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Bergen oder verfüllen?

Vorgeblich als Versuchslager 1967 in Betrieb genommen entwickelte sich das niedersächsische Atommülllager Asse schnell zum ultimativen Atomklo der Bundesrepublik. Viele der dort eingelagerten 126.000 Fässer mit radioaktivem Müll sind mittlerweile leck. Ein Lex Asse soll regeln, was mit dem Atommüll geschieht.

Von Christel Blanke | 12.12.2012
    Remlingen, Landkreis Wolfenbüttel in Niedersachsen. Hier, zwischen Wald und Feldern, befindet sich die Schachtanlage Asse II. Früher Kali- und Salzbergwerk. Heute eines der größten Umweltprobleme der Republik. Rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen wurden dort eingelagert. Müll aus Kernkraftwerken, Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen - wie es offiziell heißt.

    Doch was genau in den Fässern ist, weiß niemand. Bekannt ist dagegen wenig Erfreuliches. Viele der Fässer wurden einfach mit Schaufelbaggern in tiefe Löcher geschüttet. Etliche sind verrottet und leck, die Anlage selbst droht einzustürzen. Tag für Tag laufen unkontrolliert rund 12.000 Liter salzhaltiges Wasser in das Bergwerk hinein. Für die Menschen in der Region ist klar: Der Müll muss raus und zwar so schnell wie möglich. Anwohner fordern:

    "Das es ganz schnell vorangeht und zwar, dass parallel gearbeitet wird."

    Auf Initiative der grünen Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl haben Vertreterinnen aller Fraktionen im Bundestag gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium einen Gesetzentwurf erarbeitet, um die Bergung des Mülls aus der Asse zu beschleunigen. Ein einmaliges Vorgehen, das aus Sicht der Beteiligten auch deshalb erfolgreich war, weil ausschließlich Frauen beteiligt waren. Die SPD-Politikerin Ute Vogt:

    "Das ist vielleicht ein bisschen wie im Reich der Tiere: Die Hähne plustern sich auf und krähen laut, und währenddessen legen Hennen die Eier."

    Um die Rückholung zu beschleunigen, sollen einige Arbeiten künftig schon während laufender Genehmigungsverfahren beginnen können. Allerdings ist nicht klar, ob eine Bergung überhaupt möglich ist, denn sie wäre schwierig und gefährlich. Arbeiter könnten freigesetzter Strahlung ausgesetzt werden. Außerdem könnte der marode Zustand des Bergwerks einer Bergung im Wege stehen. Deshalb wird die Rückholung im Gesetzentwurf als Vorzugsoption bezeichnet. Es wird aber auch definiert, so Sylvia Kotting-Uhl, in welchem Fall darauf verzichtet werden müsste:

    "Weil zum Beispiel der Strahlenschutz nicht mehr vollständig eingehalten werden kann. Wenn ein solcher Fall eintritt, dann wird abgewogen."

    Andreas Riekeberg ist das zu wenig konkret. Der Sprecher der Asse-II-Begleitgruppe ist skeptisch:

    "Die Rückholung ist nur eine Vorzugsoption, und es werden dann verschiedene Wege, Abbruchkriterien, benannt, wie man aus dieser Rückholung aussteigen kann, und das klingt uns doch sehr verdächtig, dass man dann elegant sich aus der Verantwortung stehlen kann, den Atommüll drin lässt und die Flutung einleitet."

    Mehrere Experten empfehlen genau das: den Müll drin lassen. Diskutiert wird, Barrieren aus Beton vor den Kammern mit Atommüll zu errichten oder den gesamten Stollen zu verfüllen. Während die Anwohner fürchten, dass die radioaktive Brühe ins Grundwasser gelangen könnte, gibt der Strahlenschutzexperte Joachim Breckow zu bedenken, dass der zurückgeholte Müll jahrzehntelang in ein Zwischenlager müsste, denn ein Endlager gibt es bisher nicht. Jörg Röhmann, Landrat von Wolfenbüttel und Vorsitzender der Asse-II-Begleitgruppe, fordert, dass die Anwohner in die Entscheidung einbezogen werden:

    "Wir fordern, dass wir dort mit all unserem Know-how und auch unserem Engagement beteiligt werden. Weil nur das ein vielleicht kleines Stückchen mehr Vertrauen schaffen kann."

    Am 20. Februar soll es eine öffentliche Anhörung geben, bevor das Gesetz im März dann endgültig verabschiedet werden soll. Mindestens vier Milliarden Euro würde eine Rückholung des Atommülls wohl kosten. Zahlen muss der Bund. Die Opposition konnte sich nicht mit der Forderung durchsetzen, die Verursacher des Mülls an den Kosten zu beteiligen. Stattdessen soll das Geld nun über die Brennelementesteuer wieder hereinkommen.