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BDI zur Klimapolitik
"Es geht um sehr viel Geld"

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat zehn Empfehlungen für ein aus seiner Sicht erfolgreiches Klimaabkommen formuliert. Die Sorge vor Übereinkünften, die nicht gleichermaßen für alle Staaten gelten, hingen mit den vergangenen Verhandlungen zusammen sagte BDI-Klimaexperte Holger Lösch im DLF.

Holger Lösch im Gespräch mit Birgid Becker | 30.11.2015
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat zehn Empfehlungen für ein aus seiner Sicht erfolgreiches Klimaabkommen formuliert. Die Sorge vor Übereinkünften, die nicht gleichermaßen für alle Staaten gelten, hingen mit den vergangenen Verhandlungen zusammen sagte BDI-Klimaexperte Lösch im DLF.
    Birgid Becker: Jährlich 100 Milliarden Dollar für die Unterstützung von Entwicklungsländern im Klimaschutz, so etwas kann nur gelingen, wenn es auch gelingt, private Investitionen anzukurbeln. Dabei und auch mit Blick auf notwendige technologische Lösungen für den Klimaschutz braucht es die Beteiligung der Industrie. Wie ist nun die Haltung der deutschen Industrie zum Klimaschutz, die Haltung mit Blick auf Paris? Darüber möchte ich mit H. Lösch sprechen, dem Klimaexperten beim Bundesverband der Deutschen Industrie, beim BDI. Guten Tag.
    Holger Lösch: Guten Tag, Frau Becker.
    Becker: Der BDI, Herr Lösch, hat vor der Pariser Konferenz zehn Empfehlungen für ein aus seiner Sicht erfolgreiches Klimaabkommen formuliert, und dabei durchzieht eine Sorge diese Empfehlungen, dass es nämlich zu Übereinkünften kommt, die nicht gleichermaßen für alle Staaten gelten. Was konkret fürchten Sie da? Einseitige Zusagen der Industrieländer beziehungsweise der EU?
    Lösch: Das ist eine Sorge, die sich natürlich konkret durch all die Klimaverhandlungen der vergangenen Jahrzehnte hindurchzieht. Wir fürchten, dass wir am Ende die beabsichtigten Beiträge der Staaten wieder nicht verbindlich bekommen, dass sie nicht sanktionierbar sind und dass sie auch nicht oder schlecht vergleichbar sind, und damit würden wir auch weiterhin in so einer Welt leben, wo wir ganz unterschiedliche klimapolitische Ambitionen haben. Und das ist wiederum schwierig für Unternehmen, insbesondere deutsche Unternehmen, aber auch andere Unternehmen in Industriestaaten, die auch globale Wettbewerber haben. Weil sie werden verstehen, dass es schwierig ist, wenn man selbst in einem System lebt, das sich klimapolitisch sehr ambitioniert bewegt, auf der anderen Seite aber Wettbewerber hat, die dies nicht tun müssen.
    Ich will nur ein Beispiel geben beim Stahl. Zum Beispiel importieren wir jedes Jahr rund 30 Millionen Tonnen Stahl aus China. Der chinesische Stahl braucht bei der Erzeugung ungefähr 500 Kilo mehr CO2-Ausstoß als der deutsche Stahl. Das heißt, wir importieren hier quasi 15 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, weil wir aufgrund unserer starken Reglementierung den deutschen Stahl hier nicht konkurrenzfähig machen können.
    Becker: Kernproblem dabei ist ja die faire Lastenverteilung zwischen Industriestaaten, Entwicklungsländern oder Schwellenländern, sich entwickelnden Ländern wie China. Und fair heißt ja in diesem Fall nicht unbedingt gleiche Lasten für alle.
    Lösch: Nein, das fordern wir auch nicht. Es muss fair sein und wir wollen eigentlich bei allen Industrieländern ambitionierte, gleich ambitionierte und auch vergleichbare, und für die Schwellen- und Entwicklungsländer muss es angemessen sein. Da differenzieren wir natürlich. Natürlich kann man von Ländern, die gerade am Beginn ihrer wirtschaftlichen Entwicklung stehen oder die sich sehr schwer auf dem Feld in Richtung einer Wirtschaftsentwicklung tun, nicht ähnliche Ambitionen wie von einer hoch entwickelten Industrienation erwarten. Das wäre auch unfair. Aber trotzdem: Wenn natürlich alle, insbesondere die G20, die wirklich wichtigen Industrie produzierenden Länder nach demselben Regelbuch spielen würden und auf demselben Spielfeld spielen würden, dann hätten wir, glaube ich, schon den schnellsten und wahrscheinlich auch kostengünstigsten Weg, um effektiv das weltweite CO2-Problem zu reduzieren. Aber genau an dieser Verteilung sind natürlich alle Konferenzen der letzten 25 Jahre mehr oder weniger gescheitert.
    Becker: Und diese Verbindlichkeit, die Sie fordern, fordern Sie die selbst um den Preis, dass daran die große Einigung scheitert?
    Lösch: Ich glaube, das ist die Ambition, die alle Verhandler haben und auch haben müssen, weil allen ist natürlich klar: Wir haben ja diesen Begriff der sogenannten INDCs. Das heißt: Intended Nationaly Determined Contributions. Und was jemand, der sich mit Politik beschäftigt, natürlich immer nervös macht, ist der Begriff "beabsichtigt". Beabsichtigt heißt: Wollen wir. Schauen wir mal, ob wir es hinkriegen. Und das ist etwas, was eigentlich Gift für die weltweite Klimapolitik ist. Je weniger Verbindlichkeit, desto schwieriger wird es, daraus wirklich Initiativen zu entwickeln, um Klimaschutz weltweit effektiv auch voranzutreiben.
    Becker: Zugleich können Hintertürchen natürlich auch ein Mittel sein, eine Einigung zu erzielen. Etwas anderes aber noch: Wie einhellig ist die Position der deutschen Industrie mit Blick auf den Klimaschutz? Als eine Art deutsche Vorleistung vor dem Gipfel hat sich ja die Bundesregierung auf eine Dekarbonisierungsstrategie, also eine Kohle-Ausstiegsstrategie verständigt. Und das sehen ja nicht alle in Ihren Reihen uneingeschränkt positiv.
    Lösch: Na ja, ob sich die Regierung auf eine Kohle-Ausstiegsstrategie verständigt hat, das wage ich jetzt noch zu bezweifeln. Es gibt Stimmen aus der Regierung, aber das wird mit Sicherheit noch eine intensive Diskussion innerhalb der Regierung geben. Das hat ja auch natürlich immer was mit, sage ich mal - und da kommen wir wieder zu dem Punkt -, dem Schutz der eigenen wirtschaftlichen Basis zu tun. Grundsätzlich ist es so, dass die deutsche Industrie sich seit Beginn dieses Themas Klimapolitik klar zu diesem Thema bekennt. Es gibt für mich auch persönlich keinen Zweifel daran, dass der wachsende Eintrag von CO2 in die Atmosphäre Folgen haben wird und dass wir Gegenmaßnahmen treffen müssen, um zu verhindern, dass Folgen eintreten. Ob diese Folgen so präzise vorhersehbar sind, dass heute schon Wissenschaftler sagen, in 60.000 Jahren fällt die Eiszeit aus, das halte ich dann für etwas unseriös, aber dass hier Handlungsbedarf da ist, das ist unbestritten, auch in der Industrie.
    Auf der anderen Seite sagen wir ganz klar: Wir werden dieses Problem nur mit Technologie lösen. Das ist übrigens auch der Blickwinkel aller Klimaforscher und aller Klimapolitiker, die wirklich seriös an die Sache herangehen. Wir werden dieses Thema nur mit einem ganz breiten Strauß von Technologien, die wir weltweit einsetzen, lösen können.
    Becker: Da lassen Sie mich einhaken. Dem BDI ist es ja nun an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass bei dem Einsatz neuer Technologien der Schutz geistigen Eigentums gewahrt werden solle. Das ist verständlich, aber ärmere Länder haben dann unter Umständen nicht die Mittel, um teure, patentgeschützte Technologien auch bei sich einzusetzen.
    Lösch: Wenn man sich die Diskussion, die jetzt in Paris stattfindet, wenn man sich die genau anschaut und wenn man jetzt mal die Beschwörungsformeln, die natürlich heute gekommen sind, die auch wichtig sind, um Druck auf alle Akteure auszuüben, wenn man die mal abzieht, dann geht es dort natürlich auch um so eine Frage einer Art globalen Finanzausgleichs. Die Entwicklungs- und Schwellenländer wollen von uns, den Industrienationen, entweder die Freiheit, noch etwas länger und etwas mehr emittieren zu können, um sich ökonomisch zu entwickeln, oder sie wollen im Grunde unkonditionierte Ausgleichszahlungen für Verluste und Schäden, die angeblich oder vielleicht auch wirklich durch die Emissionen der Industrienationen bei ihnen entstanden sind. Es geht wirklich sehr konkret um sehr viel Geld. Und die Industrieländer sagen, wir wollen einen sogenannten Green Climate Fund - Ihr Kollege Ehring hat das gerade auch erwähnt - auflegen, mit dem ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar aufgewendet werden, um genau in Ländern, die Probleme mit Klimaschutz, entweder mit CO2-Vermeidung, oder der Anpassung an Klimafolgen oder Klimaschäden haben, dass dort über Projekte etwas gemacht wird.
    Becker: Teilen Sie diesen Optimismus mit Blick auf die kommenden 14 Tage?
    Lösch: Es wird eine Art Abkommen geben. Ich fürchte, es wird nicht die Verbindlichkeit haben, die wir uns wünschen und wahrscheinlich auch aus anderen Motiven möglicherweise als die der Klimaschützer. Aber es wird ein Abkommen geben und danach werden wir ab Januar neu darüber diskutieren, wie es weitergehen kann und wie wir die Ergebnisse vor allen Dingen verifizieren, monitoren und vielleicht auch fortschreiben können.
    Becker: Vielen Dank. - Hagen Lösch war das vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Danke fürs Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.