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Benimmkurse für Schulklassen
Es geht um mehr als gute Manieren

Die Tür aufhalten, älteren Menschen im Bus einen Platz anbieten, gerade sitzen bei Tisch: Eigentlich Selbstverständlichkeiten, die im hektischen Alltag aber oft in Vergessenheit geraten. Im Bistum Essen können Jugendliche in Kursen jetzt lernen, was gutes Benehmen ausmacht.

Von Klaus Deuse | 12.06.2019
Ein Junge füllt sich Spaghetti mit Tomatensoße aus einer Schüssel auf seinen Teller
Auch Tischmanieren sind Teil der Benimmkurse für Schüler und Schülerinnen. (imago stock&people)
Viertel nach eins. Der Gong hat das Unterrichtsende für diesen Vormittag an der Pestalozzi-Realschule in Bochum-Wattenscheid eingeläutet. Die Schüler sind ausgelassen, und es zieht sie nach draußen. Mit Ausnahme von acht Schülerinnen des neunten Jahrgangs, denn auf sie warten bereits ehrenamtliche Coaches der Malteser, die im Bistum Essen Benimmkurse für Schüler leiten. Anna-Lena, Alissa und Melanie haben an diesem Kurs bereits teilgenommen. Freiwillig. Und nun wollen sie von ihren Coaches lernen, wie sie selbst jüngeren Schülern an ihrer Schule gutes Benehmen vermitteln können, sagt die 15-jährige Melissa.
"Wichtig ist mir als erstes, dass wir halt selber gecoacht werden und Sachen beigebracht werden, die wir selber vielleicht noch gar nicht wissen."
Ein Mann surft mit seinem Smartphone am Essenstisch im Internet.
Fast neun von zehn Deutschen finden es unhöflich, wenn ihr Gegenüber beim Essen immer wieder auf das Smartphone schaut. (picture alliance / dpa / Foto: Nicolas Armer)
Mehr Selbstsicherheit durch gutes Benehmen
Worauf es ankommt, das haben die Schülerinnen des neunten Jahrgangs zuvor selbst in einem Benimmkurs der Malteser gelernt. Gutes Benehmen, resümiert die 15-jährige Assia, habe ihr zu mehr Sicherheit verholfen.
"Ich hatte nach dem Coaching das Gefühl, dass ich mich irgendwie ein bisschen besser benehmen kann, dass ich auch ungefähr weiß, was ich tue und was nicht. Und was sich gehört und was nicht. Auch zum Beispiel diese Sache mit dem Händedrücken, wenn man sich die Hand gibt, wie feste man drücken sollte."
Lernen, worauf es bei einem Vorstellungsgespräch ankommt
Auch darauf kann es in einem Vorstellungsgespräch ankommen.
Eineinhalb Stunden dauert so ein Kurs in der Woche. Übrigens außerhalb der Schulzeit, was Interesse und Engagement voraussetzt. Was auf dem Programm steht, beschreibt die bei den Maltesern für das Projekt verantwortliche Marion Wiemann.
"Da geht es um Outfit, es geht um Tischkultur, es geht um das Vorstellungsgespräch. Es geht um Körpersprache, Stimmeinsatz, um das sich Vorstellen, Bedanken, Begrüßen."
Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck
Eine der Trainerinnen ist die Schauspielerin Maria Wolf. Für den ersten Eindruck, den man erweckt, sagt sie, gibt es schließlich keine zweite Chance. Also übt sie mit den Schülerinnen und Schülern, wie man sich ordentlich artikuliert, welche Rolle die Körpersprache spielt und: wie man wem die Hand gibt.
"Die richtige Distanz ist wichtig. Also dass ich jemandem nicht zu nahe komme. Auf Faustlänge sagt man, auf Armlänge. Nicht zu weit oben, nicht zu weit unten. Nicht Pfötchen geben. Augenkontakt natürlich."
16 ehrenamtliche Benimmtrainer hat Marion Wiemann für die Malteser rekrutieren können. Inge Donschen etwa, die schon lange zum Trainer-Team gehört, ist überzeugt, mit ihrem Engagement Jugendlichen auf deren Lebensweg weiter helfen zu können.
"Ich hatte einfach sehr viel Glück in meinem Elternhaus, dass man mir viel beigebracht hat. Und dieses Wissen möchte ich an die jungen Leute weitergeben, weil es leider immer noch sehr an Wertschätzung fehlt. Da hoffe ich, den jungen Leuten ein bisschen Starthilfe geben zu können."
Das richtige Verhalten bei Tisch
Auch in puncto Tischmanieren. Da geht es zum Beispiel unter Anleitung der 55-jährigen Manuela Zaback darum zu wissen, zu welchem Glas man bei welchem Getränk greift, in welcher Reihenfolge man bei einem mehrgängigen Essen die aufgelegten Bestecke nutzt.
"Ich sag mal, so ein gedeckter Tisch, ganz klassisch, den kennen die Jugendlichen meistens gar nicht. Und insofern, dass man von außen nach innen isst, diese klassischen Sachen. Das kriegen die Zuhause ja nicht so vermittelt. Und finden das toll. Das ist ja auch der Abschluss."
Zum Abschluss eines Kurses setzen die Teilnehmer ihre erlernten Fähigkeiten bei einem abendlichen Drei-Gänge-Menue in einem gutbürgerlichen Restaurant mit Stoffservierten sowie diversen Messern und Gabeln um. Und manchmal, so Marion Wiemann, führt das Abschluss-Essen zu einem Berufseinstieg.
Zertifikat zum Abschluss
"Wir haben auch Hotels, in denen wir diese Essen geben, die dann eben vorab die Schüler auch durch die Räume führen und versuchen darüber auch, mögliche Auszubildende zu akquirieren. Was natürlich auch sehr schön ist."
Viele Arbeitgeber wissen die erworbenen Benimm-Kompetenzen zu schätzen. Darum erhalten die Absolventen nach erfolgreicher Teilnahme auch ein Zertifikat für ihre Bewerbungsunterlagen.
Und weil man gutes Benehmen früh genug erlernen sollte, haben sich die acht Schülerinnen des neunten Jahrgangs der Pestalozzi-Realschule in Bochum-Wattenscheid dazu entschlossen, ihre erworbenen Kompetenzen an jüngere Schüler nach den Sommerferien weiterzugeben. Anna-Lena ist sich bewusst, dass das eine Herausforderung darstellt, baut dabei jedoch auf eigene Erfahrungen:
"Man muss sich erst einmal Respekt verschaffen bei den Schülern, das ist klar. Aber ich denke, wir sind eine starke Gruppe – und wir schaffen das."