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Bergsturz in den Alpen
Klimawandel lässt Permafrost-Boden bröckeln

Der gewaltige Bergsturz im schweizerischen Graubünden hat drastisch vor Augen geführt, was Forscher schon länger beobachten: Die Permafrost-Böden verändern sich. Und der Mensch sollte sein Bau- und Wanderverhalten anpassen.

Von Dietrich Karl Mäurer | 29.08.2017
    Das schweizerische Dorf Bondo nach dem Bergsturz
    Nach einem Bergunfall in der Schweiz wird drastisch deutlich: Der alpine Permafrostboden taut immer stärker an. (AFP/ Miguel Medina)
    Mit lautem Getöse donnern Gesteins- und Schlammmassen talwärts und reißen alles mit - Autos, Bäume, ganze Gebäude. Experten sagen: So ein Bergsturz wie der am Piz Cengalo kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Ein Grund: hohe Temperaturen in Folge des Klimawandels. Sie lassen den alpinen Permafrostboden immer stärker antauen. Jeanette Nötzli vom Schnee- und Lawinen-Insitut (DLF) Davos dokumentiert diesen Prozess:
    "Wir messen Untergrundtemperaturen in Bohrlöchern, wir messen die Veränderungen vom Eisgehalt im Boden und wir messen die Kriechgeschwindigkeit von Blockgletschern und bei allen drei Komponenten sehen wir, dass sich das Eis erwärmt in den letzten Jahren."
    "Eis, das wärmer wird, hat eine kleinere Festigkeit"
    In der Folge dieser Erwärmung verliert manch stolzer Berg seinen Halt. Jeanette Nötzli sagt:
    "Man weiß, dass Eis, das wärmer wird, eine kleinere Festigkeit hat. Bei einem Bergsturz oder Felssturz, da braucht es immer viele verschiedene Faktoren, aber, dass das Eis nicht mehr so fest ist wie bei kälteren Temperaturen oder dass irgendwo etwas schmilzt und Wasser hinein läuft, das kann einer der Faktoren dann sein."
    Bauherren sollten sich mit dem Permafrost arrangieren
    Das wiederum kann zur Gefahr für die Menschen in den Bergregionen werden. Wer in der Permafrostzone zum Beispiel eine Seilbahn oder ein Ausflugsrestaurant bauen will, muss auf die Entwicklung reagieren, so Nötzli:
    "Das SLF hat einen Leitfaden herausgegeben zum Bauen im Permafrost, wo verschiedene Empfehlungen formuliert wurden, welche Untersuchungen man machen sollte oder wie man bauen sollte, dass zum Beispiel ein Masten sich genügend bewegen kann oder dass man den Untergrund nicht unnötig aufwärmt mit geheizten Gebäuden zum Beispiel."
    Schutzwald, Lawinenverbauung, Gefahrenzonen-Planung
    Auch in tiefer gelegenen Gebieten, überall dort, wo Bergstürze, Murgänge, Lawinen oder Überflutungen drohen, sind Warnsysteme und bauliche Schutzmaßnahmen nötig, sagt Christian Wilhelm vom Schweizer Amt für Wald und Naturgefahren. Gefragt sind hier sowohl Behörden als auch private Bauherren:
    "Wenn wir bei der Behörde anfangen, gibt es den Schutzwald, den man pflegen muss, der gegen die verschiedenen Naturgefahren wirken kann. Es gibt auch verschiedene Verbauungen, Lawinenverbauungen, Bachverbauungen etc., also bauliche Maßnahmen. Und natürlich als wichtige Sache auch die Gefahrenzonen-Planung, wo man sieht, wo man bauen darf oder nicht bauen darf. Ein Bauherr selber, der kann natürlich an seinem Haus bauliche Maßnahmen treffen, er kann Eingänge höher stellen, dass das Wasser nicht direkt reinrinnt. "
    Veränderte Naturgefahren verändern Wanderwege
    Selbst der Verlauf von Wanderwegen wird an die Gefahr von Felsstürzen und Steinschlägen angepasst, so im Schweizer Fernsehen Pietro Cattaneo vom Verband Schweizer Wanderwege:
    "Das macht alles ein bisschen unberechenbarer oder schwieriger zu beurteilen, weil neue Situationen dazukommen. Es ist aber wichtig zu betonen, dass das Wanderwegnetz selber geplant wird und bei dieser Planung die Situation auch im Zusammenhang mit den Naturgefahren abgeklärt wird."
    Mensch darf bleiben - muss aber die natürlichen Fakten respektieren
    Die Bewohner im Alpenraum müssen sich der Risiken bewusst werden und auf drohende Gefahren reagieren. Das macht das Bauen aufwändiger und teurer. Doch - so hört man immer wieder - aus den Alpen zurückziehen, muss sich der Mensch nicht.