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Berichterstattung aus Russland
"Auf die WM beschränken"

Das Einreiseverbot für Hajo Seppelt nach Russland wirft ein Schlaglicht auf die Pressefreiheit im Zusammenhang mit der Fußball-WM. Werden Journalisten problemlos von dort berichten können? Dlf-Redakteur Matthias Friebe sagt - aus seiner Erfahrung mit dem Confed Cup: "Es geht alles - sofern man sich an die Regeln hält."

Matthias Friebe | 14.05.2018
    Beim Confed Cup 2017 spricht Miroslav Klose vom DFB-Trainerteam mit Journalisten.
    "Beim Confed Cup konnte man sich eigentlich frei bewegen und machen, was man wollte." (picture alliance / Christian Charisius/dpa)
    Isabelle Klein: Hajo Seppelt arbeitet für die ARD als Sportjournalist und Dopingexperte und wollte zur WM dieses Jahr eigentlich nach Russland reisen - um von dort zu berichten. Doch er darf nicht. Denn das Visum ist ihm vergangene Woche entzogen worden. Viele Politiker und Medienvertreter haben daraufhin massive Maßnahmen gegen den WM-Gastgeber Russland gefordert - und sahen den Fußballweltverband Fifa in der Pflicht. Ich habe vor der Sendung mit Matthias Friebe, aus der Dlf-Sportredaktion gesprochen, wie es aktuell die Chancen steht, dass Hajo Seppelt doch noch ein Visum bekommt.
    Matthias Friebe: Der Stand ist eigentlich noch unverändert. Also das Visum für Hajo Seppelt wurde für ungültig erklärt, weil er auf der Liste der unerwünschten Personen steht, wie man ihm auch mündlich mitgeteilt hat. Er wird, Stand jetzt, nicht zur Weltmeisterschaft fahren können, weil ihm die Einreise verweigert wird. Und jetzt wird gerade darüber diskutiert, inwieweit man da jetzt über diplomatische Kanäle oder über die Sportverbände noch Einfluss nehmen kann, dass Russland dem nachkommt, was es eigentlich mit dem Fifa-Vertrag erfüllen müsste, nämlich: Journalisten den freien Zugang zu gewähren, um über die Weltmeisterschaft zu berichten.
    Klein: Ja, genau: Müsste sich nicht eigentlich Russland, das ja nur Ausrichter der WM ist, nicht der Veranstalter, an die Vorgaben halten, die vorab getroffen worden sind?
    Matthias Friebe (Deutschlandfunk – Aktuelles, freier Mitarbeiter) 
    Sportredakteur Matthias Friebe: Für den Deutschlandfunk bei der Fußball-WM in Russland. (Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré )
    Friebe: Eigentlich schon, deswegen sehen ja jetzt auch alle den Weltfußballverband am Zug. Mit dem ist der Vertrag geschlossen worden, die müssten jetzt darauf hinweisen, dass man da geltende Verträge bricht, eigentlich. Einige sehen auch den Deutschen Fußball-Bund am Zug, zumindest mal den Druck zu erhöhen. Das hat der DFB bislang nicht getan. Da gab es dann einen Tweet des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, der gesagt hat, er verweist an die Fifa, er könne jetzt nicht viel machen. Aber eigentlich, wenn man sich die Situation vorstellt: Der DFB ist der mitgliederstärkste Sportfachverband der Welt, kommt als Weltmeister nach Russland, ist also das sportliche Zugpferd dieses Turniers - da würde man doch zumindest mal eine Verurteilung erwarten. Das ist bislang noch nicht geschehen. Aber eigentlich sind jetzt die Sportverbände am Zug.
    Klein: Was lässt sich der Sportjournalismus bieten? Das hat Hajo Seppelt nach seinem Ausschluss als WM-Berichterstatter in Russland im Gespräch mit dem Dlf gesagt, das sei die Frage, die man sich jetzt stellen müsste. Wir haben ihn zu Beginn der Sendung gehört. Ja, wo werden Reißleinen gezogen?, fragt Hajo Seppelt. Was schätzen Sie?
    Friebe: Das ist natürlich eine ganz schwierige Geschichte, da jetzt Reißleinen zu ziehen. Das würde ja nur einen Effekt bringen, wenn man sich weltweit einig wäre. Wenn man weltweit sagen würde: Das geht uns zu weit, wir schränken die Berichterstattung ein, wir berichten - im Extremfall - gar nicht mehr über die Weltmeisterschaft. Aber so eine weltweite Solidarisierung, so einen weltweiten Pakt wird es nicht geben bei einer Weltmeisterschaft. Da stehen einfach zu viele Interessen aus den verschiedenen Ländern im Vordergrund. Und da wird dann auch, das muss man auch dazu sagen, der Sport im Mittelpunkt stehen, Da geht es dann wieder um Körpersprache, um Taktik, um Dinge, die auf dem Feld passieren. Und deswegen würde es eigentlich nur eine Reißleine, ein deutlich zu merkendes Zeichen geben, wenn man sich da weltweit absprechen würde.
    "Es wird möglich sein, relativ frei zu berichten"
    Klein: Auch Sie werden ja im Juni zur WM fahren und für den Deutschlandfunk berichten. Sie haben ein Visum, im Gegensatz zu Hajo Seppelt. Mit welchen Erwartungen gehen Sie denn jetzt nach dem Ausschluss von Hajo Seppelt journalistisch an die Sache?
    Friebe: Mein Visum habe ich tatsächlich schon ein Jahr lang. Da war ich sehr überrascht, das kann ich vielleicht an dieser Stelle sagen. Ich bin letztes Jahr zum Vorbereitungsturnier nach Russland gefahren, zum sogenannten Confed Cup, und habe bei meinem Visums-Antrag einen Antrag gestellt nur für den Confed Cup, nur für die paar Tage letzten Juni. Und dort hat man mir im Konsulat relativ deutlich zu verstehen gegeben, dass das Turnier sehr wichtig ist für Russland und dass man auch der Fifa eigentlich alles ermöglichen möchte. Und hat deswegen mein Visum direkt für das Jahr 2018 mitausgestellt - womit ich nicht gerechnet hatte. Und da war so eher die Sprachregelung, die Denkweise dahinter: Das ist uns sehr wichtig, für die Fifa machen wir alles. Dagegen steht jetzt natürlich der Fall Hajo Seppelt, der aber ja auch gerade ein Rotes Tuch in Russland ist, weil er dieses Staatsdoping aufgedeckt hat. Meine Erwartungen sind jetzt eigentlich nicht die, dass man in der Arbeit behindert wird in Russland. Ich glaube, das wird alles gehen, sofern man sich auch an die Regeln hält, die mit dem Visum verbunden sind, das heißt ich muss mich in der Berichterstattung auf das beschränken, was im Zusammenhang mit der WM steht. Wie das ausgelegt wird, ist eine andere Sache. Aber ich dürfte jetzt nicht, als Beispiel, nach Sibirien fahren und über die Situation der Landwirte dort berichten.
    Klein: Das ist dann natürlich auch Auslegungssache. Da könnte man auch erwarten, dass man vielleicht dann doch, wenn man ein bisschen zu kritisch berichtet, dass da gesagt wird, das gehört jetzt nicht mehr zur WM.
    Friebe: Also, beim Confed Cup konnte man eigentlich nichts beobachten, da konnte man sich eigentlich frei bewegen und machen, was man wollte. Bei der Weltmeisterschaft erwarte ich das an und für sich auch, weil einfach der Fokus noch viel, viel größer ist. Dieses Turnier letztes Jahr ist quasi untergegangen in Russland, was sportlich auch absolut bedeutungslos war. Ich glaube, dass es auch jetzt möglich sein wird, relativ frei zu berichten. Und was dann im Zusammenhang steht, wenn es Demonstration geben sollte von - meinetwegen Menschenrechtsorganisationen - gegen die Annektierung der Krim oder die aufmerksam macht auf die Situation der Menschenrechte insgesamt in Russland, die wegen der WM stattfindet - dann steht es ja im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.