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"Bei ehemaligen Republikanern wird ein Vorgespräch geführt"

Auf einer Wahlveranstaltung in Bremen ist der Vorsitzende der Partei AfD (Alternative für Deutschland), Bernd Lucke auf der Bühne - offenbar von Autonomen - angegriffen worden. Kritiker wie die Grüne Jugend werfen der Partei immer wieder vor, Mitglieder "vom rechten Rand" zu rekrutieren. Der Parteichef wehrt sich gegen diese Vorwürfe.

Bernd Lucke im Gespräch mit Friedbert Meurer | 27.08.2013
    Friedbert Meurer: Die Alternative für Deutschland AfD tritt erstmals bei der Bundestagswahl an. Interessant ist der Aspekt, dass sie möglicherweise das Zünglein an der Waage bilden könnte, denn selbst, wenn sie nicht die Fünf-Prozent-Hürde schafft, was die Umfragen im Moment so vorhersehen – drei Prozent heißt es im Moment –, dann könnten auch diese drei Prozent die entscheidende Zahl sein, die Schwarz-Gelb zum Weiterregieren fehlen. Jetzt die Attacken – die AfD sagt, sie sieht sich körperlicher Gewalt ausgesetzt. Bernd Lucke zum Beispiel ist in Bremen auf der Bühne angegriffen worden, der Bundesvorsitzende. Guten Morgen, Herr Lucke!

    Bernd Lucke: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Ihr Verband hat Anzeige erstattet gegen die Grüne Jugend, weil die sich solidarisch erklärt hat mit einem Kampagnenaufruf. Eben sagte der Bundesgeschäftsführer der Grünen Jugend: Keine Gewalt! [Das] lehnen wir komplett ab. Sind Sie damit einverstanden?

    Lucke: Nein, das ist überhaupt nicht das, was in dieser Kampagne gesagt worden ist. Da ist ausdrücklich aufgerufen worden zur Zerstörung unserer Wahlkampfmaterialien, das ist also eindeutig Gewalt gegen Sachen, wozu dort aufgerufen worden ist. Und das verurteilen wir natürlich auf das Schärfste, weil wir hier eine Demokratie sind, wo Meinungsfreiheit herrscht und wo es überhaupt nicht hinzunehmen ist, dass man versucht, die Werbung einer bestimmten Partei gewaltsam zu verhindern.

    Meurer: Die Grüne Jugend sagt, wir attackieren ja nur die Politik der AfD. Da gibt es Leute am rechten Rand, das attackieren wir, aber jegliche Form von Übergriffen lehnen wir ab.

    Lucke: Ja also, das ist nicht das, was der Aufruf gesagt hat, da wurde eben eindeutig aufgerufen zur Zerstörung unserer Materialien, und die Behauptung, dass es bei uns Menschen am rechten Rand gäbe, ist einfach falsch. Wir wehren uns da ganz vehement gegen, dass wir dort ständig in Verruf gebracht werden. Wir haben ganz eindeutige Abgrenzungsbeschlüsse. Wir sind eine Partei der demokratischen Mitte und lehnen jede Form von Extremismus ab, Rechtsextremismus ganz besonders, aber selbstverständlich auch den Linksextremismus, so wie er von den autonomen Gruppen ausgeht oder von Teilen der Grünen Jugend. Wir haben uns ganz klar von Ausländerfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, von all diesen Dingen distanziert. Und insofern ist das also wirklich nur eine Diskreditierungskampagne, die da gegen uns läuft.

    Meurer: Herr Lucke, wie halten Sie sich versprengte Rechtsradikale vom Leib?

    Lucke: Na ja, wissen Sie, wir gucken zunächst einmal auf das politische Vorleben der Leute. Wir fragen sie, ob sie, sagen wir mal, der NPD angehört haben oder der DVU. Das heißt, wir fragen allgemein nach Parteivormitgliedschaften und wir fragen auch nach Mitgliedschaften in irgendwelchen verfassungsfeindlichen Organisationen beziehungsweise es steht eindeutig in unserer Satzung drin: Wer zuvor einer Organisation angehört hat, die vom Verfassungsschutz beobachtet worden ist, der kann keine Mitgliedschaft bei uns erwerben.

    Meurer: Also ehemalige Republikaner sind erlaubt?

    Lucke: Bei ehemaligen Republikanern wird ein Vorgespräch geführt. Das heißt, wenn da jemand angibt, der war, sagen wir mal, in den 80er-Jahren bei den Republikanern, dann reden wir mit dem und gucken, ob der irgendwelche ausländerfeindliche Gesinnungen hat. Das ist allerdings so, dass das dann natürlich auch immer ein bisschen davon abhängt, wann war der in dieser Partei. Also, wenn das 30 Jahre her ist, dann kann das ja sein, dass der seine Ansichten geändert hat. Ich möchte mal, wo Sie die Grünen erwähnt haben, daran erinnern, dass der Herr Trittin, der ja jetzt sehr salonfähig ist, früher auch dem Kommunistischen Bund angehört hat.

    Meurer: In Hamburg – Sie kommen ja auch aus Hamburg, Herr Lucke, sind da Volkswirtschaftsprofessor – sind zwei AfD-Bundestagskandidaten vor ein paar Monaten ausgetreten. Sie haben der Landesspitze vorgeworfen, rechtskonservative Mitglieder zum Beispiel der Partei "Die Freiheit" durchzuwinken. Was sagen Sie dazu?

    Lucke: Das ist überhaupt nicht wahr, dass da irgendjemand durchgewunken wird. Es gibt diese Mini-Partei "Die Freiheit", das ist richtig, und diese Partei, die hat sich vor einiger Zeit, ich weiß gar nicht genau, wann, gespalten, weil die Partei sich radikalisiert hat, die ist also offen islamfeindlich geworden, und da sind viele Mitglieder aus dieser Partei ausgetreten aus Protest gegen diese islamfeindlichen Gesinnungen. Und manche von denen sind dann zu uns gekommen. Und ich denke, das ist also doch sehr ehrenwert, wenn man eine Partei dann, wenn sie sich radikalisiert, verlässt und sagt, diese Inhalte tragen wir nicht mit. Und wenn das solche Menschen sind, dann können die auch bei uns Mitglied werden.

    Meurer: Nach dem Vorfall vom Samstag in Bremen, Herr Lucke, werden Sie künftig nur noch unter Polizeischutz reden im Wahlkampf?

    Lucke: Na ja, wir haben bei allen Veranstaltungen grundsätzlich die Veranstaltung bei der Polizei angezeigt. Und die Polizei stellt dann typischerweise irgendwie Personal ab, einen Streifenwagen oder zwei Polizisten zu Fuß oder so was Ähnliches. Das ist also schon vor dem Angriff auf mich der Fall gewesen, und das wird natürlich ab jetzt wahrscheinlich noch etwas verstärkt werden.

    Meurer: Warum konnte das dann passieren, dass zwei – sind es eigentlich zwei oder acht gewesen jetzt, die hier auf die Bühne gekommen sind, Autonome?

    Lucke: Also, ich hatte das Gefühl, dass es fünf waren, ich habe dann aber auf den Videoaufnahmen nur noch drei erkennen können. Das geht dann so schnell, wissen Sie, dass man es gar nicht so richtig wahrnehmen kann.

    Meurer: Wie konnten die auf die Bühne kommen, Herr Lucke, wenn doch die Polizei aufpasst?

    Lucke: […] von hinten, ja. Die Polizei stand am falschen Ende der Veranstaltung, nämlich da, wo der offizielle Eingang war, und haben das da beobachtet, wer da so reingekommen ist. Und diese Autonomen, die hatten sich halt irgendwie durch den Wald durchgeschlagen, und dann war da am Rande des Waldes so ein Gebüsch, und da kamen die eben plötzlich hochgesprungen auf die Bühne, und da ging das Ruckzuck, da haben die mich da runtergestoßen und haben mir den Lautsprecher auf den Kopf gestoßen und ähnliche Dinge, haben Pfefferspray versprüht. Es hat dann auch ein Handgemenge gegeben, wo ein gezücktes Messer dann einen Parteifreund verletzt hat. Also es war schon eine Situation, die wirklich bedrohlich gewesen ist und die auch ganz klar zeigt, dass da einfach Grenzen überschritten werden, die in einer demokratischen Gesellschaft nicht überschritten werden dürfen. Und die Polizei war dann sehr schnell da, aber zunächst mal waren die halt am falschen Ort.

    Meurer: Nur ganz kurz, klingt vielleicht zynisch, aber helfen Ihnen die Autonomen über die Fünf-Prozent-Hürde?

    Lucke: Nein, das glaube ich nicht. Also, ich meine, wir haben sicherlich jetzt eine gewisse Welle des Mitgefühls, die uns da entgegenschlägt, aber ich glaube eigentlich nicht, dass man uns deshalb wählt, weil wir jetzt von Autonomen überfallen werden.

    Meurer: Bernd Lucke, der Vorsitzende der Bundessprecher der Alternative für Deutschland. Danke schön, Wiederhören, Herr Lucke!

    Lucke: Gerne. Auf Wiederhören!


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