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Belgien
Begehrtes Bier von Möncheshand

Das belgische Trappistenbier Westvleteren gibt es nicht im Supermarkt zu kaufen, sondern nur im Online-Shop des Ordens. Und auch nur in kleinen Mengen - dadurch wird es umso begehrter. Die Mönche brauen nur eine bestimmte Menge im Jahr - und sie verdienen auch kein Geld damit.

Von Paul Vorreiter | 07.07.2019
Auf Bierbörsen wurde das Bier der Trappisten-Mönche mehrfach zum Besten weltweit gekürt. Zu seinem Erfolgsrezept gehört dabei auch: Es ist schwer zu bekommen.
Bierflaschen in der Brauerei der Trappisten-Mönche. (imago images / Belga)
Ein braungebrannter Mann mit hellblauem Hemd zeigt auf ein Förderband, das sich wie eine Schlange durch eine hell erleuchtete Halle bewegt:
"Hier im Abfüllraum können Sie sehen, verwenden wir nur Holzkisten, die per Hand auf Paletten gestapelt werden. Die Biere gehen erst durch den Reinigungstrakt, der sich hinter dem Glas befindet. Dort geht es weiter zur Waschmaschine und dann geht es in einen Kontrollbereich, wo die Flaschen nochmal geprüft werden, auf Schäden und wie sauber sie sind. Und dann kommen sie durch die Abfüllgasse, wo die Flaschen am Ende in die Holzkisten gepackt werden und dann geht es zur Gärung in den nächsten Raum."
Jos Vermeulen bei einer Pressekonferenz. Er hat als Freiwilliger den Mönchen bei ihrem neuen Verkaufskonzept geholfen.
Jos Vermeulen bei einer Pressekonferenz. Er hat als Freiwilliger den Mönchen bei ihrem neuen Verkaufskonzept geholfen. (imago images / Belga)
Das Bier, über das Jos Vermeulen spricht, ist das der Trappistenabtei Sankt Sixtus in Westvleteren, im äußersten Westen Belgiens; mit seinen drei Sorten, die sich vor allem durch den Alkoholgehalt unterscheiden. Auf Bierbörsen wurde das Bier mehrfach zum Besten weltweit gekürt. Zu seinem Erfolgsrezept gehört dabei auch: Es ist schwer zu bekommen.
Sehr erschwerte Beschaffung
Wer eines der drei begehrten Biere kaufen wollte, musste bislang eine Telefonhotline anrufen, sein KfZ-Kennzeichen angeben. Nach mehreren Wochen erhielten die Interessenten dann eine Bestätigung, mussten persönlich mit dem Auto in der Abtei vorfahren und durften sich maximal zwei Träger abholen. Was dann auch die einzige Bestellung für die darauffolgenden zwei Monate sein durfte. Das hat den Durst bei manchen Bierliebhabern noch vergrößert. Bei einer Coupon-Aktion in belgischen Zeitungen waren die betroffenen Exemplare innerhalb einer Stunde vergriffen.
Bei einer Coupon-Aktion in belgischen Zeitungen waren die betroffenen Exemplare innerhalb einer Stunde vergriffen.
Dieser Mann hat dank seines Coupons eine Kiste des begehrten Trappisten-Bieres bekommen. (imago images / Belga)
Dass das Bier so gut ankommt, ist den Mönchen fast etwas ungeheuer. Den Verkaufsweg per Anrufbestellung empfanden die Brüder zunehmend als unpraktisch. Vor einigen Wochen haben die Trappisten einen Onlineshop eröffnet, in dem man sich registrieren muss, der aber auch nach einem Wartezimmer-Prinzip funktioniert. Wer gerade erst sein Bier bekommen hat, muss sich für eine weitere Bestellung hinten anstellen. Denn: Onlineshop hin oder her, die Menge an produziertem Bier erhöhen die Mönche nicht, ungefähr 6.000 Hektoliter pro Jahr sind es, über 42 Brautage verteilt.
Denn das Motto hier lautet: Wir brauen, um zu leben, aber wir leben nicht, um zu brauen. Die Mönche verdienen mit dem Bier nicht. Überschüsse spenden sie weiter an soziale Projekte. Und was die Arbeit angeht, sind die Rollen klar:
"Drei Mönche arbeiten mehr oder weniger die ganze Zeit in der Brauerei. Vater Benedikt ist der Braumeister, Vater Joris ist für die Qualität zuständig Vater Vilain für das Labor. Die anderen Mönche, helfen bei der Abfüllung, aber das nur ausnahmsweise. Außerdem gibt es noch zwei weitere, zivile Mitarbeiter, die zusätzlich in der Brauerei beschäftigt sind."
Weltweit gibt es ein gutes Dutzend authentische Trappistenbiere
Es ist ein außergewöhnlicher Tag in der Abtei Sankt Sixtus. Normalerweise herrscht hier idyllische Ruhe. Wer über das Gelände spaziert, hört einen Flusslauf, aufgescheuchte Enten, das Gras, das im Wind raschelt. Wenn die Mönche ihr neues Verkaufssystem vorstellen, haben sie die versammelte Presse Belgiens auf dem Klostergelände – Fotoapparate blitzen, Stative werden aufgestellt.
Bruder Godfried, ein hagerer Mann mit schütterem, grauen Haar beantwortet geduldig die Fragen der Journalisten, auch wenn man ihm anmerkt, dass das eine außergewöhnliche Situation ist. Obwohl: Außergewöhnliche Geschichten, die hat der Prior hier eigentlich schon häufiger erlebt.
"Eine starke Geschichte: Da war mal ein Brasilianer, der hier rumgelaufen ist, der sich nicht einmal registriert hat. Das finde ich doch schade. Da macht einer so eine Reise, mit großen Erwartungen. Dann hatten wir einen Chinesen auf Weltreise, der hatte in Europa zwei Ziele. Er wollte Paris sehen - und Westvleteren. Dann steht er sprachlos in diesem Middle of Nowhere hier und sagt: Die Menschen brauen hier dieses Bier!? Das ist ein Bier mit einer Geschichte, das ist ein Bier mit einem Schuss Magie. ich denke, dass es damit zu tun hat."
Der Abt der Trappistenabtei Sankt Sixtus, Manu Van Hecke, steht vor Bierpaletten.
Weltweit gibt es ein gutes Dutzend authentische Trappistenbiere: sechs davon stammen aus Belgien. (imago images / Belga)
Weltweit gibt es ein gutes Dutzend authentische Trappistenbiere: sechs davon stammen aus Belgien. Sie werden nur aus natürlichen Rohmaterialien hergestellt: etwa Quellwasser, Gerstenmalz, Hopfen, Zucker und Hefe. Nicht nur auf die Zutaten kommt es an, auch auf die Erfahrung. Was das angeht, können die Mönche auf eine lange Tradition blicken. Der erste belgische König, Leopold der I., vergab der Abtei 1839 eine Brauerlizenz. Bruder Godfried ist jedenfalls stolz auf die Braukunst in Sankt Sixtus:
"Ich trinke am liebsten das blonde Bier, wenn ich das noch sagen darf. Das, finde ich, ist das beste Bier. Es ist sehr angenehm, es ist frisch und bekömmlich. Das ist auch ein sehr sauber gebrautes Bier, da wird kein Zucker beigemischt, es wird nur mit Malz gebraut. Ich denke, dass das echte Braukunst ist, dass ein Bier mit geringem Alkoholgehalt so viel Charakter und Körper hat. Da muss man schon was draufhaben."
Neben dem Schuppen, in dem die Bierkisten lagern, führt eine Straße quer durch das Klostergelände zum Ausgang. Wer das Tor verlässt, dem eröffnet sich eine typische flämische Landschaft. Das heißt, Felder wohin man guckt, die von einspurigen Landstraßen durchkreuzt werden und hier und da erhebt sich mal ein Kirchturm in der Ferne.
Keine Chance auf Bier im Besucherzentrum
Etwas versteckt, in einem kleinen Hain neben dem Kloster, da ist das Besucherzentrum der Abtei. Manche der angereisten Journalisten strömen dorthin und hoffen, das so schwer zu bekommende Bier für sich selbst abstauben zu können. Keine Chance: Immerhin gibt es einen kleinen Ausschank. Serviert werden alle drei Sorten. Dazu gibt es Brotscheiben mit Lachs und Schinken. Nicht nur Pressevertreter greifen hier nach den Biergläsern, sondern auch Kenner.
"Ich heiße Li. Ich komme aus China, aber ich lebe bereits seit 20 Jahren in Belgien. Als ich hier studiert habe, begann ich belgisches Bier zu trinken und ich mag belgisches Bier, es gibt mehr als 180 unterschiedliche Brauereien und hunderte verschiedene Biersorten."
Auf dem Namensschild von Li steht "Belgian Beer Society China". Er hat es sich zur Aufgabe gemacht hat, seinen Landsleuten belgisches Bier schmackhaft zu machen.
"Wir arbeiten mit Düvel in Shanghai, dieses Bier gibt es ja dort schon und es verkauft sich auch gut, aber es gibt keine Profis, die den Chinesen das Bier und seine Kultur erklären können, auf Chinesisch, also rufen sie mich und mein Team an. Sie bringen das Bier und wir stellen es dann vor, ob es Duvel ist oder ein anderes."
Wie sich die vielen belgischen Biersorten geschmacklich unterscheiden, das meinen die meisten Chinesen offenbar nur am Äußeren erkennen zu können. Li will seinen Landsleuten da auf die Sprünge helfen.
Bierflaschen in der der Trappisten-Brauerei abgefüllt.
Das Trappisten-Bier wird nur aus natürlichen Rohmaterialien hergestellt: etwa Quellwasser, Gerstenmalz, Hopfen, Zucker und Hefe. (imago images / Belga)
"Die Chinesen gucken sich nur die Farbe an, und sagen. Ok, das ist ein helles leichtes Bier, und das ist ein schweres Dunkles, aber wir sagen ihnen, dass man das nicht daran unterscheiden soll, sondern: das ist diese Sorte Bier, das hier ist ein Trappistenbier, wir spezifizieren das."
Bei so viel Bierexpertise dürfte es Li sicher schwer fallen, nur ein einziges Lieblingsbier zu haben. Das Bier aus der Abtei Sankt Sixtus nennt er jedenfalls nicht. Stattdessen:
"Ich mag das Geuze Lambic besonders. Ich will ehrlich sein, als ich das zum ersten Mal getrunken habe, dachte ich, ah, das ist doch kein Bier, das ist Essig und dann habe ich mich darin verliebt. Ich weiß nicht warum, es ist Zauberei!"