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Beginn der Aufräumarbeiten?

Über 23 Jahre dauerte es, bis in Brandenburg öffentlich über die DDR-Aufarbeitung im Sport diskutiert wurde. Nun zeigt sich, dass man kritische Töne zu DDR-Altlasten im Brandenburger Sport nicht gewohnt ist.

Von Robert Kempe | 23.02.2013
    Brandenburg präsentiert sich gern als Sportland. Gern sonnen sich Landespolitiker oder Funktionäre im Medaillenglanz der Athleten. Eine Auseinandersetzung mit dem System Sport blieb dabei lange Zeit auf der Stecke.

    Der Eindruck, dass man kritische Töne zu DDR-Altlasten im Brandenburger Sport nicht gewohnt ist, bestätigte sich einmal mehr bei der Sitzung der Enquete-Kommission. Denn von den Fraktionen, vor allem von den Regierungsparteien SPD und Linke, kamen kaum substantielle Redebeiträge. Obwohl vor allem die Ausführungen der ehemaligen DDR-Leistungssportlerin Ines Geipel genug Anlass für Nachfragen gaben.

    Geipel kritisierte die fehlende DDR-Aufarbeitung im Brandenburger Sport. Kein Bundesland würde bei diesem Thema so schlecht dastehen wie Brandenburg, so die heutige Professorin der Ernst-Busch-Schauspielschule. Die Politik hätte die Sorgfaltspflicht gegenüber dem Sport vernachlässigt - bei der Evaluierung der Landessportverbände und auch bei den Opfern des SED-Staats. Als Beispiel ging Geipel ausführlich auf das tragische Schicksal der Cottbusser Leichtathletin Birgit Uibel ein. 2010 verstarb sie im Alter von 48 Jahren. Die 400m-Läuferin erhielt als 16jähriges Mädchen vom Cottbusser Chefarzt Bodo Krocker erstmals männliche Sexualhormone.

    Nachdem sie sich nach der Wende bei den Berliner Dopingprozessen um Aufklärung bemühte, wurde sie – wie Geipel ausführte – vom "inner-circle" des Cottbusser Sports diskreditiert und verleumdet. Der Arzt Krocker, der in Stasi-Unterlagen als "IM-Wartburg" auftaucht, erhielt für seine massive Beteiligung am DDR-Dopingsystem im Jahr 2000 einen Strafbefehl. In Cottbus ist er bis heute ein angesehener Arzt. Zu Stasi-Vorwürfen will er sich nicht äußern.

    Wolfgang Neubert kommt auch aus Cottbus, seit 2011 ist er Präsident des Landessportbundes. Der heutige Sport in Brandenburg würde sich grundlegend von damals unterscheiden, erklärte er in der Sitzung. Mit der Vergangenheit habe man sich beim Landessportbund immer wieder auseinandergesetzt, so Neubert.

    "Wir haben in allen Arbeitsverträgen, die wir mit hauptamtlichen Mitarbeitern, Trainern, die über den LSB finanziert werden, einen Passus drin, der die Stasimitarbeit betrifft. Wenn es also bekannt wird, dass es hier Mitarbeit mit den ehemaligen Stellen der Staatssicherheit gegeben hat. Dann führt das auch zu einer sofortigen, fristlosen Kündigung."

    Eine vollständige Stasi-Überprüfung von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern sei Anfang der 90er Jahre letztmalig geschehen, hieß es vom Landessportbund.

    Ein Mentalitätswandel sei im Brandenburger Sport ausgeblieben, erklärte Geipel. Ein seltsam verzahntes Stasi-Organigramm sei im Brandenburger Sport immer noch aktiv. Als ein Beispiel nannte sie Günther Staffa. Staffa taucht in den Stasi-Akten des ehemaligen DDR-Kanuten Thomas Kersten als "IM-Schade" auf. 1974 flog Kersten wegen vermeintlichen West-Kontakts aus dem Armeesportklub Potsdam.

    Der Name Staffa ist brisant. Heute ist er als Geschäftsführer Sport im Landessportbund beschäftigt. Eine möglichen IM-Tätigkeit Staffas ist LSB-Präsident Neubert nicht bekannt. LSB-Hauptgeschäftsführer Andreas Gerlach wird auf Deutschlandfunk-Anfrage, ob ihm eine Stasivergangenheit Staffas bekannt sei, deutlicher.

    "Also dass so ‘ne Sachen vorkommen, ist ‘ne völlig normale Geschichte. Da muss geprüft werden oder wurde auch geprüft, inwiefern diese Tätigkeit zustande kam, was es für ‘ne Tätigkeit war, und ob es vereinbar ist, mit einer Tätigkeit im Sport dann aufzunehmen."

    "Und das war, Ihrer Meinung nach, ist das in Ordnung?"

    "Ja."

    Zur Personalie Staffa gab es von Seiten der Politik in der Sitzung keine Äußerungen. Das ist kurios. Der Grünenpolitiker Axel Vogel sagt, jahrelang sei beim Thema Stasivergangenheit Schweigen das Gebot der Stunde in Brandenburg gewesen.

    "Das hat in Brandenburg durchaus eine negative Tradition. Insofern ist der Sportbund vermutlich gar nicht mal so besonders auffällig. Was man verlangen muss, ist offener Umgang damit, ist, dass der Geschäftsführer des Landessportbundes die Fakten auf den Tisch legt. Dass es eine Auseinandersetzung – auch eine öffentliche Auseinandersetzung innerhalb der Sportlergemeinschaft mit solchen Vergangenheiten gibt."

    Die für Sport zuständige Ministerin Martina Münch, SPD, teilte nach der Sitzung am Freitag mit, dass sie davon ausgehe, dass die Spitzenfunktionäre im LSB Brandenburg überprüft wurden. Dass der Brandenburger Sport ein Problem mit DDR-Altlasten habe, glaubt sie bisher nicht.

    "Ich denke, dass gerade in den Strukturen, die wir jetzt haben, die geprägt sind davon, dass wir eine sehr vielfältige Vereinskultur haben. Ich denke, dass wir da sehr gut aufgestellt sind. Wenn es heute neue Erkenntnisse gegeben haben sollte oder die Notwendigkeit, welche zu führen, werden wir das natürlich tun. Aber ich denke wir sollten jetzt erst einmal die Ergebnisse abwarten."

    Gut 23 Jahre dauerte es, bis in Brandenburg öffentlich über die DDR-Aufarbeitung im Sport diskutiert wurde. Erst 2010 ernannte man eine Stasi-Beauftragte im Land. Ulrike Poppe hielt sich auf der Sitzung merklich zurück. Mit dem Sport aber – so erhärtet sich der Eindruck - könnte sie noch viel zu tun haben.