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Belogen und betrogen

"Ich hatte ein Farm in Afrika", so beginnt Tania Blixens wohl berühmtester Roman: "Jenseits von Afrika". Die Oscargekrönte Verfilmung von Sidney Pollak mit Robert Redford, Meryl Streep und Klaus Maria Brandauer hatte seinerzeit einen regelrechten Afrikaboom ausgelöst.

Von Simone Hamm | 08.10.2007
    Tania Blixen hatte 1914 ihre dänische Heimat verlassen und war ins Hochland Britisch - Ostafrikas gezogen, dem heutigen Kenia. Sie musste bald erfahren, dass die afrikanische Wirklichkeit alles andere als paradiesisch war. Das Leben der britischen Kolonialisten war ihre Sache nicht. Ihr Mann, ein dänischer Baron, belog und betrog sie, steckte sie mit der Syphilis an. Niemals würde sie Kinder bekommen können. Zur guten Farmerin fehlte ihr jede Voraussetzung. Ihre Kaffeeplantage trieb sie in den Ruin.

    Aber Ihre Träume, die sollten paradiesisch sein. Ihre Träume von einem freien, ungebundenen Leben. Ihre Träume vom Fliegen.

    Anita Albus ist Forscherin, Zeichnerin und Schriftstellerin. Sie hat ein Buch über seltene und vom Aussterben bedrohte Vögel oder schon ausgestorbene Vögel geschrieben und dazu Miniaturen aquarelliert. "Das Los der Lust" heißt ihr Essay über Tania Blixen. Mit der von ihr Porträtierten teilt sie die Faszination für Vögel.
    Auf dem Umschlagfoto sitzt auf ihrer Schulter die Eule Minerva. Mit einem Vogelblick wollte Tania Blixen auf Afrika blicken. Wie ein Vogel wollte sie die Erde unter sich versinken sehen. Das Motiv des Fliegens durchzieht Anita Albus schmalen Band. Tania Blixen will frei und unabhängig sein. Sie glaubt, einen Seelenverwandten gefunden haben und verliebt sich in ihn: in den Abenteurer und Flieger Denys Finch Hutton. Er fliegt mit ihr über ihre Farm. Er gewährt ihr diesen Vogelblick auf Afrika.

    Die Bindungsängste teilte sie sich mit ihm. Eben darum hatte sie ihn gewählt. Es lag in der Logik dieser Konstellation, dass sich das anfänglich vielleicht minimale Ungleichgewicht ihrer gegenseitigen Liebe mit jedem Abschnitt ihrer Geschichte zu Ungunsten der immer wieder Verlassenen verschob. Je weniger sie sich im Laufe der Zeit von ihm geliebt wusste, desto grausamer fühlte sie sich als die ewig Wartende gefesselt und der Angst ausgeliefert, ihn nie wiederzusehen. Über Jahre hielt sie ihre Zunge im Zaun, wohlwissend, dass ein Geständnis ihrer verzweifelten Liebe den Bindungsscheuen in die Flucht schlagen würde.

    Doch Finch Hutton spürte die Abhängigkeit Tania Blixens und zieht sich zurück. Ihre Liebe lebt weiter. Tania Blixen nähert sich dem Geliebten schreibend.

    Nur in der Aussichtslosigkeit hat die Liebe zum Unmöglichen Bestand.

    Anita Albus hat herausgefunden, dass schon Tania Blixens Vater ein Zugvogel war wie Denis Finch Hutton. Sie sucht nicht die Beständigen, sie sucht die Ziehenden, die Fliehenden, die Fliegenden und leidet darunter. Ihr Geliebter stürzte 1931 mit seinem Flugzeug ab. Tania Blixen kehrt zurück nach Dänemark und nimmt einen jungen Schriftsteller unter ihre Fittiche. Diesmal ist er der Abhängige. Glücklich wird sie auch in dieser Beziehung nicht.

    Anita Albus hat einen sehr ungewöhnlichen Essay geschrieben. Sie zeichnet das Bild Tania Blixens anhand ihrer Liebe zu Vögeln, einer Nachtigall, eines Reihers und anhand des Fliegens. Manchmal geht es mit ihr durch und ihre klugen Betrachtungen werden zu Kalauern.

    Das Fliegen um des Fliegens willen war ihr eine Wonne, das Vögeln um des Vögelns willen schien ihr schal.

    Doch meist ist die so ungewöhnliche Betrachtungsweise von Anita Albus ein Genuss. Sie hält ihren Blickwinkel durch. Tania Blixen wird selbst zum Vogel. In Jenseits von Afrika schreibt die todkranke Erzählerin.

    Die Enge, in der ich stecke, das dunkle Loch, in dem ich liege - zu welcher Vogelkralle mag das wohl gehören? Wenn die Zeichnung meines Lebens fertig ist, werden dann die anderen einen Storch sehen?

    1962 stirbt Tania Blixen an Auszehrung. Sie wog ganze 35 Kilo. Sie sah, so Anita Albus, nicht aus wie ein Storch. Sie sah aus wie ein ausgemergelter Raubvogel einer aussterbenden Gattung.