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Belastung für Jahrtausende

Chemie. - Abgereichertes Uran ist eigentlich ein Abfallprodukt. Trotzdem: In Ländern wie den USA oder Russland verwertet die Waffenindustrie das Metall weiter. Um daraus besonders schwere, panzerbrechende Geschosse mit hoher Durchschlagskraft zu produzieren. Zum Einsatz gekommen ist solch eine Munition im Kosovo und im Irak. Noch liegen dort viele Projektile im Erdboden und verwittern im Laufe der Zeit. Was dabei genau passiert, wollten deutsche Wissenschaftler nun wissen.

Von Arndt Reuning | 08.03.2007
    Wenn Dr. Gerhard Geipel sein Labor am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf verlässt, muss er durch eine Art Schleuse hindurch. Eine Sicherheitsvorkehrung. Gerhard Geipel arbeitet mit radioaktiven Stoffen. Die Messkammer soll verhindern, dass er versehentlich Spuren von belastetem Material nach draußen schleppt. Unter anderem interessiert ihn, was mit DU-Munition passiert, die lange Zeit im Erdboden liegt. DU steht für "Depleted Uranium", also abgereichertes Uran. Geipel:

    "Wie korrodiert die Uranmunition im Boden, wenn sie also letzen Endes im Boden vergraben wird? Wie wechselwirkt sie mit Regen? Was passiert dann? Wie löst sie sich auf?"

    Uran ist kein sehr beständiges Metall. Es reagiert leicht mit Sauerstoff und bildet dann meistens ein Oxid. Ein landwirtschaftlich genutzter Boden hält aber eine ganze Reihe von weiteren Substanzen bereit, die ebenfalls eine Verbindung mit dem Uran eingehen können. Und damit die Löslichkeit und die Mobilität des giftigen und radioaktiven Schwermetalls beeinflussen. Zum Beispiel binden Carbonate, etwa Kalk, besonders leicht an das Uran und machen es wasserlöslich. Aber es könnte auch sein, dass sich unter dem Einfluss von Phosphatdünger eine feine, wasserunlösliche Mineralienhaut auf dem Projektil bildet. Ein Laborversuch sollte Klarheit bringen - am GSF Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg. Die Forscher dort haben Versuchsgefäße mit echtem Erdboden gefüllt und dann Uranprojektile darin vergraben. Geipel:

    "Der Boden war normal aufgedüngt, wie das also in der Landwirtschaft üblich ist. Dann wurde Gras in diesen Boden eingesät und dann letzten Endes über drei Jahre ganz normal mit einem synthetischen Regenwasser der Boden beregnet und untersucht, wie sich dann alles da drin verhält."

    Alles sollte der Natur so genau wie möglich nachempfunden sein – aber unter den kontrollierten Bedingungen des Labors. Von der Erde nahmen die Neuherberger Wissenschaftler Proben und schickten nach Dresden. Dort hat Gerhard Geipel untersucht, zu welchen Mineralien sich das Uran umgewandelt hat. Ergebnis: Der Auflösungsprozess verläuft in zwei Stufen. Die Uranmunition korrodiert zunächst einmal verhältnismäßig schnell. Gerhard Geipel schätzt, dass sich ein Projektil innerhalb von fünfzig Jahren auflöst. Aber das Uran-Schwermetall bleibt in anderer Form an der Stelle im Boden. Geipel:

    "Es bilden sich dann also Sekundärmineralien, es bilden sich andere Uranverbindungen, die anderen Mechanismen unterliegen und wesentlich langsamer aufgelöst werden. Allerdings aber im sehr, sehr langen Zeitrahmen wird auch dieses Uran irgendwie über das Wasser wegtransportiert sein von der Stelle, wo ursprünglich das Projektil gelegen hat."

    Identifizieren konnten die Chemiker das Mineral Liebigit, ein Carbonat, das neben dem Uran auch noch Calcium enthält. Sein langsamer Auflösungsprozess zieht sich womöglich über Jahrtausende dahin. Jedes Projektil verwandelt sich also in ein kleines Urandepot im Erdboden, das beständig geringe Uranmengen abgibt. An Landwirtschaft ist auf diesen Böden nicht zu denken. Geipel:

    "Ideal wäre es natürlich, solche Böden – wenn man die abtragen könnte. Denn es hat sich also herausgestellt, dass dort wo das Projektil liegt, das Wachstum der Pflanzen doch zurück geht. Auf der anderen Seite – na gut – man wird nicht alles immer wegtragen können, weil man auch nicht immer weiß, wo die Munition letzten Endes liegt."

    Und nicht immer liegen die Geschosse auf einem Gelände, das landwirtschaftlich genutzt werden soll. Trotzdem kann das giftige Schwermetall von dort aus ins Grundwasser gelangen.