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Beipackzettel für E10

Der neue Benzintyp E10 bleibt: Ob das Machtwort von Umweltminister Norbert Röttgen auch an der Zapfsäulen Wirkung zeigt, muss abgewartet werden. Denn die Verunsicherung des Kunden ist ebenfalls geblieben.

Von Sönke Gäthke | 09.03.2011
    Die Debatte ist vorbei, die Schlacht geschlagen, E10 bleibt. Aber was heißt das überhaupt, E10?

    E10 besagt, dass im Liter Benzin bis zu 10 Prozent, also 100 Milliliter, Bioethanol enthalten sein dürfen. Es können aber auch alle Mischungsverhältnisse darunter sein, bis hin zu null Prozent. Egal wie viel Bioethanol beigemischt ist - die Qualität des Kraftstoffes hängt davon nicht ab. Sie hängt ab von verschiedenen anderen Additiven, die etwa die Verdampfung des Sprits bestimmen, und die Parameter sind festgelegt in der Norm DIN 51626 - 1. Der muss das Benzin unabhängig vom Mischungsverhältnis entsprechen.

    Die Qualität des Kraftstoffs bleibt also auch bei E10 gleich - und damit kann auch die Motorsteuerung so bleiben, wie sie ist. Und eigentlich auch fast alle anderen Teile - solange die 10 Prozent nicht überschritten werden.

    Bereits vor rund 30 Jahren galt es als sicher, dass dem Benzin ohne Probleme bis zu 20 Prozent Ethanol beigemischt werden können. Erst bei höheren Mischungsverhältnissen kann oder sollte der Motor angepasst werden, abhängig von der Konstruktion.

    Es gibt allerdings zwei Punkte, auf die Ingenieure auch bei niedrigen Beimischungen achten: Gummi und Leichtmetalle.

    Gummi wird zum Beispiel in Dichtungen oder Benzinschläuchen verwendet, Leichtmetall etwa in Benzinpumpen.

    Das Problem ist die Polarität der Moleküle. Benzin ist unpolar, die Kohlenwasserstoffketten haben keine ausgeprägte positiv oder negativ geladene Seite. Die Ingenieure verwendeten daher Elastomere mit polaren Molekülen; diese werden nicht so leicht angegriffen. Ethanol-Moleküle jedoch haben ausgeprägt geladene Seiten, sie greifen diese Elastomere an. Es kommt daher auf die richtige Gummi-Mischung an. Die Falsche könnte aufquellen - aus einer Dichtung liefe Benzin aus, ein Benzinschlauch würde zuquellen.

    Ärgerlich. Aber nicht fatal. Und kein Hersteller verbietet in Massen wegen falscher Gummidichtungen E10 für seine Autos. Anders sieht das bei den Benzinpumpen aus Leichtmetall aus, die mit dem Bioethanol in Kontakt kommen können.

    Das Problem sind der Druck und die Temperatur. Wird das Bioethanol heiß und gegen unbehandelte Aluminium-Wände zum Beispiel gepresst, korrodiert es das Metall. Genau das könnte bei den Benzin-Direkteinspritzermotoren geschehen, deren Pumpe von einem bestimmten Hersteller stammt: Diese Pumpe ist aus Aluminium, sie wurde vor der Bioethanol-Debatte entwickelt. Und sie ist von ihrem Hersteller nur für eine Beimischung von fünf Prozent Ethanol freigegeben worden.

    Der Hersteller der Pumpe geht auf Nummer sicher. Träte ein Schaden auf, könnte der den Besitzer teuer zu stehen kommen. Und daher sollen die Benzin-Direkteinspritzer der ersten Generation kein E10 tanken. Die Benzinpumpen der zweiten Generation bestehen aus Edelstahl - ihnen droht keine Gefahr. Und dann wäre da ja noch der Mehrverbrauch.

    Ethanol hat einen geringeren Heizwert als Benzin. Im Schnitt liegt er bei etwa zwei Drittel; bei einer maximalen Beimischung von 10 Prozent könnte ein Wagen rund 3,3 Prozent mehr verbrauchen. Das Problem ist jedoch: Auch der Heizwert und die Dichte von Benzin schwanken; auch das verändert den Verbrauch von Motoren, ungefähr im gleichen Maße.

    Ob der Wagen nun mehr oder weniger verbraucht, muss also gar nichts mit dem Bioethanol zu tun haben. Übrig bleibt die Frage, ob es sinnvoll ist, auf Biomasse als Benzinersatz zu setzen.

    Unter den Forschern ist nein eine verbreitete Antwort. Biomasse kann zwar gegenüber Benzin Kohlendioxid einsparen. Doch weit mehr ließe sich einsparen, wenn die Biomasse in Strom umgewandelt würde. Denn mit dem Strom könnte Strom aus Kohlekraftwerken ersetzt werden - und die erzeugen noch weit mehr CO2 als Benzinmotoren.