Dienstag, 19. März 2024

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Berichterstattung über LGBTQ in Ungarn
Orbán wird es zu bunt

Der Streit um die Beleuchtung des Münchner Stadions zur Fußball-EM hat ein Schlaglicht auf ein neues Gesetz in Ungarn geworfen. Demnach wird die Berichterstattung über LGBTQ deutlich eingeschränkt. EU-Kommissionspräsidentin nannte das Gesetz eine Schande, für Journalisten könnte es die Arbeit deutlich erschweren.

Text: Sören Brinkmann / Stephan Ozsváth im Gespräch mit Michael Borgers | 23.06.2021
Etliche Menschen halten bei einer Protestkundgebung der Pride-Bewegung eine überdimensionale Regenbogenfahne.
Proteste der Pride-Bewegung und Berichterstattung über LGBTQ werden in Ungarn zunehmend erschwert (imago/ Xinhua/ Attila Volgyi)
Dass Sport und Politik nicht vollständig voneinander zu trennen sind, zeigt sich schon daran, dass weltweit Großereignisse von Despoten aber auch von demokratischen Staaten traditionell zur Selbstdarstellung genutzt werden: Chinas Staatsführung empfing die "Jugend der Welt" zu den Olympischen Spielen 2016, Wladimir Putin verfolgte in den russischen Fußballstadien etliche WM-Spiele 2018, und auch Deutschland zelebrierte seine Gastfreundschaft beim "Sommermärchen" 2006.
Deshalb werden am Rande von Sportveranstaltungen immer wieder Zeichen gesetzt – so, wie es die Politik auch für das Europameisterschaftsspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Ungarn geplant hatte. Doch der Vorschlag des Münchner Stadtrats, die Arena in den Regenbogenfarben zu beleuchten, wurde von der Uefa abgelehnt.

Zeichen setzen zum Pride Month

Zum einen sollte mit der Aktion auf den Pride Month aufmerksam gemacht werden, in dem weltweit Millionen Menschen für die Rechte der LGBTQ-Community demonstrieren. Zum anderen sollte Protest gegen ein vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz ausgedrückt werden, mit dem Information über bzw. Darstellung von Homosexualität teilweise verboten wird. Es gilt als Prestigeprojekt von Premierminister Viktor Orbán.
Dieses Gesetz könnte auch weitreichende Folgen für die Pressefreiheit im Land haben. Viele Medien befürchteten, so Korrespondent Stephan Ozsváth, dass unter dem Label Kindes- und Minderjährigenschutz der Zensur Tür und Tor geöffnet wird. Ozsváth berichtet aus dem ARD-Studio Wien insbesondere über die Lage in Ungarn.

Schwierige Recherchen

"Das Gesetz bezieht sich ja ausdrücklich auf den Schutz von Minderjährigen und zum Beispiel Medien, die vor 22.00 Uhr andere Lebensmodelle als die von Vater, Mutter, Kind und heterosexueller Liebe zeigen – die könnten vermutlich belangt werden. Denn es steht ausdrücklich im Gesetz: das ist jetzt verboten."
Für die Medien sei die Berichterstattung aus Ungarn ohnehin oft schwierig, sagte Stephan Ozsváth im Deutschlandfunk. Beispielsweise habe er den Inhalt des aktuellen Gesetzes aufwändig recherchieren müssen: "Ich verstehe nicht, warum die Regierung Orbán und der Pressesprecher, der sich zu allem Möglichen äußert, dann nicht einfach mal auf die Idee kommen, ein Resümee eines Gesetzes rauszugeben."

Einschränkung der Pressefreiheit

Die Pressefreiheit könnte durch das Gesetz eingeschränkt werden – auch für ausländische Medien. Als das Gesetz verabschiedet wurde, habe er an das Beispiel der Deutschen Welle gedacht, erklärte Ozsváth: "Die Deutsche Welle und deren Intendant hatten ja ganz explizit gesagt, dass sie mit ihrem neuen ungarischsprachigen YouTube-Kanal ganz gezielt auch "Regenbogenthemen" in Ungarn veröffentlichen will."
Das Fußballspiel Deutschland gegen Ungarn will Ungarns Premier Orbán nun übrigens nicht besuchen. Spöttisch sagen Kritiker: ihm wird es zu bunt.