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Bericht zum Judenhass
Israels Blick auf europäischen Antisemitismus

Das Forum gegen Antisemitismus beobachtet von Jerusalem aus Judenhass in aller Welt. Fast 80 Prozent der antisemitischen Straftaten in Europa werden demnach von muslimischen Einwanderern begangen. Mit Blick auf Deutschland gibt es besondere Sorgen.

Von Tim Aßmann | 22.11.2018
    Zahlreiche Menschen nehmen an einem Trauermarsch für die getötete Holocaust-Überlebende Knoll in der französischen Hauptstadt teil.
    Trauermarsch im Frühjahr 2018 für die getötete Holocaust-Überlebende Mireille Knoll in Paris. Der gewaltsame Tod der 85-jährigen Jüdin hatte Frankreich erschüttert und weltweit Aufsehen erregt (dpa-Bildfunk / AP / Thibault Camus)
    Yogev Karsantys Job ist, wachsam zu sein. Von Jerusalem aus beobachtet, registriert, analysiert und zählt Karsanty antisemitische Vorfälle. Er ist Direktor des Forums gegen Antisemitismus der israelischen Regierung.
    Auf der Homepage der Behörde wird laufend über Übergriffe gegen Juden in aller Welt berichtet und auch generell über Vorfälle, die die Experten in Jerusalem als antisemitisch einstufen. Auf der Internetseite können auch Vorfälle gemeldet werden.
    Wer sich die Seite anschaut, bekommt ein Gefühl dafür, wie hoch die Sensibilität in Israel ist. Auf der Webseite wird natürlich über das Attentat auf eine Synagoge im US-amerikanischen Pittsburgh berichtet, aber auch darüber, dass an einem Holocaust-Mahnmal in Hannover die Scheinwerfer zerstört wurden.
    Gefährlicher Trend
    Einmal im Jahr veröffentlichen Yogev Karsanty und sein Team einen Antisemitismusbericht. Mit Blick auf Europa warnte Karsanty bei der Vorstellung des letzten Berichtes erneut vor einem gefährlichen Trend.
    "40 Prozent der Europäer über 16 sind bereit zu glauben, dass das, was Nazi-Deutschland den Juden antat, das ist, was Israel heute mit den Palästinensern macht. Das hat mit dem letzten Gaza-Krieg und den Nachrichten zu tun, die aus Israel kommen. Dies sind besorgniserregende Daten und zeigen in welche Richtung der Kontinent geht."
    Wachsender Antisemitismus hat für die israelischen Experten überwiegend mit der arabischen Bevölkerung in den Staaten Europas zu tun. So sah es auch Yogev Karsanty als er den Antisemitismusbericht 2017 präsentierte.
    "Fast 80 Prozent der antisemitischen Straftaten in Europa werden von muslimischen Einwanderern begangen. Das ist eine Folge der erhöhten Einwanderung aus dem Nahen Osten in europäische Länder und der Hetze, die über Satelliten– Sender und über Hetzer aus dem Nahen Osten in die muslimischen Gemeinden in Europa getragen wird. Sie sind im Grunde genommen diejenigen, die diese Stimmung, die schließlich zu Angriffen gegen jüdische Gemeinden führt, herstellen."
    Mit Blick auf Deutschland ziehen viele Israelis auch den Zusammenhang zwischen wachsendem Antisemitismus und der Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, fasst die Haltung seiner israelischen Gesprächspartner auf Regierungsebene so zusammen.
    "Es gibt die Sorge natürlich, dass jetzt Menschen in Deutschland leben, in sehr großer Anzahl, die in Ländern sozialisiert wurden, die ja teilweise noch im Kriegszustand mit Israel sind, wo Bilder von Israel und Juden an der Tagesordnung sind, um nicht zu sagen Staatsdoktrin fast sind, die problematisch sind, die in keiner Weise mit unserer Werteordnung zu vereinbaren sind und da gibt es schon die Erwartung, dass wir hier verstärkte Integrationsmaßnahmen durchführen."
    Auch Pinchas Goldschmidt hat festgestellt, dass europäischer Antisemitismus in Israel häufig, als etwas gesehen wird, das fast ausschließlich mit Muslimen zu tun hat. Der gebürtige Schweizer Pinchas Goldschmidt ist Oberrabbiner von Moskau. Bei Gesprächen in Israel bemerkt er regelmäßig:
    "Die sehen das Problem des Antisemitismus viel mehr von der extremen, militanten islamischen Seite. Die sehen nicht, dass das Problem des rechtsradikalen Antisemitismus nicht weniger ein Problem ist, wie das erste Problem."
    "In Europa wächst eine neue Art des Antisemitismus heran"
    Oberrabbiner Goldschmidt weiß viel über antisemitische Vorfälle in Europa. Er kennt die Stimmung in den jüdischen Gemeinden, kennt die Ängste und weiß um die enormen Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen werden. Goldschmidt ist Präsident der europäischen Rabbinerkonferenz und er hat die Sorge, dass die Gefahren durch Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa von einigen israelischen Politikern unterschätzt werden.
    "Wir wissen ja, dass verschiedene rechtsradikale Bewegungen und Parteien versuchen sich salonfähig zu machen und zu sagen, wir sind nicht antisemitisch, wir haben Israel gern. Und es gibt verschiedene, sagen wir nicht die Wichtigsten, aber es gibt verschiedene Leute in der israelischen Politik, die sagen, die sind bereit uns zu unterstützen, warum sollen wir nicht mit ihnen zu Bett gehen."
    Goldschmidt meint den Umgang von Teilen der israelischen Regierungskoalition mit rechtspopulistischen europäischen Parteien wie der deutschen AfD oder der FPÖ in Österreich. Als die Rechtspopulisten in Wien zur Regierungspartei wurden, reagierte die israelische Regierung eher zurückhaltend.
    Die Kontakte zu den FPÖ-geführten Ministerien wurden auf die Arbeitsebene reduziert. Das war alles. Zwischen Mitgliedern der Likud-Partei von Israels Regierungschef Netanjahu und der FPÖ gibt es schon seit Jahren Kontakte und gegenseitige Einladungen. Israels Staatspräsident Rivlin beobachtet solche Entwicklungen offenbar mit Sorge.
    "In Europa wächst eine neue Art des Antisemitismus heran. Diesmal in Form von rechtsnationalistischen politischen Kräften mit NS-Wurzeln, die auf dem ganzen Kontinent an Bedeutung gewinnen. Einige von ihnen scheinen mit Israel zu sympathisieren, aber sie hassen die Juden. Wir lassen uns dadurch nicht verwirren."