Dienstag, 23. April 2024

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Bengalos und Co. im Fußball
BGH befasst sich mit Pyrotechnik im Stadion

Die Diskussion um Pyrotechnik im Fußball ist während der Corona-Pandemie ohne Fans in den Stadien ein wenig erkaltet. Das wird sich kommende Woche ändern, wenn sich sogar der Bundesgerichtshof mit dem Thema beschäftigt. Je nachdem, wie er entscheidet, kann das weitreichende Auswirkungen haben.

Von Thorsten Poppe | 27.06.2021
Fans von Jena zünden Pyrotechnik im Gästeblock
Fans von Jena zünden Pyrotechnik im Gästeblock (picture alliance / MaBoSport | MaBoSport)
Für viele Fans sind Bengalos Kulturgut, für den Deutschen Fußball-Bund DFB gehören sie nicht ins Stadion. Brennt es trotzdem in der Kurve, gibt es Geldstrafen. Nach dem Leitfaden des Verbandes kostet das Abrennen von pyrotechnischen Gegenständen in der Bundesliga 1.000, in der 3. Liga 350 Euro.
Zahlen müssen diese Strafen die Vereine. Sie haften gegenüber dem DFB für Zwischenfälle jeglicher Art. Der FC Carl Zeiss Jena ist davon betroffen und hat dagegen geklagt – auf dem zivilen Weg, außerhalb der Sportgerichtsbarkeit:
"Natürlich waren wir sehr erleichtert, dass unsere Rechtsbeschwerde vom 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angenommen wurde!", erklärt der Geschäftsführer des Vereins, Chris Förster, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: "Wir haben nun erstmals das Gefühl, dass unser Anliegen auch inhaltlich verstanden wird. Mit der eigentlichen Kernthematik, nämlich "Keine Strafe ohne Schuld" wird sich nun auch erstmals auseinandergesetzt. Danach haben die Vereine und auch der Verband ein höchstrichterliches Urteil, und damit auch Klarheit für die Zukunft."

Spürhunde, Nachtbewachung, Vorkontrollen

Der FC Carl Zeiss Jena kämpft schon lange gegen die aus seiner Sicht unrechtmäßigen Strafzahlungen für Pyrovergehen der eigenen Fans. Der Klub hat dafür alle Instanzen der DFB-Sportgerichtsbarkeit durchlaufen. Ohne Erfolg. Insgesamt hat der FCC schon knapp 100.000 Euro Strafe an den DFB gezahlt.
Warum sich Deutschland mit "kalter Pyro" schwer tut
Die Innenminister der Länder wollen das Abbrennen von Pyro künftig härter bestrafen. Für die Anhänger gehören Bengalos jedoch zur Fankultur. Diesen Konflikt versuchen manche Vereine nun in Eigenregie zu entschärfen.
Für Geschäftsführer Chris Förster tut der Verein alles in seiner Macht stehende, um Pyrotechnik im eigenen Stadion zu verhindern: "Grundsätzlich muss man dafür wissen, dass wir und alle anderen Vereine auch, sehr, sehr viel Geld für Sicherheitsmaßnahmen jeglicher Art aufwenden. Für so genannte Risikospiele werden zusätzliche Maßnahmen getroffen, zum Beispiel Spürhunde am Eingang. Die Nachtbewachung des Stadions. Wir weiten das Veranstaltungsgelände aus, um zusätzliche Vorkontrollen zu ermöglichen. Und das sind auch nur einzelne Beispiele. Im Ergebnis konnte uns bisher noch kein Versäumnis nachgewiesen werden, auch gab es bisher noch keine Verbesserungsvorschläge!"
Somit treffe den Verein keine Schuld. Deshalb hat der FCC den Weg außerhalb der DFB-Sportgerichtsbarkeit zum Oberlandesgericht Frankfurt gewählt. Ebenfalls ohne Erfolg.

Oberlandesgericht Frankfurt sieht Vereine als Verantwortliche

Der DFB verweist auf Nachfrage schriftlich darauf, dass das schuldhafte Fehlverhalten der Anhänger dem jeweiligen Klub zugerechnet werde. Das hätte auch das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Beschluss letztes Jahr noch einmal klar zum Ausdruck gebracht. Darin heißt es:
"Der Betreiber einer Gefahrenquelle hat für das mit ihr einhergehende Risiko einzustehen, unabhängig davon, welche Person an der Risikoverwirklichung beteiligt ist. So haftet etwa der Halter eines Kraftfahrzeugs unabhängig davon, wer gefahren ist. Dieser Gedanke ist auf Sportvereine übertragbar."
Deshalb geht der DFB davon aus, dass auch der Bundesgerichtshof als letzte Instanz diese Entscheidung so bestätigen wird.

BGH-Entscheidung fällt im Sommer

Der BGH schreibt auf Anfrage, dass er sich mit der Rechtsbeschwerde als nächsthöhere Instanz beschäftigen müsse. Zudem gehe es erst einmal um die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde des FC Carl Zeiss Jena. Und erst wenn diese zugelassen werde, könne das Gericht über die Sache an sich entscheiden.
Die Entscheidung darüber würde nach der mündlichen Verhandlung am 1. Juli fallen. Der FC Carl Zeiss Jena, der aktuell in der Regionalliga Nordost spielt, will darin seine Position noch einmal deutlich machen:
"Den besten Beweis, dass der Einsatz von Pyrotechnik nicht ganz ausgeschlossen werden kann, liefert aber das jährlich stattfindende DFB-Pokalfinale. Der DFB als größter Sportverband der Welt ist Veranstalter dieses Finals, und alljährlich kommt es zum Einsatz von Pyrotechnik während des Finals. Wie kann der Verband dann die Vereine für etwas bestrafen, was er selbst nicht verhindern kann, was die Vereine nicht selbst zu verantworten haben?"
Ein etwaiges Urteil des Bundesgerichtshofs könnte erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auch auf die Höhe der Strafzahlungen für Vereine, falls Fans Pyro zünden. Die lagen in der Saison 2019/20 bei über 2 Millionen Euro.