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Bedenkliche Praxis

Klonforschung. – Ein Superstar ist tief gefallen. Der koreanische Klonforscher Hwang Woo-Suk musste in der vergangenen Woche zugeben, dass er die Öffentlichkeit über die Herkunft der Eizellen belogen hatte, die er für seine Forschungen brauchte. Danach legte der Wissenschaftler alle Ämter nieder und zog sich an einen unbekannten Ort zurück.

Von Grit Kienzlen | 28.11.2005
    Wo ist Hwang? fragt die Korea Times in ihrer heutigen Ausgabe. Und begründet ihre Neugier auch: Die Öffentlichkeit möchte versichert sein, dass es ihm gut geht. Informierten Quellen zufolge habe sich Hwang in einen buddhistischen Tempel oder in seine Heimatstadt zurückgezogen. Das Eingeständnis der Lüge über die Herkunft der Eizellen für seine Forschung bedeutete einen enormen Gesichtsverlust für den Forscherstar. Noch im Mai dieses Jahres hatte er bei einer Telefon-Pressekonferenz betont:

    "”Unser Labor arbeitet vollkommen getrennt von der Fortpflanzungsklinik, wo die Eizellen gewonnen werden. Ich kenne daher keine Details über die Spenderinnen. Unser Labor kümmert sich nur um das Klonverfahren, den Kerntransfer, und die Gewinnung von Stammzellen. Ich habe deshalb keine Ahnung wer die Spenderinnen sind.""

    Hwang wusste zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit, dass zwei seiner Mitarbeiterinnen Eizellen gespendet hatten. Möglicherweise auch, dass 20 weitere Frauen dafür mit umgerechnet je 1400 Euro entlohnt worden waren. Seine Arbeit litt vor allem am Anfang, 2002/2003 am Mangel frischer menschlicher Eizellen. Denn die Eizellspende ist eine unangenehme und gefährliche Prozedur. Damit gleichzeitig mehrere Eizellen heranreifen, bekommen die Frauen dabei eine hormonelle Stimulation. Diese kann Schmerzen verursachen, Nierenversagen, immer wieder kommt es zu späterer Unfruchtbarkeit und vereinzelt sogar zu Todesfällen. Die Zahlen für solche Nebenwirkungen schwanken zwischen 0,3 und zehn Prozent. Zur Eizellentnahme selbst wird eine Punktionsnadel durch die Scheide eingeführt und in die Eierstöcke gestochen. Insgesamt also ein Verfahren, das niemand gerne auf sich nimmt.

    Hwangs Mitarbeiterinnen sollen damals ohne sein Wissen gespendet haben, auch um ihre eigene Arbeit voranzutreiben. Er habe erst später davon erfahren und dann gelogen, um die Frauen zu schützen, heißt es in Korea. Allerdings war der ganze Verdacht 2004 erstmals aufgekommen, weil eine seiner Mitarbeiterinnen dem Fachblatt "Nature" selbst freimütig von ihrer Eizellspende erzählt und dies später dementiert hatte.

    Gerald Schatten, Hwangs amerikanischer Kooperationspartner, der vor rund zwei Wochen wegen der Lüge mit ihm gebrochen hatte, akzeptierte bis dahin bereitwillig das Altruismus-Motiv der Spenderinnen:

    "”Ich spende regelmäßig Blut. Davon habe ich keinen Nutzen, aber wissen Sie: Es gibt mir ein sehr gutes Gefühl. Und ich verstehe die Motivation der Spender der Hautzellen für diese Experimente aber auch der Eizellspenderinnen so, dass sie aus Herzensgüte gehandelt haben. Es waren altruistische Spenden.""

    Solchen Altruismus finde man in Asien eben leichter als im Westen, hatten europäische und amerikanische Forscher immer wieder vom Forschungseldorado Asien geschwärmt. So auch vor wenigen Wochen noch Katrina Kelner, Redakteurin beim Fachmagazin "Science", in dem Hwangs Arbeit veröffentlicht wurde:

    "”Risiko spielt bei uns eine große kulturelle Rolle. Das ist in Asien ganz anders - auch wenn ich hier etwas verallgemeinere: Der Gemeinschaft zu helfen oder der Biomedizinischen Forschung, wird dort als großes Gut erachtet, Risiken werden weniger wichtig genommen. Wir bei ‚Science’ sehen unsere Rolle nicht darin, unsere ethischen Vorstellungen anderen Kulturen überzustülpen, solange dort nicht gegen den allgemeinen Konsens verstoßen wird.""

    Was hier nun allerdings doch der Fall war, weil die Eizellspenden eben auch in Asien selten aus reiner Aufopferung für das hohe Gut der Forschung stattfanden. Warum auch sollten sich Frauen durch eine Eizellspende selbst schaden? Der in Boston niedergelassene deutsche Stammzellenforscher Rudolph Jänisch, eigentlich ein großer Verfechter von Klonexperimenten, sieht darin ein ernsthaftes Problem:

    "Genau , das ist die Frage - also wenn man einen Verwandten hat, dann würde man das tun - aus persönlichen Gründen, Leute geben ihre Niere, warum nicht auch Eier - oder aus Interesse oder aus Gründen, das man sagt, man will helfen."

    Gibt es basierend auf den Klonexperimenten tatsächlich einmal Therapien gegen Parkinson oder Diabetes, dann wird der Hunger nach Eizellen junger Frauen enorm steigen. Nierenlebendspenden unter Verwandten sind erlaubt. Doch welchem Druck werden die Mädchen in einer Familie ausgesetzt sein, wenn Opa an Parkinson leidet und die Tante sich keine Insulinspritzen mehr setzen will? Und Vater vielleicht auch noch ein Problem mit der Leber hat.

    Die Gefahr ist groß, dass die Schwächsten in der Gesellschaft spenden werden, die ärmsten auf dem Globus ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, indem sie ihre Eizellen verkaufen. Um einen solchen Markt zu verhindern, ist die finanzielle Entlohnung von Frauen für die Spende in Korea Anfang dieses Jahres verboten worden. Hwang Woo-Suk würde sich heute also strafbar machen mit seinen Experimenten. Auch in England und den USA gilt: Forschungsinstitute dürfen ihre Eizellspenderinnen nicht finanziell entlohnen. Doch der Forschung sollen ja kommerzielle Anwendungen folgen. Jänisch:

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der kommerzielle Sektor daran hält, also wird das anders gehen, dann wird Geld bezahlt oder Druck gemacht oder was auch immer. Ich glaube das ist die Konsequenz von einer Technologie, die so ein Interesse hat."