Freitag, 19. April 2024

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"Beatrice Cenci" bei den Bregenzer Festspielen
Von Brutalität und Kirchenmacht

Der Vater missbraucht die Tochter, die lässt ihn ermorden und wird von ihrem Liebhaber - der Prälat ist - enttäuscht. Viel Gewalt in Berthold Goldschmidts Oper "Beatrice Cenci" - die wird bei den Bregenzer Festspielen aber zum Glück der Imagination der Zuschauer überlassen.

Von Elisabeth Richter | 19.07.2018
    Szene aus der Oper "Beatrice Cenci" bei den Bregenzer Festspielen: Christoph Pohl als Graf Francesco Cenci (vorne links) und Gal James als Beatrice (vorne rechts)
    Szene aus der Oper "Beatrice Cenci" bei den Bregenzer Festspielen (Bregenzer Festspiele / Karl Forster)
    Wie einst bei König Midas glänzt (fast) alles golden an Francesco Cenci. Mit Gold, also mit Geld, regelt er sein Leben. So glitzern in Johannes Eraths Inszenierung von Berthold Goldschmidts Oper "Beatrice Cenci" nicht nur die Hände des römischen Grafen golden, sondern auch ein stattliches Penis-Futteral. Ein gläserner Kasten fungiert als Laufsteg und ist gefüllt mit Gold, und zuweilen marschiert dieser Renaissance-Wüstling auch über einen riesigen Haufen des edlen Metalls. Gewaltdelikte und Morde Cencis sind historisch belegt, doch immer wieder konnte sich der Verbrecher freikaufen. Mit verstrickt ist die römische Kirche, der Goldgaben aller Art wohlfeil waren.
    Francesco Cenci tyrannisiert seine Ehefrau Lucrezia, er vergewaltigt seine Tochter Beatrice. Sie liebt den Prälaten Orsino, dieser verspricht ihr beim Papst um Dispens vom Zölibat zu bitten, um sie heiraten zu können. Ein hohles Versprechen. Orsino besorgt den beiden Frauen zwar zwei Mörder, die Francesco auch ins Jenseits befördern, macht sich dann aber aus dem Staub. Der Papst verweigert die Begnadigung der Frauen. Durch ihren Tod fällt das Vermögen der Familie an die Kirche. Bei der öffentlichen Hinrichtung schwankt das Volk zwischen Mitleid und Rachelust. Goldschmidt schreibt am Schluss eine ergreifende Requiem-Musik für Beatrice Cenci.
    Kompositionsstil nach dem Krieg nicht in Mode
    Berthold Goldschmidt kannte den Beatrice Cenci-Stoff schon seit den 1920er Jahren durch die literarischen Verarbeitungen von Stendhal und Shelley, aber erst nach Ende des zweiten Weltkrieges und nach seiner Emigration nach England schrieb er seine Oper. Die Parallelen zwischen der von ihrem brutalen Vater abhängigen Beatrice, die zur Selbstjustiz greift, und Goldschmidts persönlichem Schicksal liegen auf der Hand – nicht nur sein künstlerisches Leben wurde durch den faschistischen Terror fast zerstört.
    Tragisch umso mehr, dass Goldschmidts stets der Tonalität und einem romantischem Idiom verbundener Kompositionsstil nach dem Krieg von der Dominanz der Avantgarde ins Abseits gedrängt wurde. Erst seit zwei Jahrzehnten etwa schaut man auf die pure Qualität der Musik und nicht nach dem Zeitgeschmack. Goldschmidt selbst bezeichnete seine erst 1994 szenisch uraufgeführte "Beatrice Cenci" als Belcanto-Oper. Der überwiegend lyrisch ausgerichtete Gestus verstärkt im Kontrast zur Brutalität des Geschehens den Schmerz, auch wenn davon scharf akzentuierendes Schlagzeug, freitonale Passagen, dunkel mächtig aufspielendes Blech im Orchester erzählen.
    Schwarze Bühne, bunte Kostüme
    Katrin Connan hat eine assoziationsträchtige Bühne geschaffen. Agiert wird in einem großen schwarzen Rund, es ist ein Fotoobjektiv, das sich in konzentrischen Kreisen nach hinten perspektivisch verjüngt. Die bunt überzeichneten Renaissancekostüme von Katharina Tasch bilden zum Bühnenschwarz einen willkommenen Kontrast. Wie Goldschmidt vermeidet auch Regisseur Johannes Erath klug die Dopplung der Brutalität und überlässt dem Zuschauer die Imagination. Dennoch hätte man sich zuweilen ein spannenderes, stärker profiliertes szenisch-schauspielerisches Agieren gewünscht. Der lyrische Gestus der Musik drohte so zuweilen in Lethargie umzukippen.
    Eine Szene der Oper "Beatrice Cenci" bei den Bregenzer Festspielen: In Rot gekleidete Kardinäle stehen vor einem Sarg aus Glas voll Geldmünzen.
    Eine Szene der Oper "Beatrice Cenci" bei den Bregenzer Festspielen: In Rot gekleidete Kardinäle stehen vor einem Sarg aus Glas voll Geldmünzen. (© Bregenzer Festspiele / Karl Forster )
    Musikalisch hatte Dirigent Johannes Debus am Pult der Wiener Symphoniker anfangs Probleme die Balance zwischen Orchester und Sängern zu regeln. Das pendelte sich im Verlauf ein. Die introvertierten Facetten, aber auch die wenigen dramatischen Momente kamen gut zur Geltung. Auch Gal James in der Titelpartie der Beatrice Cenci fasziniert im Verlauf immer mehr, vor allem mit lyrischer Intensität, aber auch mit den exponierten hochdramatischen Momenten der anspruchsvollen Partie. Bariton Christoph Pohl verkörperte stimmlich und darstellerisch einen virilen, kernigen Francesco Cenci, und Per Bach Nissen war mit seinem sonoren Bass eine gute Wahl als verlogener Kardinal Camillo. Bis auf einige szenische und musikalische Spannungslöcher bewies die Bregenzer Aufführung, dass Goldschmidts "Beatrice Cenci" häufiger gespielt werden sollte.