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Beata Szydlo in Berlin
Besuch in frostiger Stimmung

Seit im November in Warschau eine rechtskonservative Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, ist das deutsch-polnische Verhältnis angespannt. Auch beim ersten offiziellen Besuch der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydlo in Berlin wird der Ton eher frostig sein. Meinungsunterschiede gibt es vor allem in der Flüchtingspolitik.

12.02.2016
    Szydlo mit schwarzem Jackett und weißem Hemd steckt sich gerade die Ohrenstöpsel für den Dolmetscher-Ton in die Ohren. Sie blickt ernst und konzentriert.
    Beata Szydlo besucht Berlin (PATRICK HERTZOG / AFP)
    Wie gereizt das deutsch-polnische Verhältnis zurzeit ist, zeigte sich auch in dieser Woche. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski kommentierte einen Düsseldorfer Rosenmontagswagen. Der Wagen zeigte den Vorsitzenden der rechtskonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, in Uniform und mit Sonnenbrille. Den Stiefel hatte die Figur auf den Kopf einer Frau gesetzt, die Polen symbolisieren sollte. Waszczykowski bezeichnete das als "Exzess":
    "In den nächsten Tagen werde ich die Gelegenheit haben, deutsche Politiker zu treffen. Ich werde sie fragen, was da los ist in Deutschland, das Polen zum Gegenstand von Stigmatisierung und Spott wird."
    Die harsche Kritik an der neuen polnischen Regierung stößt in Warschau auf Unverständnis, besonders einige Interviews des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz. Schulz sagte, Polen sei auf dem Weg zu einem autoritären Staat nach dem Vorbild Russlands.
    Allerdings schlagen auch polnische Politiker scharfe Töne an. Allen voran der PiS-Vorsitzende Kaczynski, der mächtige Mann hinter der Regierung:
    "Diejenigen, die häufig sagen: ‚Wir geben euch doch Geld' haben uns gegenüber Schulden, die unvergleichlich größer sind. Die deutschen Schulden gegenüber Polen übersteigen um ein Zigfaches das, was wir insgesamt von der EU bekommen. Wir haben keinen Grund, besonders dankbar zu sein. Was wir bekommen, ist nur ein kleiner Teil dessen, was wir bekommen sollten."
    Eine Streitfrage: Die Verteilung der Flüchtlinge
    Die heutige Besucherin, Ministerpräsidentin Beata Szydlo, hielt sich bisher mit Kommentaren zum deutsch-polnischen Verhältnis zurück. Aber dass es nach ihrem Amtsantritt fast 100 Tage dauerte, bis sie nach Berlin kommt, ist auch ein Zeichen für die bilaterale Abkühlung. Deutschland ist das fünfte Land, das Beata Szydlo offiziell bereist.
    In den Gesprächen wird es nicht so sehr um Symbolpolitik gehen, als vielmehr um handfeste Interessengegensätze. Vor allem in der Flüchtlingspolitik: Polen sperrt sich gegen eine EU-weite Verteilung. Selbst bei der Aufnahme der 7000 Flüchtlinge, die von der Vorgängerregierung zugesagt wurden, zögert Beata Szydlo. Sie blieb den Worten aus ihrer Regierungserklärung treu:
    "Das Flüchtlingsproblem macht uns deutlich, dass wir die Solidarität innerhalb der EU klar definieren sollten. Sie besteht darin, dass wir das Gute untereinander aufteilen - und gleichzeitig bereit sind zu helfen, wenn etwas Außergewöhnliches passiert, Naturkatastrophen oder Terroranschläge etwa. Jedoch der Export von Problemen, die sich bestimmte Staaten selbst geschaffen haben, hat nichts mit Solidarität zu tun."
    Bei einer späteren Rede im EU-Parlament begründete Szydlo die polnische Haltung auch damit, dass ihr Land in den vergangenen beiden Jahren viele Menschen aus der Ukraine aufgenommen habe.
    Weniger kontrovers dürfte indes ein polnisches Anliegen diskutiert werden: Die polnische Regierung will beim Nato-Gipfel in Warschau im Juli mehr Nato-Truppenpräsenz in Polen erreichen. Dabei ist sie inzwischen aber von ihrer Maximalforderung abgerückt, diese Truppen müssten fest stationiert werden.
    Beobachter in Polen gehen davon aus, dass die Gespräche heute insgesamt harmonischer verlaufen werden, als es der verbale Schlagabtausch der vergangenen Wochen vermuten lässt. Denn Warschau dämpfte zuletzt seine Kritik am deutsch-russischen Gaspipeline-Projekt Nordstream 2. Und Berlin äußerte sich nicht zur in der EU umstrittenen polnischen Innenpolitik.