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Becker: FDP hat klares Profil gezeigt

Nicht reden, sondern handel, forderte der Vorsitzende der Jungen Liberalen Lasse Becker nach dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart. Man habe neuen Akzenten gesetzt und das Fundament gelegt, jetzt müssen der Abbau der Schulden und der Schutz der Bürgerrechte im Mittelpunkt des Handels stehen, so Becker.

Lasse Becker im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 07.01.2012
    Zurheide: Herr Becker, wenn die "Spiegel"-Kollegen jetzt titeln "Königliches Debakel", dann mach ich es mir natürlich einfach, wenn ich das einfach so zitiere. Haben Sie die "Presseschau" gerade mit Vergnügen gehört?

    Becker: Ich glaube, es gab, wenn man in die Presse heute geschaut hat, teilweise positive, teilweise negative Artikel. Es gab einige, die, glaube ich, nicht ganz zu Unrecht festgestellt haben, dass die Erwartungen, die vorher geschürt wurden, eigentlich von niemandem zu erfüllen waren. Ich glaube, im Zusammenspiel der Reden dort hat man ein Bild gezeichnet, dass man eben sieht, dass unterschiedliche Charaktere in der Partei Verantwortung übernehmen und dass zum Beispiel das Thema Haushaltskonsolidierung für die FDP sehr wichtig ist, und damit hat man endlich wieder angefangen, sich mit Themen zu beschäftigen. Auf der anderen Seite war natürlich das Signal, was dann aus dem Saarland kam, mit Sicherheit alles andere als hilfreich. Allerdings erlaube ich mir da auch zu sagen, dass der gestrige Tag so dazu geführt hat, dass auch politisch Interessierte jetzt gelernt haben, dass die Ministerpräsidentin des Saarlandes Kramp-Karrenbauer heißt und dass sie keinen politischen Stil pflegt, wenn sie an dem Tag, an dem FDP-Landesvorsitzende gerade sein Kind erwartet, so etwas für nötig hält, in die Öffentlichkeit zu bringen. Da hätte man auch einen Tag warten können, aber da sieht man, wie weit es bei der CDU mit dem C bestellt ist noch.

    Zurheide: Man könnte natürlich auch sagen, so frei nach Jürgen Wegmann, dem Fußballer, an den wir uns erinnern, den wollen wir ausnahmsweise mal im Deutschlandfunk zitieren: "Erst haben wir kein Glück gehabt, und dann kam noch Pech dazu.", oder?

    Becker: Na ja, ich glaube bloß, also bei allem Unverständnis für den schlechten Stil der Kollegin der Union, einfach was das Timing angeht, muss man nüchtern festhalten, dass gestern bei Dreikönig selbst man klargemacht hat, dass nur die FDP bei der Frage Wachstum, aber eben auch gerade – und das war aus meiner Sicht der stärkste Punkt am gestrigen Tag – bei der Frage Abbau dieser gigantischen Schuldenberge, die wir aufgetürmt haben, und beim Schutz der Bürgerrechte klares Profil gezeigt hat. Aber ich gebe mit einem recht: Man wird aus der aktuellen Krise nicht rauskommen, wenn man nur darüber redet. Die Herausforderung ist jetzt, dass die gesamte Bundestagsfraktion der FDP, dass die FDP in der Bundesregierung zeigen muss, dass sie das, was gestern in den Reden angesprochen wurde, mit Leben füllt und endlich umsetzt. Wir als Junge Liberale erwarten, dass diese Regierung es noch in dieser Legislaturperiode angehen sollte, das Haushaltsdefizit auf Null zu setzen, damit wir endlich in den Abbau der Schuldenberge starten können.

    Zurheide: Das heißt aber, wir haben da eine deutliche Akzentverschiebung, das Wort Steuersenkungen kommt nicht mehr als allererstes Wort vor. Auch sie haben dann diese Lernkurve gemacht – jetzt sie nicht groß, sondern klein geschrieben, sie alle als FDP –, so wichtig das möglicherweise irgendwann ist, zunächst mal Wachstum und Konsolidierung. Richtig?

    Becker: Ich glaube, dass das immer zwei Seiten einer Medaille waren, aber ...

    Zurheide: Aber die wurden unterschiedlich betont.

    Becker: Genau, es wurde unterschiedlich betont. Wir Jungen Liberalen haben immer gesagt, gerade die Frage Haushaltskonsolidierung ist aus Sicht der Jungen Liberalen, aus Sicht der jungen Generation immer besonders wichtig, weil es im Zweifelsfall die Jüngeren sind, die diese Schuldenberge irgendwann dann abzahlen müssten, und wir deshalb da jetzt klar umsteuern müssen. Das war aus unserer Sicht schon immer so, die Partei hat das in der Vergangenheit anders teilweise betont. Ich finde das aber richtig, dass man dort einen neuen Akzent setzt, und das muss man jetzt mit Leben füllen. Das waren gestern aus meiner Sicht ordentliche Reden, gerade im Zusammenspiel der vier Redner, dass man eben gesehen hat, dass Philipp Rösler eher ruhig-sachlich dort eine Vision aufgezeigt hat, aber eben auch beim Schuldenabbau gerade die Schritte, die dort kommen müssen, sich klar gegen die Vorratsdatenspeicherung und für den Schutz der Bürgerrechte und gegen den Generalverdacht gegen die gesamte Bevölkerung gestellt hat. Aber jetzt muss das alles eben mit Leben gefüllt werden. Es kann nicht mehr sein als das Fundament, dass man bei Dreikönig gelegt hat, es muss jetzt eben an die Umsetzung genau dieser Punkte gehen, und daran messen wir natürlich auch all diejenigen, die gestern gesprochen haben und die sonst in der Führung in der FDP Verantwortung tragen.

    Zurheide: Da höre ich aber gewisse Zweifel mit raus.

    Becker: Da hören Sie natürlich ein gewisses Maß an Zweifeln, gerade gegenüber dem Koalitionspartner raus, der ja nicht gerade in den vergangenen Jahren sich hervorgetan hat dadurch, dass er besonders viel bewegen wollte, aber auf der anderen Seite ist das jetzt natürlich die Herausforderung, vor der wir stehen. Es ist ein Fundament gelegt, aber man muss jetzt kontinuierlich und hart arbeiten – das habe ich gestern auch jedem der Bundestagsabgeordneten der FDP gesagt. Ich erwarte, dass jeder jetzt sein Möglichstes dazu beiträgt und dass zum Beispiel jeder Fachpolitiker auch Sparvorschläge macht, wie man es eben schaffen kann, den Haushalt möglichst noch diese Legislaturperiode auszugleichen, um endlich Schulden abzubauen.

    Zurheide: Eine Frage kann ich Ihnen natürlich heute Morgen nicht ersparen: Ist denn die Aufstellung der Partei, so wie sie jetzt da ist, ist sie denn richtig? Die junge Truppe, die eine Zeit lang – zumindest die drei Jungen, die da nebeneinander gestanden haben, wenn wir mal Rösler, Bahr und Lindner nehmen, und dann Brüderle in der anderen Funktion, Lindner ist jetzt aus diesem Dreieck erst mal raus, oder aus dem Viereck ist er raus, wenn wir Brüderle hinzunehmen –, ist denn die Aufstellung wirklich so, dass Sie da jetzt Ruhe haben im Moment?

    Becker: Ich glaube, dass die Aufstellung richtig ist, gerade die Mischung, dass mit Rainer Brüderle jemand genauso im Team mit dabei ist wie mit Philipp Rösler ...

    Zurheide: Darf ich noch mal fragen: Das mussten Sie aber auch lernen, denn einige wollten das ja ganz ändern und wollten Herrn Brüderle aus der Spitze im Prinzip nicht mehr mit dabei haben?

    Becker: Ich war sehr, sehr skeptisch, das habe ich auch immer gesagt, was die Arbeit von Rainer Brüderle in seinem Ministeramt und als stellvertretender Bundesvorsitzender angeht, aber ich sage heute ganz genau so: Als FDP-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag hat er sehr, sehr viel zur Profilschärfe der Liberalen dort wieder beigetragen, und das ist das, was man eben festhalten muss. Es sind halt unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Stärken, und gerade die müssen sich als Team begreifen. Und wenn man dann eben sieht, dass dort jemand in einer Position gute Arbeit macht, dann muss man das – und das ist auch das, was wir Jungen Liberalen immer gesagt haben –, dann muss man das an der Leistung messen. Und Rainer Brüderle macht im Akt des Fraktionsvorsitzenden ohne Zweifel eine gute Arbeit, wichtig ist aber dort das gesamte Team, dass man eben sagen muss, dass Philipp Rösler zum Beispiel in manchem Gespräch in der Führungsspitze dieser Koalition mehr durchgesetzt hat auf einem ruhigen und sachlichen Weg, als es in der Zeit davor mit wesentlich lauteren Tönen dort geschehen ist. Und das sollten wir in der Tat auch an dieser Stelle festhalten, und das ist das, wo ich erwarte, dass das Team jetzt in diesem Jahr genau die einzelnen individuellen Stärken nutzt und manche persönliche Eitelkeit hintenanstellt.

    Zurheide: Waren oder sind die Äußerungen von Patrick Döring, über die wir in der Woche gesprochen haben, waren die da hilfreich, diese sehr offene Beschreibung auch von Philipp Rösler?

    Becker: Also zuallererst muss man festhalten, dass – Sie beziehen sich ja auf einige Aussagen im "Stern" ...

    Zurheide: Richtig.

    Becker: ... dass diese Aussagen ...

    Zurheide: Der Wegmoderierer, um es noch mal deutlich zu sagen.

    Becker: ... dass diese Aussagen mit Sicherheit nicht besonders klug waren, auch sie in Hintergrundgesprächen nur zu sagen, dass man aber auf der anderen Seite auch sagen muss, dass in diesem Artikel sehr, sehr viele Sachen äußerst journalistisch unsauber gearbeitet sind. Ich glaube bloß, da sollte man sich jetzt nicht dran festhalten, sondern man sollte genau sehen, was sind die Stärken der Leute. Und es ist eine Stärke von Philipp Rösler, dass er moderieren kann, dass er motivieren kann, dass er genau zuhören kann und die Punkte aufnehmen kann. Dafür ist es dann eben wichtig, dass im Team andere, zum Beispiel der Generalsekretär, zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende, aber auch das gesamte Präsidium dann eben vielleicht bei den etwas lautstärkeren Tönen dort vorangehen, die natürlich auch zur Politik dazugehören. Aber das ist eben Teamplay. Es kann niemand mehr sehen, wenn die FDP sich in Endlosschleife nur damit beschäftigen will, wer wen belauert, sondern es muss darum gehen, dass genau die Inhalte, über die wir an Dreikönig gesprochen haben – Abbau der Schulden, Schutz der Bürgerrechte –, dass wir die jetzt in den Mittelpunkt des Handelns stellen und nicht nur darüber reden.

    Zurheide: Das heißt aber, Sie halten auch an Patrick Döring fest, und Christian Lindner spielt erst mal keine Rolle mehr in der Partei?

    Becker: Christian Lindner hat sich selbst entschieden, dass er als Generalsekretär zurücktritt. Ich fand insbesondere den Zeitpunkt falsch, das habe ich Christian Lindner auch im persönlichen Gespräch gesagt. Ich finde es auch interessant, wie manche historische Verklärung dort hinterher stattgefunden hat, dass die gleichen Leute, die ihn noch eine Woche vorher kritisiert haben, hinterher gesagt haben, wie furchtbar. Ich sage, im Grundsatzprozess der FDP ist es ein herber Verlust, dass Christian Lindner dort nicht mehr dabei sein wird, ich sage aber auch, bei manchen Fragen der organisatorischen Neuaufstellung, der Kampagnenfähigkeit, glaube ich, dass es eine sehr große Bereicherung sein wird, dass Patrick Döring diese übernehmen wird, sodass ich glaube, jeder hat da seine individuellen Stärken. Und diese Stärken nutzen wir jetzt, und ich glaube, gerade in der aktuellen Situation ist Kampagnenfähigkeit und ist auch vielleicht ein notwendigerweise an manchen Stellen etwas deutlicherer Ton etwas, was der Partei gut ansteht.

    Zurheide: Das war Lasse Becker, der Vorsitzende der Jungen Liberalen, hier bei uns im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch, danke schön!

    Becker: Sehr gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.