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"Beasts Of No Nation" auf Netflix
Strukturwandel des Kinos

Streaming-Dienste wie Netflix haben in den letzten Jahren die Fernsehlandschaft auf den Kopf gestellt. Folgt jetzt auch im Spielfilmbereich ein Wandel? Am Freitag strahlt Netflix den ersten eigenproduzierten Spielfilm mit hochkarätiger Regie und Besetzung aus. Die Grenzen zwischen Film im Kino und im Home-Entertainment-Bereich verschwimmen.

Von Hartwig Tegeler | 15.10.2015
    Das Logo der Videoplattform Netflix
    Netflix baut seine Bedeutung für den Kinofilm aus (picture alliance / ZB / Britta Pedersen)
    Freitag, 16. Oktober 2015. Nach diesem Tag wird das Kino nicht mehr sein, was es war. Oder? Gute Frage.
    Auf dem Streaming-Portal Netflix wird morgen Cary Fukunagas Spielfilm "Beasts Of No Nation" zu sehen sein. Für rund 60 Millionen Abonnenten weltweit und ein paar wenige Zuschauer in ein paar wenigen US-Arthouse-Kinos.
    "Agu, you gonna kill this man."
    Mit seiner ersten Eigenproduktion zeigt Netflix Profil: "Beasts Of No Nation" ist die Geschichte eines kleinen afrikanischen Jungen, der von einem dämonischen Kommandanten - gespielt von Idris Elba - zum Kindersoldaten "umgeformt" wird. Eine düstere Bildungsgeschichte.
    "Are you ready to fight? - Yes, Sir, yes, Sir! - Victory."
    Mit seinen zwölf Millionen Dollar hat dieser Spielfilm-Test-Ballon von Netflix ein vergleichsweise geringes Budget. Besetzt aber mit Thema "Kindersoldaten" ein traditionelles Arthaus-Kino-Segment. Für uns war es erstaunlich, sagt Netflix-Chef Ted Sarandos, zu entdecken, welch riesiges Publikum für "internationale" wie traditionell amerikanische Stoffe vorhanden ist.
    Verwertungsbedingungen werden heftig durchgeschüttelt
    Die Verwertungshierarchie wurde im Kino trotz aller Streitigkeiten - wann nach dem Kinostart DVD? Wann Video On Demand? - bisher einigermaßen eingehalten. "Beasts Of No Nation" an einem Tag weltweit auf Netflix durchbricht das. Dass so etwas kommen würde, war abzusehen. Das Kino allerdings ist deswegen nicht zum Tode verurteilt. Die Aufmerksamkeit, die "Beasts Of No Nation" jetzt - auch an dieser Stelle - bekommt, hat ebenfalls damit zu tun, dass Fukinagas Film auf mehreren Filmfestivals wie Venedig oder Toronto, also klassischen Kino-Präsentations-Orten, zu sehen war. Ohne Frage sind die Grenzen zwischen dem Film im Kino und im Home-Entertainment-Bereich massiv ins Schwimmen geraten. Was sich auch an den Machern von "Beasts Of No Nation" ablesen lässt: Regisseur Cary wurde berühmt durch seinen Kinofilm "Sin Nombre", inszenierte fürs Kino die Charlotte-Brontë-Verfilmung "Jane Eyre", bevor er die Regie bei der ersten Staffel der HBO-Serie "True Detective" führte. "Beasts Of No Nation"-Star Idris Elba brillierte in den Serien "The Wire" und "Luther", um dann mit "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit" seine erste große Kino-Hauptrolle zu spielen. Alles in Bewegung. Und Ted Sarandos hat recht, wenn er die Streaming-Portale wie die gesamte Industrie an einem Wendepunkt sieht.
    Netflix ist zweifellos dabei, seine Bedeutung für den Kinofilm auszubauen, wie es mit seinen Serien - "House of Cards" beispielsweise - schon gelungen ist. Nach "Beasts Of No Nation" wird demnächst die neue Regie-Arbeit von Angelina Jolie auf dem Streaming-Portal zu sehen sein. Weitere Projekte sind in Vorbereitung. Ergo: Wie das Kino in zehn Jahren aussehen wird, weiß keiner, aber die Verwertungsbedingungen werden zurzeit heftig durchgeschüttelt und -gerüttelt.