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Bericht über CIA-Folter
"Juristische Aufarbeitung nicht nur in den USA"

Der Bericht über Folter in Verhören der CIA müsse strafrechtliche Konsequenzen haben, fordert Barbara Lochbihler von den Grünen. Die Europapolitikerin sagte im Deutschlandfunk, auch europäische Staaten hätten bei der Folter mitgeholfen - dort müsse die Justiz ebenfalls aktiv werden.

Barbara Lochbihler im Gespräch mit Friedbert Meurer | 10.12.2014
    Die Vorsitzende des EU-Menschenrechtsausschusses, Barbara Lochbihler (Grüne) in einer Fernseh-Talkshow.
    Die Vorsitzende des EU-Menschenrechtsausschusses, Barbara Lochbihler (Grüne). (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    "Auch andere Staaten waren bei der Verschleppungen von Verdächtigen und der Einrichtung von Geheimgefängnissen beteiligt", sagte Lochbihler. Sie sprach Italien und Polen an und beklagte, dass dort die Existenz dieser Gefängnisse dementiert wird. Dort sei die Justiz vor Ort gefragt. "Wenn man Folter bekämpfen will, muss man auch strafrechtliche Konsequenzen ziehen."
    Gleiches gilt für die USA, der Internationale Strafgerichtshof könnte mangels Anerkennung durch die Amerikaner nicht aktiv werden. Den Bericht über die Praktiken der CIA bezeichnete sie wegen der besonderen Gründlichkeit der Recherche als ein "einzigartiges Dokument".

    Friedbert Meurer: Nichts hat dem Ansehen der USA in den letzten Jahren so sehr geschadet wie die Berichte über Folter und Misshandlungen von Häftlingen während des Irak-Krieges. In dieser Zeit wurde zum Beispiel das Waterboarding bekannt. Dann kamen Fotos dazu von GI's oder CIA-Agenten, Beamten, die ihren Spaß daran hatten, Häftlinge hinter Gittern zu quälen oder zu demütigen. Gestern Abend wurde in den USA ein Untersuchungsbericht veröffentlicht über die von der CIA praktizierte Folter. Die Republikaner sehen die nationale Sicherheit in Gefahr; andere aber sagen, wie zum Beispiel US-Präsident Obama, die Aufarbeitung ist einfach zwingend.
    Barbara Lochbihler ist die außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Sie war früher jahrelang die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland. Guten Morgen, Frau Lochbihler.
    Barbara Lochbihler: Guten Morgen.
    Meurer: Was überwiegt bei Ihnen, die Abscheu vor der US-Folter oder die Genugtuung, dass die Wahrheit jetzt ans Licht kommt?
    Lochbihler: Es ist wichtig, dass aufgeklärt wird. Vieles wussten wir schon. Aber durch die Länge und Gründlichkeit der Recherche ist das natürlich ein einzigartiges Dokument. Was daraus folgt, ist aber auch - und da sträubt sich ja die US-Regierung -, dass man sich fragt, was sind die strafrechtlichen Folgen davon. Der Justizminister hat gesagt, es ist ja alles im Namen der nationalen Sicherheit geschehen, von der CIA-Führung und dem Weißen Haus gebilligt, also kann man die Mitarbeiter der CIA nicht belangen, außer sie hätten zusätzlich noch etwas gemacht. Aber wenn man wirklich Folter bekämpfen will und auch die Rechte der Opfer sieht, dann muss man auch strafrechtliche Konsequenzen ziehen.
    Meurer: Der Bericht oder der Auszug aus dem Bericht, muss man ja genauer sagen, teilt ja mit, dass es die Einschätzung gibt, dass die Folter nicht dazu geführt hat, dass die Amerikaner relevante Erkenntnisse erhalten haben über Anschläge beispielsweise. Wie wichtig ist Ihnen dieser Aspekt?
    Lochbihler: Das ist sehr wichtig, weil immer auch in der Vergangenheit, als unter der Bush-Zeit ja auch in Deutschland debattiert wurde, müssen wir in Ausnahmesituationen nicht auch Folter zulassen, um sicherheitsrelevante Informationen zu bekommen, ist immer gesagt worden, es ist notwendig. Wenn wir so etwas in Ausnahmesituationen nicht machen würden, hätten wir ein Weniger an Sicherheit. Und dass das erneut nicht stimmt, das finde ich sehr gut, dass man das in diesem Bericht selber sagt, eben auch von CIA und den doch sehr seriösen Mitarbeitern der demokratischen Partei, die diesen Bericht recherchiert haben, und das sollten wir auch in Erinnerung behalten, wenn es wieder ansteht zu sagen, man muss Menschen foltern und so vorgehen, um Terror zu bekämpfen. Das bringt nichts.
    "Bericht hat auch für Europa Konsequenzen"
    Meurer: Jetzt ist der Bericht da, Frau Lochbihler. Fordern Sie eine juristische Aufarbeitung, Anklagen in den USA?
    Lochbihler: Ja, das fordere ich in den USA selber. Aber der Bericht hat auch für uns in Europa Konsequenzen, weil dort wird natürlich auch in dem Bericht darauf eingegangen, dass auch andere Staaten bei diesen Verschleppungslügen, bei der Einrichtung von Geheimgefängnissen beteiligt waren. Auch das wissen wir. Wir haben im Europäischen Parlament 2012 und 2013 Berichte verfasst, die darauf eingehen, dass wir Geheimgefängnisse hatten, in Polen, in Rumänien, Litauen, dass Staaten wie auch Schweden, Italien und Großbritannien bei diesen Verschleppungslügen beteiligt waren, und deshalb muss man auch hier schauen, in welcher Form war wer wie beteiligt, und eventuell kann man hier auch noch Konsequenzen ziehen.
    Meurer: Welche Konsequenzen stellen Sie sich vor gegen Polen oder Italien?
    Lochbihler: Zum Beispiel muss die Regierung das akzeptieren, was als Recherche und Fakten auf den Tisch gelegt wird. Auch seitens der polnischen Regierung wird eigentlich immer noch bestritten, dass es da mit Wissen auch hoher Regierungsvertreter ein Geheimgefängnis gegeben hat. Und dann muss man schauen, wer, welcher Mensch war daran beteiligt, weil er hat ja dazu beigetragen, dass es zu Folter gekommen ist. Und dann muss man strafrechtlich dagegen vorgehen.
    Meurer: Strafrechtlich jeweils in dem betreffenden Land?
    Lochbihler: Ja, weil das sind alles Länder, die eine funktionierende Justiz haben. Und sollten die das ablehnen, dann muss man natürlich schauen, ob man andere Gerichte anrufen kann.
    Meurer: Wenn wir jetzt noch mal auf die USA selbst schauen. George W. Bush hat in einer ersten Reaktion davon gesprochen, CIA-Agenten sind Patrioten, die dürfen nicht herabgewürdigt werden. Unser Korrespondent sagt, wenn man dann genau hinhört, er hat die Folter nicht verteidigt. Fordern Sie trotzdem ein juristisches Vorgehen gegen den früheren Präsidenten der USA?
    Lochbihler: Ja, und nicht nur gegen ihn, auch gegen zum Beispiel den Herrn Rumsfeld. Er ist mir ja sehr gut in Erinnerung. Als es deutlich wurde, dass man die Gefangenen ganz lange in Stresspositionen gehalten hat, mit Schlafentzug und so weiter, hat er gesagt, ja, das kommt vor. Aber er steht auch sehr lange bei seiner Berufsausübung. Er hat eigentlich da immer noch geleugnet, dass das Folter oder inhumane und grausame Behandlung ist. Deshalb ist es der Präsident, wenn er das angeordnet hat, aber auch die Leiter des CIA's und andere Ministerien.
    "Es darf keine Straflosigkeit geben"
    Meurer: Es sieht nicht danach aus, dass es in den USA zu einem Prozess oder zu weiteren juristischen Untersuchungen kommt. Ist das ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof dann?
    Lochbihler: Das ist in dem Fall nicht möglich, weil die USA das Statut nicht unterzeichnet hat. Dann kann der Strafgerichtshof dort nichts tun. Ich habe gut auch in Erinnerung, dass von Italien aus Menschen gekidnappt wurden, dann über Ramstein in Deutschland, dieser Militärbasis, in die USA verbracht wurden. Da gibt es Einzeluntersuchungen. Da weiß man auch, welche CIA-Mitarbeiter daran beteiligt waren, und die könnte man zum Beispiel in Deutschland vor ein Gericht stellen. Aber die damalige Ministerin Zypries hat schon gesagt, sie wird da gar keinen Antrag stellen, dass man diese Mitarbeiter aus der USA nach Deutschland verbringt, weil die USA so etwas nicht tut. Aber genau diese Forderungen muss man jetzt wieder auf den Tisch legen, denn wenn man es wirklich ernst meint mit der Bekämpfung von Folter, und auch, dass die CIA das zukünftig nicht mehr tun wird, muss man wirklich das bekämpfen und da darf es keine Straflosigkeit geben.
    Meurer: Man kann ja sagen, das sind ja nur die kleinen Fische, die Sie jetzt angesprochen haben. Was ist mit Bush, Rumsfeld, Cheney? Was kann man da machen?
    Lochbihler: Ich meine nicht nur die kleinen Fische; ich meine die ganze Befehlskette. Ich finde, man kann sich nicht hinter den Interessen der nationalen Sicherheit verstecken, wenn es um so schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter geht. Man muss das erst mal politisch wieder thematisieren und dann muss man schauen, weil ja eben da auch Menschen in anderen Ländern, oder wenn sie durch andere Länder verschleppt wurden, dann kann man sie vielleicht auch dort anklagen.
    Meurer: Barbara Lochbihler, die außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk zu möglichen Konsequenzen, die jetzt zu ziehen sind aus dem Folterbericht, der in den USA veröffentlicht wurde. Frau Lochbihler, schönen Dank für die Zeit, die Sie hatten. Auf Wiederhören nach Brüssel.
    Lochbihler: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.