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Bei der Modegräfin

Josefine Edle von Krepl hat sich vor drei Jahren im äußersten Norden der Prignitz einen Traum erfüllen können - ein eigenes Museum. Schon als Mädchen war sie von Kleidern, Hüten, Schuhen und Accessoires jeder Art fasziniert. Im Laufe der Jahrzehnte war die private Sammlung auf über 3500 Stück angewachsen - vom Kleid bis zur Hutnadel. Sie ist heute eine der weltweit größten überhaupt. Nach langer Suche hat die Mittsechzigerin im backsteinroten Schloss Meyenburg in der kleinen Stadt Meyenburg an der Stepenitz einen repräsentativen Rahmen für ihre kostbare Mode-Sammlung aus der Zeit von 1900 bis 1980 gefunden. Musik aus der jeweiligen Epoche begleitet die Ausstellung.

Von Katrin Kühne | 27.12.2009
    Man betritt Schloss Meyenburg durch eine repräsentative Säulenvorhalle im Stil der Neo-Renaissance. Gleich rechts weist eine Mädchen-Kleiderpuppe aus den 50er-Jahren den Weg in das Café. Umgeben von alten Kleidern, Hüten und Schals laden Sammeltassen-Services zu Kaffee und Kuchen. Der Raum dient zugleich als Shop und Museumseingang. Kaum hat man begonnen, in den alten Sachen zu stöbern, erscheint schon die "Chefin" des einzigen deutschen Modemuseums.

    Josefine Edle von Krepl, aus österreichischem Adelshaus, geboren im brandenburgischen Fürstenwalde, aufgewachsen in Berlin.

    "Die Sammlung hat insofern einen Zusammenhang mit der Familie, weil das erste Kleid, das ich so wunderbar fand, aus den 30er-Jahren, nämlich von meiner Großmutter war. Die hatte es aus Wien mitgebracht und sie wollte es wegwerfen und ich habe gesagt, oh Gott das schöne Kleid. Es ist schwarz, Kunstseide, in sich gemustert und hat vorne eine lange Knopfreihe und ich fand es geradezu toll mit 14 Jahren und habe es denn auch getragen zum Entsetzen aller." "

    Und das war der Beginn einer lebenslangen Leidenschaft! Exakt 351 Kleider, 353 Hüte, 67 Paar Ohrringe, 17 Hutnadeln, aber auch 198 Schuhe listet die Direktorin in ihrer Museums-Broschüre auf. Nur rund ein Zehntel der riesigen Sammlung ist auf 1000 Quadratmeter in zwei Stockwerken des Schlosses ausgestellt.

    Die resolute, rot gelockte von Krepl steigt mit uns zunächst hinab in die Kellerräume. Dort präsentieren sich in Vitrinen, zu gelben, roten und puderigen Farbinseln zusammengefasst, die Modekunstwerke der Zeit um 1900. Von spitzenbesetzten Hochzeits- und Ballkleidern schwärmt die Mittsechzigerin als von ihren "Darlings".

    Bei aller Schwärmerei aber erinnert die gelernte Scheiderin, Kostüm-und Modezeichnerin:

    " Das war ja eigentlich eine schöne, aber sehr qualvolle Mode, mit der ganzen Korsage, mit den Sommertagen diesen vielen Schichten von Textilien, Stiefeln und so weiter optisch war es wunderbar, aber zum Tragen war es wirklich qualvoll."

    Eines ihrer "Oberdarlings" ist für Josefine von Krepl ein Kleid aus dem Berliner KaDeWe.

    "Das habe ich in der Schweiz geschenkt bekommen. Es ist ein Sommerkleid aus Seide. Das Ehepaar Prätorius, frisch vermählt aus Kulmbach, die sind auf Hochzeitsreise gegangen 1907 nach Berlin. Und da war ja mächtig was los, Pferdebahnen und Varietés und Theater usw. Jedenfalls war ein großer Anlass damals auch, dass das KaDeWe eröffnet wurde in Berlin und da sind die justament rein und haben in dieser Eröffnungsphase dieses Kleid gekauft."

    Datieren lässt sich das, schon etwas lockerer gearbeitete, Modell anhand des Original-Labels aus der Eröffnungszeit des Kaufhauses.

    Die Datierung ist oft gar nicht einfach bei Modestücken, da sie ja keine Jahreszahlen tragen. Nur ihre jahrzehntelange Beschäftigung mit Textilien hilft der Museumsdirektorin. Die Adlige hat zu DDR-Zeiten für Ost-Berliner Theater gearbeitet und war 13 Jahre lang Mode-Redakteurin bei der DDR-Zeitschrift "Für Dich". 1980 eröffnet die eigenwillige Designerin die erste private Modeboutique in Ost-Berlin mit ihren eigenen Kreationen. Zwei Kinder und zwei Ehemänner weiter findet sie sich in West-Berlin wieder, wo sie einen bekannten Antikmode-Laden übernimmt. In den 90ern geht es zurück in den Ostteil der Stadt, an den in der Szene so beliebten Kollwitzplatz. Und ihre Mode-Sammlung wächst und wächst. Die Freunde belächeln sie wegen ihrer fixen Idee, einmal ein eigenes Modemuseum haben zu wollen. Sie aber hält fest an ihrem Traum.

    Heute ist sie sehr stolz auf ihr vor drei Jahren eröffnetes Museum in den eleganten Räumen des wohlrestaurierten Schlosses Meyenburg in dem kleinen Städtchen gleichen Namens in der Nord-Prignitz.

    Immer wieder fallen ihr neue Geschichten ein zu den Kleidern, Hüten und Mänteln, die sie aus Schutt-Containern fischte, manchmal kaufte oder geschenkt bekam.

    So die Geschichte von einer kleinen alten Dame in Hannover. Sie hatte der Modeschöpferin das eigene Verlobungskleid, sorgfältig eingerollt in ein Rolltuch, überlassen. Mit neuem weißen Unterkleid hätte es ihre einfache Hochzeitsrobe werden sollen. Doch der Verlobte fiel in den ersten Kriegstagen 1914.

    "Ich sammle nicht nur, weil ich so einen Flitz habe für alte Klamotten, sondern weil ich die Geschichten der Kleider sammle und weil ich mit der Qualität und dem Handwerk der schönen Stoffe versuche, jungen Leuten die Augen zu öffnen für das alte Handwerk und die Qualität, was man früher alles gemacht hat, das ist natürlich schwer in der heutigen Wegwerfgesellschaft."

    In der Ausstellung finden sich auch Haute-Couture-Stücke von Heinz Oestergaard und Karl Lagerfeld. Doch besonders am Herzen liegen der passionierten Sammlerin die teils ärmlichen Kostümchen der Weltkriegszeit.

    "Weil sie zeigen, dass die Frauen Fantasie hatten, nicht aufgaben, trotz dieser Notzeit und Krieg und Hunger, also das finde ich grandios."

    Der Einfallsreichtum, wie mit Stoffresten bezogene Gürtelschnallen aus Pappe, imponieren der im Osten Aufgewachsenen, selber gewohnt aus "Knete Bonbon zu machen", wie sie scherzhaft meint.

    Was aber ist eine Frau letztlich ohne Pumps? Aus dem Nachlass eines Schusters hat sie ihre absoluten Lieblinge, ein farbiges Modellpaar aus den 40er-Jahren:

    "Ich fand die so toll, da bin ich bestimmt drei, vier Wochen mit diesem Schuh vorne auf dem Armaturbrett in meinem Auto gefahren. Der stand einfach immer da, der Schuh und dann konnte ich ihn immer sehen, weil ich so mich gefreut habe!"