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Bedenken gegen zu viel Hygiene

Triclosan ist Bestandteil von Desinfektionsmitteln für Orte wie Krankenhäuser und Arztpraxen. Allerdings wird dieses Biozid auch immer häufiger in verbrauchernahen Produkten eingesetzt wie Wasch- und Reinigungsmittel oder in der Bekleidungsindustrie. Diese zunehmende Verwendung von Triclosan bereitet einigen Hygienikern Sorge.

Von Markus Rimmele | 10.07.2006
    Wer joggt, der schwitzt. Und wer schwitzt, der riecht. Nämlich genau dann, wenn Hautbakterien beginnen, den Schweiß abzubauen. Ein natürlicher Vorgang. Seit einigen Jahren aber hat der Mensch auch hier die Natur außer Kraft gesetzt. Wer joggt, schwitzt zwar immer noch, aber das T-Shirt oder die Turnschuhe riechen nicht mehr unbedingt. Nämlich dann nicht, wenn sie antibakteriell beschichtet sind, etwa mit dem Biozid Triclosan.

    Es tötet die Bakterien ab, der Schweiß bleibt geruchslos. Praktisch! Immer mehr "Anti-Geruchs"-Kleidung ist im Sportartikelhandel zu haben. Und nicht nur hier ist die Chemikalie auf dem Vormarsch. Viele so genannte antibakterielle Haushaltsreiniger und Seifen enthalten Triclosan, aber auch Zahnpasten, Kosmetika und sogar manche Mülltonnen. Dabei kommt Triclosan eigentlich aus dem medizinischen Bereich. Jürgen Kundke vom Bundesinstitut für Risikobewertung:

    "Triclosan wird dafür eingesetzt zu desinfizieren. Im Klartext heißt das etwa, dass die Mediziner Triclosan verwenden, um Waschbecken, Bestecke, Ähnliches zu desinfizieren. Alles das, was nicht autoklaviert wird, das heißt also, bei hohen Temperaturen steril gemacht wird. Einfach, um zu verhindern, dass Kranke mit Keimen in Kontakt kommen, die ihnen, wenn sie zum Beispiel immunsupprimiert sind, das heißt wenn ihr Immunsystem unterdrückt wird, aus bestimmten Gründen, dass sie da nicht krank werden."

    Allein dafür, für die Desinfektion im Krankenhaus oder beim Zahnarzt, sollte Triclosan verwendet werden, sagt Jürgen Kundke, und nicht in unserem Alltag. Kundke ist besorgt über die sprunghaft wachsende Zahl von Produkten, die den Stoff enthalten. Die Sorge gilt unserer Gesundheit. Denn: Der verbreitete niedrigdosierte Einsatz von Triclosan in Reinigern oder Kleidern stimuliert die Bakterien zur Resistenzbildung. Das legen verschiedene Studien nahe. Das Problem dabei: Die Keime werden nicht nur gegen Triclosan selbst unempfindlich:

    "Wir haben die Sorge, dass Keime, die gegen Triclosan resistent sind, eine so genannte Kreuzresistenz ausbilden. Das heißt, dass sie auch gegen Antibiotika resistent werden, die in der Klinik relativ häufig angewandt werden, weil es der gleiche Resistenzmechanismus ist. Das hat möglicherweise die Folge, dass eben diese Antibiotika höher dosiert werden müssen, oder gar nicht mehr eingesetzt werden können, um die entsprechenden Keime zu bekämpfen beim Kranken."

    Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher, Triclosan restriktiv einzusetzen, also im Wesentlichen für medizinische Zwecke. Nach Angaben des BfR lässt sich die Resistenzbildung unter Laborbedingungen nachweisen. Es fehlen allerdings Studien, die diesen Prozess auch außerhalb des Labors belegten. Und so lang das so ist, können die Triclosan-Produzenten und -Verarbeiter die Resistenzbildung unter Verweis auf mangelnde wissenschaftliche Beweise bestreiten. Hauptproduzent von Triclosan ist der in Basel ansässige Chemiekonzern Ciba. Michael Bernheim, der Leiter der Produktsicherheit des Unternehmens, weist den BfR-Bericht zurück:

    "Triclosan ist seit mehr als 35 Jahren auf dem Markt, und in dieser Zeit wurden keinerlei Resistenzbildungen beobachtet. Das wird auch bestätigt durch wissenschaftliche Untersuchungen, die immer wieder parallel durchgeführt worden sind. Und dies zeigt, dass Triclosan selbst Bakterien nicht resistent macht."

    Triclosan ist daher weiterhin ein ganz legaler und immer mehr gebrauchter Stoff. Ciba bestätigt, ohne genaue Zahlen nennen zu wollen, dass die Produktion in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Davon beunruhigt sind auch Umweltschützer. Greenpeace beklagt, die Chemikalie, die über Abwässer in die Umwelt gelange, schädige Wasserorganismen, reichere sich in Fischen an, erhöhe sogar die Dioxin-Belastung. Außerdem sei Triclosan schädlich für die Haut- und Mundflora und beim Verschlucken auch für die Darmbakterien. Es fehlt noch an aussagekräftigen Studien hierzu.

    Sicher, so das Bundesinstitut für Risikobewertung, ist auf jeden Fall eines: Biozide sind im Alltag nicht nötig. Normale Hygiene, regelmäßiges Waschen und Putzen sind bei gesunden Menschen vollkommen ausreichend. Sie sollten von antibakteriellen Mitteln lieber die Finger lassen.