehalten, wo wir wissen, dass es einfach Vorteile hat. Auch, wenn ich mir überlege …

    Götzke: Welche Vorteile haben denn die Gebühren?

    Heubisch: Die Verbesserung der Lehre in den einzelnen Studiengängen ist ja evident. Wir haben in diesen fünf Jahren 890 Millionen Euro eingesetzt, das ist in anderen Bundesländern eben nicht der Fall. Wir sehen ja die Vorteile. Und wir sehen vor allem am Beispiel Nordrhein-Westfalen die Nachteile. Das ist schon, wenn Sie dort mit dem Präsidenten und Hochschullehrern sprechen, das ist ein Kahlschlag, was hier passiert. Und vor dem warne ich, und deshalb ist meine Überzeugung eben, sozial ausgewogene Studienbeiträge beizubehalten. Ein Drittel der Studenten ist befreit. Das ist der soziale Faktor. Wir können das nachgelagert machen, also du musst nur zurückzahlen, wenn du auch Arbeit, und zwar in einer gut bezahlten Höhe auch hast, dann geht es meinetwegen 20 bis 50 Euro pro Monat. Das ist darstellbar.

    Götzke: Sie haben ja gerade die Zahl insgesamt schon genannt. Es geht um 100 bis 200 Millionen pro Jahr, die durch Studiengebühren in Bayern eingenommen werden. Warum kann der Staat das nicht kompensieren. Also Bayern ist ja so wohlhabend, dass das kein Problem sein dürfte?

    Heubisch: Das ist genau der Punkt. Wir arbeiten eben daran, dass wir unseren Wohlstand erhalten und geben nicht momentanen Stimmungen nach. Man kann natürlich sagen, ach, wir haben doch so tolle Steuereinnahmen, und die werden Anfang November noch etwas erhöht werden, und das Jahr drauf, wenn der konjunkturelle Rückfall kommt, dann stehe ich vor dem Riesenproblem …

    Götzke: Entschuldigen Sie, es geht ja nicht um Stimmungen, sondern um den Willen der Wähler.

    Heubisch: Ich sage ja, wenn das Volk entscheidet in einem Volksbegehren – wir haben doch noch gar keine Abstimmung gehabt – dann lasst doch mal das Volk – das ist ja mein Standpunkt – in absoluter Ruhe entscheiden und dann ist das für mich auch bindend. Aber ich habe Überzeugungen, und momentan ist es so, wie es ist. Und wenn wir einmal diskutieren darüber dann hinterher, wenn das Volk entschieden hat, was wir machen. Aber ich kann nicht schon im Vorgang – das macht ja die Stärke Bayerns aus, dass wir eben in der Zeit auch sparen und investieren und vernünftig die Sachen angehen. Das halte ich mir schon zugute.

    Götzke: Es wurden verschiedene CDU/FDP-Landesregierungen aufgrund der Studiengebühren schon abgewählt.

    Heubisch: Das kann ich nicht bestätigen so. Das war sicher nicht der Grund der Studienbeiträge.

    Götzke: Unter anderem.

    Heubisch: Das waren ja ganz andere Kriterien, haben eine Rolle gespielt. Wenn Sie die Umfragen sehen, wie Wähler abstimmen, dann waren ganz andere Gründe maßgeblich, aber jedenfalls nicht Studienbeiträge. Und auch in Bayern ist es nicht so, wenn man auch die Berichterstattung jetzt gelesen hat, auch Meinungen von Studierenden. Es gibt sehr differenzierte Meinungen. Sie wissen ja, dass sowohl die Studierendenorganisation der Freien Demokraten als auch der deutschlandweiten RCDS sagen, das ist vernünftig, das macht Sinn, das ist Zukunft. Also, man sollte da wirklich sehr objektiv über die Dinge nachdenken und nicht momentanen Aufgeregtheiten nachlaufen, die eben Deutschland insgesamt nicht nach vorne bringen.

    Götzke: Nun ist der Anteil von Kindern aus Familien mit geringer formaler Bildung an den Universitäten in Deutschland bekanntlich geringer als in den meisten OECD-Ländern. Sind Studiengebühren das richtige Mittel, um diesem Missstand zu begegnen?

    Heubisch: Ja, da darf ich Sie auf die WZB-Studien aus Berlin hinweisen, die genau eigentlich das Gegenteil aussagt, die klar machen, dass gerade Kinder mit Migrantenhintergrund, aus sozial schwächeren Schichten, eher ein gebührenbesetztes Studium angehen, denn unter dem Aspekt, was nichts kostet, ist nicht so viel wert, das zeigt die Studie ganz deutlich. Die wurde nicht in Bayern gemacht, sondern in Berlin, und die sollte sich jeder mal durchlesen und dann noch mal neu seine eigene Bewertung vornehmen.

    Götzke: Das heißt, es gibt keine abschreckende Wirkung von Studiengebühren? Das wollen Sie behaupten?

    Heubisch: Das ist nicht nur ein Behauptung, das ist Fakt, wie übrigens auch Bayern nach wie vor ein Zuzugsland ist für Studierende. Das müsste ja auch abschreckende Wirkung sonst haben.

    Götzke: Herr Heubich, herzlichen Dank für das Gespräch!

    Heubisch: Ja, gerne!

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