Dienstag, 23. April 2024

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Beckstein: Online-Durchsuchung hätte bei Terrorermittlungen geholfen

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein hat erneut eine gesetzliche Regelung zur Online-Durchsuchung von Computern gefordert. Beim Verdacht terroristischer Handlungen sei der Zugriff auf die Daten unbedingt notwendig, sagte der CSU-Politiker. Die Sicherheitsbehörden müssten wissen, welche Internet-Inhalte gesichtet worden seien. Beckstein appellierte insbesondere an die SPD, ihren Widerstand gegen den Datenzugriff aufzugeben.

Moderation: Friedbert Meurer | 06.09.2007
    Meurer: In Madrid und in London hat es schon verheerende Terroranschläge gegeben und bei den mutmaßlich geplanten Anschlägen in Deutschland hätten die Folgen vielleicht noch verheerender sein können, weil die Menge an Sprengstoff größer war. Vorgestern nahm die Polizei drei mutmaßliche Attentäter jedenfalls fest. Ein halbes Jahr lang haben Hunderte Beamte die jetzt Festgenommenen beobachtet. Sie wollten erst einmal herausfinden, wer noch alles zu dieser Gruppe gehörte.

    Am Telefon begrüße ich den bayerischen Innenminister Günther Beckstein von der CSU. Guten Morgen, Herr Beckstein!

    Beckstein: Einen schönen guten Morgen!

    Meurer: Alle loben ja den Polizeieinsatz vom Dienstag. Wie zufrieden sind Sie mit dieser Aktion?

    Beckstein: In der Tat hat die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, aber auch die Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden Bundeskriminalamt, Landeskriminalämtern und dem Verfassungsschutz hervorragend funktioniert und das über Monate hinweg. Anders als damals bei dem NPD-Verbotsantrag hat hier der Föderalismus wirklich vorbildlich funktioniert. Dass da sogar über Monate hinweg nicht mal irgendwas rausgesickert ist, ist eigentlich auch sehr überraschend gewesen, wenn mehrere Hundert Leute eingebunden waren. Also aus meiner Sicht war es ein großer Erfolg.

    Meurer: Die Verhafteten sind seit Monaten im Visier der Polizei gewesen. Ist diese klassische Form der Polizeiarbeit immer noch die effektivste Maßnahme zur Vorbeugung gegen Anschläge?

    Beckstein: Selbstverständlich müssen all die herkömmlichen polizeilichen Mittel angewendet werden, also die Observation. Es hat ja darüber hinaus auch weitere Eingriffe in die persönlichen Rechte gegeben auf strikt rechtsstaatlicher Grundlage. Allerdings war auch einer der Hauptverdächtigen noch vor wenigen Wochen in München und wir wissen, dass er mit einem Kollegen hier in München Internetseiten von Islamisten aufgerufen hat. Wir haben das durch eine zulässige herkömmliche Überwachungsform festgestellt. Wir wüssten natürlich sehr, sehr gerne, was die Inhalte gewesen sind, welche weiteren Vernetzungen er hatte, ob beispielsweise auch Terrortechniken dort abgerufen worden sind, ob man sich weiter verabredet hatte, aber dafür hätte es die Online-Durchsuchung benötigt, die wir aber natürlich nicht machen durften, weil es eine Rechtsgrundlage dafür nicht gibt.

    Meurer: Aber sie haben doch auch die E-Mails gelesen, die die Beteiligten geschrieben haben. Auf welcher Grundlage?

    Beckstein: Die Fachleute des Landeskriminalamtes sagten mir, es wäre dringend notwendig gewesen, auch Online-Durchsuchung zu haben, um den Fall ausermitteln zu können, damit man feststellt gibt es noch weitere Verdächtige. Darüber muss man sich dann auch in aller Ruhe noch weiter unterhalten. Es ist ja auch zu diesem Zwecke übermorgen dann noch eine Innenministerkonferenz angesetzt. Das wird dort in aller Nüchternheit dann auch analysiert werden. Aber meine Leute sind hier ganz eindeutig der Auffassung, es ist das notwendig.

    Meurer: Das steht also ganz oben auf der Tagesordnung bei der Sonderkonferenz der Innenminister. Wann wird das endlich entschieden?

    Beckstein: Es wäre aus meiner Sicht längst überfällig, zumal man ja sagen muss, dass der frühere Innenminister der SPD Otto Schily das schon angeordnet hatte und übrigens in einem der Anwendungsfälle auch ganz eindeutig ganz wichtige Erkenntnisse gewonnen worden sind. Der Bundesgerichtshof hat ja auch nicht das generell für unzulässig gehalten, sondern erklärt, es braucht eine eigene Rechtsgrundlage. Von daher ist das für mich unverständlich, dass die SPD in Teilen dies strikt ablehnt, aber das ist der Grund, dass der Koalitionspartner SPD eben hier völlig zerrissen ist.

    Meurer: Haben andere Geheimdienste, Herr Beckstein, also Partnergeheimdienste, Online-Überwachungen in Deutschland vorgenommen und die Erkenntnisse dann an deutsche Stellen weitergegeben?

    Beckstein: Ich kann dazu keine Angaben machen. Jedenfalls in Zusammenarbeit mit bayerischen Behörden ist da nichts gelaufen. Ich würde das auch nicht für zulässig halten. Allerdings kann ich wie gesagt hier keine Angaben machen. Dass ausländische Geheimdienste unter Umständen auch ohne Wissen deutscher Sicherheitsbehörden eigene Ermittlungen anstellen, wäre nicht völlig überraschend.

    Meurer: Es heißt ja jetzt, Herr Beckstein, der Unterschied zu vorangegangenen Fällen sei, dass wir es jetzt mit Personen zu tun haben, Terrorverdächtigen, die in Deutschland aufgewachsen sind. Waren die wirklich professioneller zu Gange als beispielsweise die Kofferbomber?

    Beckstein: Das Phänomen Homegrown Terrorism, also Leute, die im eigenen Land aufgewachsen sind, ist leider kein neues Phänomen. Das war schon in England feststellbar. Wir haben ein weiteres Phänomen, auf das ich auch ausdrücklich hinweisen will, dass Konvertiten eine Rolle spielen. Es wäre natürlich völlig falsch, alle Menschen, die zum Islam übertreten, unter Generalverdacht zu stellen, aber unter denen, die terrorverdächtig sind, sind zum wiederholten Male jetzt auch Konvertiten in Erscheinung getreten und es ist vor allem auch in der Tat bemerkenswert, mit welcher Professionalität hier Bomben gebastelt werden. Bauanleitungen sind hier in der Tat auch im Internet über islamistische Seiten abrufbar. Ob das in dem Fall jetzt genauso gewesen ist oder über Treffen im Ausland, das müssen die Ermittlungen ergeben.

    Meurer: Welchen Schluss ziehen Sie aus Ihren Bemerkungen über die Konvertiten? Werden die jetzt alle überwacht?

    Beckstein: Wir haben ja keinerlei Meldepflicht für den Übertritt zum Islam, so dass wir das in aller Regel auch gar nicht mitbekommen, wenn jemand übertritt. Es wäre überdies zudem natürlich nicht zulässig, weil es unter den Konvertiten natürlich auch Leute gibt, die einen großartigen Humanismus beispielsweise vertreten. Aber aus der Überwachung islamistischer Vereinigungen wird selbstverständlich unter Umständen bekannt, wenn in solchen fanatischen Vereinigungen Konvertiten auftreten. Dann ist das sicher ein Alarmzeichen.

    Meurer: Ein Treffpunkt der islamistischen Vereinigungen ist das Islamische Informationszentrum in Ulm. Sie haben das Multikulturzentrum in Neu-Ulm, was zu Bayern gehört, geschlossen. Geben Sie den Rat Ihren Kollegen in Baden-Württemberg, das gleiche in Ulm zu tun?

    Beckstein: Wir haben in der Tat das Multi-Kulti-Zentrum in Neu-Ulm verboten. Das hat auch bei Gericht gehalten und das war eine ganz wichtige Maßnahme. Wir haben auch in der weiteren Folgezeit mehrfach Hausdurchsuchungen gemacht, um Ersatzeinrichtungen zu verbieten und es nicht zu ermöglichen, dass irgendwelche neuen Fanatisierungen kommen.

    Meurer: Und das Zentrum in Ulm ist doch jetzt schon mehrmals ins Fadenkreuz geraten. Warum kann man das nicht schließen?

    Beckstein: Die Probleme in Ulm sind, dass dort die bisherigen Beweise für eine unmittelbare Betätigung innerhalb dieses Informationszentrums nicht in dem genügenden Umfang gegeben waren. Vor allem muss man sich auch darüber klar sein, dass mit dem Verbot einer Organisation natürlich noch nicht die Fanatiker selber in ihren Köpfen verändert worden sind. Allein eine fanatische Überzeugung zu haben, ist noch nicht strafbar, erst wenn strafbare Handlungen begangen werden. Dass wir allerdings von den Sicherheitsbehörden in diesen Bereichen massiv überwachen, ist eindeutig und das ist auch leider notwendig.

    Meurer: Nach den Terrorfestnahmen diese Woche im Hochsauerlandkreis sprach ich mit Günther Beckstein, dem bayerischen Innenminister (CSU) über die Sicherheitslage in Deutschland. Herr Beckstein, besten Dank und auf Wiederhören!

    Beckstein: Auf Wiederhören!