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Bayreuther Festspiele 2009 - eine Bilanz

Nach dem Rückzug des Wagner-Enkels Wolfgang von der Leitung der Bayreuther Festspiele hielten in diesem Jahr erstmals Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier das Ruder auf dem Grünen Hügel in der Hand.

Von Christoph Schmitz | 05.08.2009
    Katharina Wagners "Meistersinger"-Deutung geht im dritten Jahr über die Hügel-Bühne, und das Missfallen der eingefleischten Wagnerianer ist nach wie vor groß und wird größer. Vor allem aus den ersten Reihen, wo die Mäzene aus dem Förderverein der Freunde von Bayreuth sitzen, kommen die lautesten Buhrufe für eine kluge, unterhaltsame und böse Inszenierung, die aus der "Gewohnheit trägem Gleise", so Hans Sachs, springt und die Gegner künstlerisch kreativer Regiezugriffe hart angreift. Katharina Wagners "Meistersinger" war bei der Premiere vor zwei Jahren ein ästhetisches Statement, das ihr fast den Kopf, beziehungsweise die Leitung der Wagner-Festspiele gekostet hätte. Mit Mühe hat sie Ende letzten Jahres zusammen mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier doch noch die Nachfolge von Vater Wolfgang antreten können, der in wenigen Tagen 90 wird. Und jetzt muss und will Katharina zeigen, dass sie das Amt auch ausfüllen kann. Das Problem ist nur, dass viele Sänger-, Musiker- und Regisseursverträge schon längst geschlossen sind und die Wagner-Schwestern zurzeit nur wenig gestalterischen Spielraum haben. Den aber nutzen sie, den nutzt vor allem Katharina als Frontfrau bestens! Richard Wagners Vision von "Festspielen für jedermann" verwirklichte sie im letzten Jahr erstmals mit einem kostenlosen und sehr erfolgreichen Public-Viewing einer Live-Übertragung ihrer "Meistersinger" plus Internet-Livestream als Zahlabo, am kommenden Sonntag wird es in diesen Formen den "Tristan" geben, im nächsten Jahr steht die "Walküre" auf dem Programm, dann folgen "Lohengrin" und "Tannhäuser". Und für das Jubiläumsjahr 2013, wenn Richard Wagner 200 wird, soll die komplette Neuinszenierung der Ring-Tetralogie live in der Innenstadt für alle übertragen werden. Bei diesem Ring müssen die Chefinnen dann zeigen, was sie können. Noch in diesem Jahr, vielleicht schon Ende des Monats werden sie den Namen des Regisseurs bekannt geben. Gerüchte, dass es Steven Spielberg, Florian Henckel von Donnersmarck oder Quentin Tarantino sein könnten, dementierte Katharina.

    Die große Neuerung in diesem Jahr ist "Wagner für Kinder". Ein 70-minütiger "Fliegender Holländer", mitgestaltet von Kindern, gespielt auf einer Probebühne, er kam beim Zielpublikum und den meisten Kritikern ziemlich gut an. Wie Public-Viewing und Internetübertragung wird auch "Wagner für Kinder" zur Dauereinrichtung. Mit dem Kinderprogramm und den neuen Medien ist ein erster frischer Wind durchaus spürbar. So wie Katharina Wagners Jungkünstler Walther von Stolzing den beklemmenden Kunsttempel der Meistersinger weiß bemalt und erstarrte Tradition zu neuem Leben erweckt, so strahlen auch Verwaltungs-, Presse- und andere Räume hinter der Hügel-Bühne zeichenhaft in neuem Licht. "Morgendlich leuchtend in rosigem Schein" singt Klaus Florian Vogt als Walther vielleicht prophetisch auch in diesem Jahr in unübertroffenem Schönklang, der Alt und Neu verbindet.

    "Von Blüt' und Duft geschwellt die Luft, voll aller Wonnen, nie ersonnen, ein Garten lud mich ein"

    Zwei wesentliche Neubesetzungen haben den Charakter dieser Meistersinger verändert. Michael Volles Beckmesser war verklemmt, rebellisch und zynisch. Der neue Beckmesser von Adrian Eröd ist brav, lustig und schließlich erschrocken über die faschistoide Entwicklung der Meister. Und Alan Titus als neuer Hans Sachs bestreitet den Gesangspart ungleich besser sein Vorgänger Franz Hawlata, bekommt aber nicht so gut den linksintellektuellen Konvertiten der Toskana-Fraktion hin.

    Befinden sich die Bayreuther Festspiele 2009 noch in einer ruhigen Übergangsphase, so werden im nächsten Jahr ein neuer "Lohengrin" unter Hans Neuenfels und Andris Nelson und 2011 ein neuer "Tannhäuser" unter Sebastian Baumgarten und Thomas Hengelbrock für Diskussionsstoff sorgen und schönen Wirbel im Publikum, vor allem in den ersten Reihen, mit Vorbild Prügelfuge.

    "Was gibt's denn da für Zank und Streit? Das tost ja weit und breit."