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Bergbauunglück in Brasilien
"Alles, was nicht flüchten kann, ist dem Untergang geweiht"

Nach dem Dammbruch in einer Eisenerzmine im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais ist massenhaft Klärschlamm in den Rio Doce gelaufen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärt der Freiberger Bergbauprofessor Carsten Drebenstedt, was die Folgen des Unglücks in der Eisenerzmine sein können.

Carsten Drebenstedt im Gespräch mit Jule Reimer | 30.11.2015
    Eine giftige Schlammlawine hat Teile des brasilianischen Dorfes Paracatu de Baixo im Bundesstaat Minas Gerais begraben.
    Eine giftige Schlammlawine hat Teile des brasilianischen Dorfes Paracatu de Baixo im Bundesstaat Minas Gerais begraben. (AFP / Douglas Magno)
    Jule Reimer: Sie haben wahrscheinlich alle die Bilder in den Nachrichten, auf Twitter oder YouTube gesehen: Wie eine breite braune Brühe ergießt sich derzeit in Brasilien der Fluss Rio Doce in den Atlantik, nachdem vor fast vier Wochen im Inland der Damm eines Rückhaltebeckens einer Eisenerzmine gebrochen war.
    Jetzt streiten Anwohner, Brasiliens Regierung und der Betreiber Samarco - das ist ein Tochterunternehmen der Bergbauriesen Vale und BHP Billiton - darum, wie giftig die braune Brühe sein könnte, denn andere Bergbauformen, zum Beispiel der Abbau von Gold, sind berüchtigt für den Einsatz von Cyanid und für giftige Restbestände an Schwermetallen.
    Doch wie wird Eisenerz normalerweise abgebaut? Darüber will ich jetzt mit Carsten Drebenstedt sprechen, Professor an der Bergakademie Freiberg. Herr Drebenstedt, wie funktioniert's?
    Carsten Drebenstedt: Es gibt ganz unterschiedliche Lagerstätten, die Eisenerz tragen. Am einfachsten sind solche, die recht hohe Eisenerzkonzentrationen aufweisen, wie zum Beispiel in Australien in der Region Pilbara. Da wird das Material einfach gesprengt, zerkleinert, aufgeladen auf Züge, auf dem Hafen in Schiffe verladen und dann geht es ab ins Stahlwerk.
    Andere Eisenerz-Lagerstätten haben es da schon etwas komplizierter. Sie sind, wir sagen als Bergleute, verwachsen mit anderem Gestein und müssen demzufolge aufbereitet werden. Das heißt vor allen Dingen zerkleinert und im Anschluss die guten von den schlechten Teilchen getrennt werden.
    Dafür gibt es zwei Technologien. Das eine ist, zunächst durch Schwerkraft beziehungsweise durch Magnetismus das Nutzmineral auszuweisen, und die zweite ist eine Flotation. Das heißt, durch Zugabe von entsprechenden Reagenzien wird die Trennung der Teilchen ebenfalls realisiert.
    "Keine Kontaminanten enthalten, die gefährlich wären für Leben oder Gesundheit"
    Reimer: Das heißt, da wird dann keine Chemie, keine Schwermetalle, kein Gift eingesetzt?
    Drebenstedt: Ja, vom Grundsatz her sind die Eisenerz-Herkunftslagerstätten so beschaffen, dass keine Schwermetalle in Größenordnungen vorkommen. Es gibt natürlich immer Begleitminerale. Wir nennen das auch den geologischen Hintergrund. Gerade in der Region Belo Horizonte, was ja praktisch das Bergbauherz in Brasilien ist, wird ja alles abgebaut. Da finden Sie neben den Eisenerz-Lagerstätten auch Lagerstätten zum Abbau von Gold, von Palladium, von Uran, von Blei und Zink. Das ist eine sehr rohstoffreiche Region und da kommen natürlich auch ganz andere chemische Elemente vor. Aber im klassischen gebänderten Eisenerz, wie er dort vorkommt, sind eigentlich keine Kontaminanten enthalten, die gefährlich wären für Leben oder Gesundheit.
    Reimer: Woher kommt dann das Fischsterben? Und als Trinkwasser kann man das Wasser ja jetzt auch nicht mehr nutzen.
    Drebenstedt: Ja. Ich erwähnte schon, dass, wenn man die komplexen Erze aufbereiten möchte, man sie zunächst mahlen muss, aufmahlen muss, und das geschieht in Größenordnungen bis ungefähr 0,1, also in Zehntel-Millimeter, teilweise auch kleiner. Und wenn man dann die guten von den schlechten Teilchen getrennt hat, bleiben natürlich die schlechten Teilchen übrig. Die werden in sogenannte Rückstandsbecken, auch Tailings genannt, verbracht. Dort setzt sich das Feinmaterial ab und das Wasser wird abgeschöpft und geht wieder ins Recycling.
    Reimer: Das heißt, da haben wir dann das Problem: Diese Schwebstoffe im Wasser, die ersticken dann alles, was an Leben da ist durch den Dammbruch?
    !!Drebenstedt: Genau. Wenn jetzt so ein Damm bricht, ergießt sich dieses feingemahlene Material in den Fluss, wird mittransportiert, mitgerissen, und gerade Eisen in Kontakt mit Sauerstoff bildet auch Eisenhydroxid. Das ist eine braune Färbung, die wir übrigens auch in Deutschland manchmal in den Gewässern haben, wo Bergbau stattfindet. Da kann natürlich kein Licht mehr durch und auch die Kiemen der Fische werden beeinträchtigt und alles, was nicht flüchten kann, ist dann tatsächlich dem Untergang geweiht.
    "Es sind Konzentrationen von Arsen enthalten"
    Reimer: Und als Trinkwasser ist es auch nicht mehr brauchbar?
    Drebenstedt: Ja, es sind die Schwebteilchen enthalten. Ich hatte mir noch mal einige Analysenwerte angeschaut, die das Unternehmen auf die Homepage gestellt hat. Es sind Konzentrationen an bestimmten Stoffen enthalten wie zum Beispiel Arsen, allerdings nicht in Konzentrationen, die einen Verzehr, also einen Genuss als Lebensmittel verhindern würden, sondern es geht tatsächlich um eine Vorsorgemaßnahme, um erst mal alle Dinge abzuwenden, die da möglich wären, und vor allen Dingen die Schwebstoffe abzufiltern.
    Reimer: Schönen Dank! - Das war Carsten Drebenstedt, Bergbauprofessor an der Bergakademie Freiberg, über den Eisenerzbergbau. Und wir werden natürlich beobachten, was bei den Untersuchungen auf giftige Stoffe in Brasilien herauskommen wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.