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Beherzt auf die Oppositionsrolle einstellen

Die CDU erfindet sich nach der Wahlniederlage in Baden-Württemberg neu. Die Basis fordert mehr Mitspracherechte und die Partei stellt sich neu auf, denn nicht alle halten den grün-roten Wahlerfolg für einen Betriebsunfall.

Von Michael Brandt | 22.03.2012
    Vor einigen Tagen im Landtag von Baden-Württemberg. Oppositionsführer und CDU-Fraktionschef Peter Hauk hält eine gut 20-minütige Haushaltsrede, in der er mit Grün und Rot und vor allem mit der versprochenen Politik des Gehörtwerdens abrechnet und endet so:

    "Sie hören, aber sie hören nur pro forma. Und in vielen Bereichen gilt Ihr Spruch, den ich auch von vielen Kollegen aus der Fraktion der Grünen gehört habe: Jetzt sind wir dran. Aber das reicht halt nicht für eine nachhaltige Politik. Und auf diese, äh diese nachhaltige Politik fordern wir Sie ein. Mit diesem Haushalt sind Sie jedenfalls die Antwort hierfür schuldig geblieben."

    Mit diesem Stolperer verpufft die Wirkung seiner ansonsten durchaus treffenden Rede.

    Das Beispiel zeigt: Die Oppositionsbänke auch im Landtag von Baden-Württemberg sind hart. Zumal wenn man noch nie darauf gesessen hat, wie die 60 Abgeordneten der CDU-Fraktion. Politiker, die noch vor einem Jahr eine Ministerialbürokratie, ein persönliches Büro samt Dienstwagen samt Chauffeur hinter sich wussten, müssen jetzt mit einem Abgeordnetenbüro, einem halben Fraktionsmitarbeiter und einem privaten VW-Golf auskommen.

    Fraktionschef Hauk sagt dazu:

    "Klar ist, dass bei jedem eine Umstellungsphase vorhanden war, aber es bringen sich die Kollegen beherzt ein und haben sich auf die neue Situation eingestellt. Und die Resultate der CDU als Opposition lassen sich auch sehen."

    Nach der Wahlniederlage am 27. März des vergangenen Jahres war die ehemalige Regierungspartei CDU jedoch erst einmal in Schockstarre verfallen. Noch-Ministerpräsident Stefan Mappus kündigte seinen Rücktritt als CDU-Chef auf einem Parteitag im Sommer an, während in der neu gewählten Landtagsfraktion schon um die verbliebenen Posten gekämpft wurde. Ex-Umweltministerin Tanja Gönner, eine enge Vertraute von Mappus, wollte Peter Hauk von der Fraktionsspitze verdrängen, aber sie unterlag in einer Kampfabstimmung. Und auf einer Mitgliederversammlung entlud sich der Zorn der Basis auf die gesamte Spitzenmannschaft.

    "Es muss eine Diskussion über die Basis stattfinden. Die Basis muss sagen, welche Strategie gefahren wird, welche neuen Ziele angepackt werden müssen. Wir müssen uns öffnen, auch den Wählern, die uns nicht gewählt haben, dass sie neue Felder kriegen, wo sie sich wieder finden."

    Während es in der Fraktion zunächst eine klare Entscheidung gab, war lange unklar, wer neuer Parteichef wird. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Strobl, bisher Generalsekretär der Landespartei, hob die Hand und nachdem Tanja Gönner auf eine Kandidatur verzichtete, es sah einige Wochen so aus, als ob er der einzige Kandidat bliebe. Dann aber meldete sich der Ellwanger Landtagsabgeordnete Winfried Mack zu Wort:

    "Mit meiner Kandidatur will ich Partei der Basis und Ihnen eine Alternative bieten und die Partei zusammenführen. Wirkliche Erneuerung ist nur zu schaffen, wenn wir diese Wahlmöglichkeit haben."

    Mack stellte sich als personelle Alternative dar, auch zu Thomas Strobl, der ja als Generalsekretär Teil der alten Parteiführung war.

    Auf dem Wahlparteitag am 23. Juli erreichte er damit zwar ein respektables Ergebnis von 36 Prozent, neuer Parteichef aber wurde der weltgewandtere Strobl:

    "Die Diskussionen und Debatte in der Partei ist in der Vergangenheit zu kurz gekommen. Das wollen wir ändern. Ja, es ist wahr, wir sind gerade dabei, die CDU auch ein bisschen neu zu erfinden. Ich möchte eine lebendige, eine diskutierende, eine sehr politische CDU in Baden-Württemberg haben."

    Strobl hat die Partei in den vergangenen Monaten tatsächlich geöffnet. Auf einer ganzen Reihe von Veranstaltungen, auf denen nicht nur Delegierte, sondern alle Mitglieder stimmberechtigt waren, wurden und werden wichtige Themen neu diskutiert. Zum Beispiel Bildung, Europa oder Frauenpolitik. Ohne diese neue Linie wäre es auch nicht denkbar gewesen, dass die CDU in Stuttgart den parteilosen Sebastian Turner als OB-Kandidat aufstellt. Beobachter geben ihm eine reele Chance gegen den starken Kandidaten der Grünen, Fritz Kuhn. Denn klar ist: Die Christsozialen haben die Macht in Baden-Württemberg nicht nur wegen Stefan Mappus und Fukushima verloren, sondern weil sie ein strukturelles Problem haben.

    "Das ist gar nicht zu bestreiten. Wir sind in den großen Städten von den Wahlergebnissen nicht so gut, wie wir gerne wären. Und wir haben auch nicht die Repräsentanz von Frauen in parlamentarischen Gremien, in Führungsebenen, jedenfalls in der Breite nicht."

    Die Partei also verändert sich. Die Landtagsfraktion tut sich damit etwas schwerer. Winfried Mack aus Ellwangen formuliert das, was noch immer viele in der CDU in Baden-Württemberg denken: Grün-Rot war ein Betriebsunfall:

    "Wir haben nur eine Aufgabe. Die Aufgabe heißt, das nächste Mal diese grün-rote Regierung wieder aus dem Amt zu treiben und die Wahlen zu gewinnen."

    Angesichts der noch immer großen Popularität von Winfried Kretschmann und angesichts der Tatsache, dass derzeit bei den Christsozialen niemand zu erkennen ist, der ihm 2016 als Spitzenkandidat Paroli bieten könnte, wird das aber kein Spaziergang.