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Begründer der sowjetischen Kinderliteratur

Er war ein anerkannter Übersetzer englischer Lyrik, bevor er ab 1923 begann, Theaterstücke und Verse für Kinder zu schreiben. Gefördert von Maxim Gorkij, erwarb sich Samuil Marschak besondere Verdienste als Leiter der Kinderbuchabteilung im Staatsverlag. Am 3. November 1887 wurde er als Kind jüdischer Eltern in Woronesch geboren.

Von Klaus Kuntze | 03.11.2012
    Ausschnitt aus "Zwölf Monate":
    "Königin: "Ich brauche nicht zu bitten, ich bin die Königin. Nimm uns in deinem Schlitten mit!"
    Soldat: "Wissen sie was, Eure Majestät, sprechen Sie nicht wie eine Königin mit ihr, sondern wie ein Mensch."
    Königin: "Ich glaube, ich habe Sie verstanden."
    "Liebes Mädchen, nimm uns bitte mit, uns ist so schrecklich kalt."
    Mädchen: "Aber natürlich. Steigt ein!""Die zwölf Monate", Samuil Marschaks bekanntestes Theaterstück, hier der Schluss in einer DEFA-Synchronisierung. Eine Königin in Kindesalter lernt zum ersten Mal, ihren Dünkel zurückzunehmen.

    Königin: ""Ich glaube, ich habe Sie verstanden."

    Marschak lässt diese kindliche Königin nach Lust und Laune regieren – zum größten Vergnügen der Zuschauer.

    "Dieser Humor überlagert aber auch pädagogische Anliegen, die nicht zu übersehen sind, so für kleine Kinder: sie lernen die Norm kennen."

    Gertraud Marinelli von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kennt sich in der sowjetischen Kinderliteratur aus.

    "Es ist tatsächlich so, dass Marschak einen Ton für Kinderliteratur entwickelt hat. Auf einem sehr hohen sprachlichen Niveau."

    Lew Tolstoj winkte nur ab, als er auf den noch sehr jungen Marschak aufmerksam gemacht wurde: "Ach, diese Wunderkinder!" Maxim Gorkij hingegen, der Marschak später als "Begründer der sowjetischen Kinderliteratur" bezeichnen sollte, förderte den jungen Autor.

    "Gorki hat für Marschak eine wichtige Rolle gespielt, auch in den 1930er-Jahren, wo Marschak angegriffen wurde, weil seine Kinderliteratur so lustig war, er müsste sich ernster mit diesen Themen befassen, und da hat ihn Gorkij verteidigt."

    Das war schon zu sowjetischer Zeit.

    Als Kind jüdischer Eltern wurde Samuil Marschak 1887 in Woronesch geboren. Er war schon über dreißig, als das Zarenreich der Revolution weichen musste.

    Was markierte sein Leben bis dahin? Witebsk, der weißrussische Heimatort des wenige Monate älteren Marc Chagall, der erst sechsjährige Marschak lernte dort Jiddisch und Iwrit, das moderne Hebräisch und machte die Bekanntschaft von Zeitgenossen wie Alexander Block und Maxim Gorkij.
    Schließlich drei Jahre England: Sprache, Literatur, westliche Kultur. Er wurde ein anerkannter Übersetzer englischer Lyrik, vor allem der Sonette Shakespeares, die auf diesem Weg sogar bis in die russische Popmusik gelangten.

    "Eine tiefere und beständigere Verbindung zu Kindern entstand bei mir erst nach der Revolution, die eine breite Möglichkeit zur Initiative in erzieherischen Dingen öffnete."

    Erst 1923 begann Marschak Theaterstücke und Verse besonders für kleine Kinder zu schreiben. Sachlich, unsentimental, knapp, humorvoll.

    Ein altes Paar streitet: Wer soll die Tür schließen? Der, der das nun auferlegte Schweigen brechen werde. Sie schweigen noch als Diebe kommen, aber als diese von den Piroggen essen und sie zu trocken finden, protestiert die gekränkte Alte:
    ""Nein, meine Piroggen sind nicht trocken."
    "Der Mann aus seiner Ecke: Alte, schließ die Tür!"

    Gertraud Marinelli: "Man ging natürlich weg von den vorrevolutionären Büchern, die den Adel oder das Großbürgertum bedienten, sondern es hatte diese Literatur wirklich im Rahmen der neuen Gesellschaft eine Aufgabe."

    Besonderes Verdienst erwarb sich Marschak, als er im Staatsverlag Leiter der Kinderbuchabteilung wurde. Er förderte u.a. die heute auch außerhalb Russlands bekannten Schriftsteller Daniil Charms und Jewgenij Schwarz.

    Er engagierte sich als antifaschistischer Dichter, als die Wehrmacht die Sowjetunion überfiel und textete nach dem Krieg eine Friedenskantate zur Musik Prokofjevs.
    Marschak starb 1964 in Moskau, anerkannt, geehrt.

    "Das ist ein von allen russischen und russischsprachigen Kindern geliebter Schriftsteller."

    Ida Trojcanskaja, die Leiterin einer großen russischen Bibliothek.

    "Sämtliche Bibliotheken in Russland, jede Bibliothek hat viele Bücher von Marschak, eben, weil er sehr gefragt ist. Und das ist für uns absolut nicht verwunderlich: das ist ein Klassiker. Marschak, das ist für uns das Land der Kindheit."