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Beliebt trotz Plagiatsvorwurf

Die Menschen in Bayern mögen ihn als verantwortungsbewusst und prinzipientreu. Und so wundert es auch nicht, dass sie dort weiterhin hinter dem Verteidigungsminister stehen, trotz Plagiatsvorwürfen.

Von Michael Watzke | 17.02.2011
    Es gibt in Bayern ein beliebtes Schimpfwort für Menschen, die beim Schummeln erwischt werden. Am Stammtisch im Weißen Brauhaus in München hört man es dieser Tage häufiger als sonst:

    "So ein Bazi. Wie kann man von anderen Leuten abschreiben, wenn man so was Wichtiges macht? So eine Arbeit soll doch sein Wissen und sein Können repräsentieren. Da schreib ich doch nicht von andere Leut ab","

    sagt Georg aus Oberbayern. Besonders enttäuscht ist er von zu Guttenberg, weil der Freiherr immer so sauber und adlig wirkte:

    ""Für Korrektheit stehen und selber inkorrekt sein. Ich hab noch nie eine Doktorarbeit geschrieben, ich weiß nicht, wie genau das geht, auf was man schauen muss, aber das hat a bisserl, das schaugt ned guat aus."

    Dabei schaute der Verteidigungsminister bisher immer gut aus. Egal, ob in Kundus oder Kulmbach: Guttenberg schien stets die personifizierte Rechtschaffenheit zu sein. Nun ist er Fußnöten, lästert ein Kneipengast. An den Stammtischen im Weißen Bräuhaus kursieren schon erste Verschwörungstheorien:

    "Ob da der Seehofer oder die Merkel dahinter stehen, das lass ich mal im Raum stehen. Mit dem Guttenberg wäre die Merkel natürlich einen weiteren Konkurrenten los, neben all den anderen Nebenbuhlern, die aufgegeben haben."

    Eine Merkelsche Verschwörung? Der Erst-Entdecker der Copy-and-Paste-Affäre war doch ein SPD-naher Professor. Deshalb halten viele Unterstützer von "KT" die Vorwürfe für böswillige Eifersuchtsattacken der Opposition. Erstmal müssten Beweise her – als sei die Guttenbergsche Doktorarbeit bisher unveröffentlicht.

    "Bevor es nicht ganz klar auf dem Tisch liegt, soll man den Mund halten."
    - "Ich glaub das gar nicht, wissen’s?"
    - "Ich finde, man soll ihn in Ruhe lassen. Eine Gemeinheit, was sie mit ihm machen. Das ist von den anderen aufgeputscht."
    - "Ich hab ein Problem damit, wie das aufgebauscht wird. Wozu soll das gut sein?"
    - "Ist doch noch gar nicht ganz klar, was da los ist. So eine Quellenangabe kann auch leicht mal vergessen werden. Waren ja 1200 Fußnoten in der Arbeit. Bevor nicht geklärt ist, ob er das absichtlich und gemein gemacht hat, sag ich nix."
    - "Wer weiß, ob das alles stimmt, was in der Zeitung steht. Oder ob das gelinkt ist. Um dem Mann, der in der Politik gute Werte hat, ein Bein zu stellen."

    Wer weiß, ob stimmt, was in der Zeitung steht? Diesen Satz hört man häufig, wenn man nach Guttenbergs Doktorarbeit fragt. In den Zeitungen steht heute ganz Unterschiedliches. Vor dem Weißen Brauhaus in der Landeshauptstadt buhlen vier Zeitungskästen um Kunden. "Süddeutsche", "Abendzeitung", "BILD", "FAZ". Die "Süddeutsche" hat die Affäre mit ins Rollen gebracht und widmet dem Fall ihre gesamte Seite 2. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet ein wenig zurückhaltender, obwohl sie betroffen ist: Guttenberg hatte sich bei einem "FAZ"-Artikel bedient. Die "BILD" titelt zaudernd:

    "Wirbel um Guttenberg"

    – fast so, als habe ein Sandsturm in Afghanistan die Frisur des Verteidigungsministers verwirbelt.

    Die "Münchner Abendzeitung" schlägt laut und voller Schadenfreude drauf:

    "Das kann er abschreiben",

    titelt Politkorrespondentin Angela Böhm. Sie ist sogar in die Schweiz gereist, um eine Journalistin zu treffen, bei der sich Guttenberg in seiner Doktorarbeit ebenfalls bedient hat, ohne zu zitieren. Letzteres sei doch längst üblich, finden viele Kneipengäste:

    "Abgeschrieben wird doch im ganzen Land, das ist doch gang und gäbe. Eine geistige Flachheit herrscht da, unglaublich."
    - "Beschissen wird überall, ob es jetzt Guttenberg ist oder sonst wer."
    - "Man stellt doch solche Arbeiten mit verschiedenen Sachen zusammen. Das Problem war wahrscheinlich, dass er nicht immer vermerkt hat, woher er die Information hat. Aber ich seh es nicht so, dass er da betrogen hat."

    So haben sich die Zeiten gewandelt. Gutenberg erfand damals die beweglichen Lettern. Guttenberg verschiebt heute gleich ganze Absätze. Auch der Satz ist geklaut, im Internet. Bei User "Gutti-Frutti" auf Welt-Online. Das nur als Fußnote. Der Freiherr mag ja ein wenig abgekupfert haben – die Wähler daheim in Bayern scheinen es ihm zu verzeihen. Es wäre so schad um ihn und seine reizende Frau, sagt Brauhaus-Bedienung Franzi:

    "Also mir tät’s leid tun. Weil ich hoff für jeden das Beste. Und ich wünsch’ ihm auch das Beste. Und ich glaub auch, also vom Gefühl her, dass er’s nicht gemacht hat."

    Vielleicht verliert der Freiherr ja seinen Doktortitel – seine Popularitätswerte scheinen nicht ernsthaft in Gefahr zu sein. Zumindest nicht im Freistaat.