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Bekämpfung der Stechmücken
Sterile Männchen im Einsatz

Mücken sind die gefährlichsten Tiere auf der Erde. Sie verbreiten Krankheiten wie Malaria, Dengue oder Zika und bringen jedes Jahr Tod und Leid über Millionen von Menschen. In Heidelberg versuchen Forscher jetzt die asiatische Tigermücke mit sterilen Männchen zu bekämpfen.

Von Joachim Budde | 22.08.2016
    "Hallo. Die Babys sind denke ich mal alle noch am Leben, ich hoffe es zumindest."
    Norbert Beckers "Babys" sind Mücken. Besondere Exemplare, die ihm in den letzten Stunden viele Sorgen bereitet haben: Seit dem Morgen hat der wissenschaftliche Direktor der Kabs, der "Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage", die Tiere von Bologna in Norditalien nach Heidelberg auf den Ochsenkopf kutschiert.
    "Ich habe hier eine Kühlbox. Ich habe es geschafft, die genau auf 16,0 bis 16,5 Grad zu halten, sodass also die armen Schnaken noch alle am Leben sind. Ich habe sie angeschnallt, Moment."
    Siebentausend Männchen der Asiatischen Tigermücke stecken in der Styroporbox, die Norbert Becker von der Rückbank seiner silberfarbenen Limousine wuchtet.
    "Ok, jetzt gucken wir mal, wie es den Lieben geht. Björn? Guck mal rein!"
    "Oh ja!"
    Es ist schon dunkel. Becker und seine Mitarbeiter leuchten mit Taschenlampen in die Käfige; sieben hohe weiße Schachteln, jede so groß wie ein Laib Brot.
    "Ja, die sind noch gut munter, ne?"
    Die Mückenmännchen aus Italien sollen die Arbeit vollenden, die Kollegen von Norbert Becker in den letzten Monaten begonnen haben.
    Ein paar Stunden zuvor am Vormittag: Lilith Stelzner und Björn Pluskota kontrollieren Stellen, an denen die Tigermücke brüten kann.
    "Auch so ein Klassiker, nicht nur die Straßengullis sind relevant sondern auch die Hofgullis, wo dann immer so ein bisschen Wasser drinsteht."
    "Wir sagen das dann immer auch den Anwohnern, dass die dann eben auch auf den Gulli achten sollen, das vergisst man dann leicht, oder auch wir, wenn wir unterwegs sind, bekämpfen wir den Gulli direkt mit, genau."
    Brutstätten beseitigen
    Wie die Tigermücke nach Heidelberg gelangt ist, kann niemand sagen. Fest steht nur: 2015 sind einer Biologiestudentin, die hier oben wohnt, besonders aggressive Mücken aufgefallen – schwarz mit weißen Streifen auf den Beinen. Sie schickte ein Tier an den "Mückenatlas", ein Projekt zum Mückenmonitoring. Auf ähnliche Weise sind Tigermücken in Freiburg und Jena entdeckt worden. Die Wissenschaftler vom Mückenatlas alarmierten die "Kabs", für Lilith Stelzner und Björn Pluskota arbeiten. Die beiden haben den Heidelberger Stadtteil Ochsenkopf nach potenziellen Brutplätzen abgesucht.
    "Wir hatten es mal überschlagen, dass so im Schnitt alle sieben bis zehn Meter eine rein potenzielle Brutstätte für albopictus wäre. Wirklich Kleinstbrutstätten wie ein weggeworfener Becher oder Kinderspielzeug, das schon seit einem Jahr im Gebüsch steht und nicht mehr benutzt wird, oder auch mal ein Blumentopf, der einfach mal eine Woche rumsteht, das reicht denen auch im Sommer bei hohen Temperaturen."
    "Und wir haben natürlich alle Anwohner informiert, dass sie darauf achten sollen, der Blumentopf muss ja nicht da rum stehen, ohne Blume, dass man einfach drauf achtet, die Brutstätten zu beseitigen, um es der Mücke eben so schwer wie möglich zu machen."
    Björn Pluskota schätzt, dass ihre Aktionen die Mücken dieses Jahr um mehr als 90 Prozent reduziert haben im Vergleich zu 2015. Wie viele es sind, das erheben Pluskota und Stelzner mit Fallen, die auf dem ganzen Ochsenkopf und darum herum stehen und Tigermücken-Weibchen anlocken. Manche saugen die Tiere ein und töten sie sofort. Andere bieten ihnen optimale Bedingungen zum Eierlegen.
    Eine Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts)
    Eine Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts) (picture alliance / dpa / James Gathany/CDC)
    "Wir haben einfach einen schwarzen Becher, zur Hälfte bis drei Viertel ist der mit Wasser gefüllt, und dann steht da ein Holzstäbchen drin, und die Asiatische Tigermücke, das Weibchen findet das als Brutstätte unheimlich attraktiv, und einmal in der Woche sammle ich die Holzstäbchen mit den Eiern ein, und dann kann ich eben im Labor schauen, ob Eier drauf sind oder nicht. Ich versuche dann in erster Linie, die Eier zum Schlüpfen zu bringen, und dann sieht man auch, ob die Eier überhaupt befruchtet waren oder nicht."
    Die Daten des Mückenmonitorings sind jetzt wichtig für den nächsten Schlag gegen die Tigermücke in Heidelberg. Dazu haben "Kabs"-Leute eine Ladung der Tigermücken vom Ochsenkopf nach Italien geschickt, zu Romeo Bellini ins Centro Agricoltura Ambiente Giorgio Nicoli. Dort hat man die Mücken vermehrt.
    "Wir machen die Männchen mit Gamma-Strahlung unfruchtbar. Die Strahlung beschädigt das Sperma der Mücken, sodass sie zwar noch Weibchen begatten können. Aber schon bald nach der Befruchtung sterben die Embryonen im Ei. Die Vermehrung ist gestoppt."
    Vermehrung stoppen
    Am Abend sind die sterilen Mückenmännchen in Heidelberg eingetroffen. Lilith Stelzner schaut auf ihren Plan.
    "Also die grünen Kreuze, da lassen wir sie frei. Da, da, da, da, da und hier hinten nochmal zwei."
    "Ok, sieben Stück, ja."
    Eine ruhige Seitenstraße, die Laterne taucht die Szenerie in weißes Licht. Lilith Stelzner nimmt den ersten Käfig mit tausend sterilen Mückenmännchen aus der Kühlbox und stellt ihn auf den Boden. Sterile Männchen haben gleich mehrere Vorteile: Sie stechen nicht, sind also den Anwohnern weniger lästig, sie spüren die Weibchen auch in Verstecken auf, die die "Kabs"-Leute übersehen, und sie gelangen auch in Gärten von Leuten, die nicht bei ihrer Bekämpfung mitmachen.
    "OK, ich mache jetzt auf, ja?"
    "Aufmachen, OK, ein bisschen rausschütteln. So wunderbar."
    Eine ganze Reihe lässt sich nach der langen Reise dann aber doch ziemlich bitten.
    "Die sind unlustig."
    Noch bis September will Norbert Becker jede Woche weitere sterile Mückenmännchen freilassen. Und 2017 wieder.
    "Ich gehe davon aus, dass wir auf jeden Fall das ganze nächste Jahr noch diese Methode anwenden müssen und da müssen wir vor allen Dingen dann auch früher anfangen, dass wir also die erste Generation schon erwischen, das heißt Mai, spätestens im Juni werden wir die ersten Tierchen freilassen und dann auch wieder bis in September rein."
    Ein Männchen setzt sich bei Björn Pluskota auf den Arm.
    "Komm hau ab, mach mal Deinen Job!"