Samstag, 20. April 2024


Berlin: Der ungewisse Status der Duldung

Wenn Mayala Mbungi die Filmaufnahmen seiner letzten großen Boxkämpfe vorführt, dann glänzen seine Augen voller Stolz. Als Mbungi noch für den Boxstall Spandau startete, holte er für die Berliner etliche Medaillen und Pokale. Unter anderem auch den Meistertitel im Halbmittelgewicht. Die Bilanz des 39-jährigen aus dem Kongo kann sich sehen lassen. Doch seine sportlichen Erfolge nützen ihm nichts, wenn es um seine Aufenthaltserlaubnis geht. So viel Ehre habe er dem Amateur-Boxsport gebracht, aber eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis für Deutschland bekommt er trotzdem nicht.

Von Christina Selzer | 05.05.2006
    " Ich habe bis heute keinen Aufenthalt bekommen. Und ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich kann nur beten und warten. Wir haben vor Gericht geklagt, und jetzt warten wir mal, was vom Gericht kommt. Ich bete jeden Tag zu Gott. Ich bin schon so lange hier. Und ich lebe seit Jahren mein Leben in Deutschland. "

    Vor 14 Jahren kam der Afrikaner nach Deutschland. Als Flüchtling aus dem Kongo, wo es unter Diktator Mobutu zu Massenprotesten und Verhaftungen kam.

    " Es gab eine große Demonstration in Kinshasa. Ich weiß noch genau, es war der 16.Januar 1992. Mobuto war damals ein schlimmer Diktator. Ich lief vorne mit. Dann wollten wir weggelaufen, dabei sind viele Leute getötet worden. Ich selbst wurde verletzt. Sieh mal, ich habe noch eine Wunde hier am Hinterkopf. Sie haben mich gefesselt und geschlagen. Sie haben mit uns gemacht, was sie wollten. "

    Mbungi kämpft mit Hilfe einer Anwältin um eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Vor vier Jahren wurde sein Asylantrag abgelehnt. Jetzt liegt sein Fall erneut bei der Härtefallkommission. Mbungi wartet auf die letzte Entscheidung des Gerichts. Während er früher immer eine Duldung für jeweils ein halbes Jahr bekam, muss er jetzt alle vier Wochen zur Ausländerbehörde, um die Duldung verlängern zu lassen. Ein Leben in der Warteschleife. Ohne Perspektive. Immer droht die Abschiebung in den Kongo, in ein Land, das ihm fremd geworden ist.

    " Ich weiß nicht, wie die Menschen dort sind. Ich habe mein Land vor langer Zeit verlassen. Ich habe dort keinen Kontakt. "

    Ob er Pläne macht? Mbungi zuckt nur mit den Schultern. Box-Trainer werden, ja das könnte er sich sehr gut vorstellen. Das Problem ist aber der Aufenthalt. Wegen seiner Duldung ist es unmöglich, langfristig zu planen. Mit dem Boxen verdient er sich ein paar Euro. Abends arbeitet der Kongolese noch als Türsteher in einer Diskothek. Denn Sozialhilfe will er nicht. Seinen Lebensunterhalt möchte er sich selbst verdienen.

    Mbungi hofft, dass sich seine Lage zum Besseren wendet. Und das liegt wohl auch an Horst Böhmer. Böhmer bietet in dem deutsch-afrikanischen Treff, dem 'Remix-Club' unter anderem Beratungen in Aufenthaltsfragen an.

    Böhmer hat über Jahre das Verfahren von Mbungi begleitet. Er hat bei der Suche eines Anwalts geholfen und macht immer wieder Mut. Niemand, sagt Böhmer, niemand verlasse seine Heimat freiwillig, sondern, weil er in Not sei. Weil er seine Existenz nicht mehr sichern könne, ob aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen. Deshalb ärgere er sich darüber, wenn über so genannte Wirtschaftsflüchtlinge berichtet werde. Als politisch verfolgt wird in Deutschland nur ein Prozent der Asylbewerber anerkannt. Und die anderen?

    " Der Rest bekommt Anerkennung von Abschiebe-Hindernissen: aus humanitären Gründen, aus gesundheitlichen und aus Gründen, die gegenwärtige Passlosigkeit bedeuten, dass durch den Herkunftsstaat keine Pässe ausgestellt werden oder nur sehr schwer zu erlangen sind oder andere Dokumente fehlen. "

    Wie im Fall des 19jährigen Süliman Giallo aus Sierra Leone, den Horst Böhmer ebenfalls betreut. Er hat weder Papiere noch jemanden in Sierra Leone, der ihm bestätigen kann, dass er von dort kommt. Vor vier Jahren kam Süliman nach Deutschland. Der schmächtige junge Mann erzählt von der Zeit kurz vor seiner Flucht aus Afrika.

    " Mein Weg war die schwierigste Zeit in meinem Leben, denn erstens war ich allein, ich hatte bei verschiedenen Leuten gewohnt, ich hatte keine Eltern. Mein Vater war gestorben. Dann ist dieser Bürgerkrieg gekommen, dann gab es viele Probleme. Wenn man zum Beispiel in Sierra Leone ist - selbst wenn du kein Krimineller sein willst, dann wirst du es doch werden. Denn wenn du niemanden töten willst, dann wirst du getötet. "

    Ganz allein flüchtete der damals 14-jährige nach Deutschland. Wer ihm dabei geholfen hat, den Platz auf einem Schiff nach Hamburg zu bekommen, weiß er nicht mehr. Mehrere Monate war Süliman unterwegs. Er sah, wie ein Mitreisender an Erschöpfung starb. Es gab kaum etwas zu essen, das Wasser war verschmutzt. Und dann, endlich angekommen in Deutschland, fand er sich anfangs kaum zurecht. Der Junge konnte weder lesen noch schreiben, weil er in Sierra Leone nie zur Schule gehen durfte. Zum Glück setzte sich die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle dafür ein, dass Süliman in eine Schule geschickt wurde.

    " Ich will schreiben und lesen können. Ich will zur Schule gehen, habe ich gesagt. Die Frau hat gesagt, ja du wirst zur Schule gehen. Sie hat mir eine Hauptschule gesucht, Ich kam in eine Förderklasse. Ich hatte dort eine nette Lehrerin, die hat immer meine Hand genommen und mir gezeigt, wie man schreibt. "

    Seinen Hauptschulabschluss hat Süliman mittlerweile in der Tasche, nur mit der Berufsausbildung hat es noch nicht geklappt. Zu groß waren seine Probleme mit der deutschen Sprache. Aber Sülimann gibt sich Mühe. Er will in Deutschland bleiben.

    " Ich finde Deutschland gut, weil das, was ich hier habe, das hatte ich noch nie in meinem Leben. Ich kann lesen und schreiben, das hatte ich bisher nur in Deutschland. Ich will hier bleiben, aber es hängt nicht von mir ab, was ich will, sondern von Deutschland. "

    Jetzt hat er erst einmal eine Duldung bekommen. Für ein Jahr. Diese Zeit muss Süliman jetzt nutzen, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern und mit einer Berufsausbildung zu beginnen. Der Druck ist groß: Denn zurück nach Sierra Leone will er auf gar keinen Fall. Abgesehen davon, dass er in Berlin eine Freundin hat, mit der er zusammen bleiben möchte, weiß er überhaupt nicht, was ihn in Afrika erwarten würde:

    " Ich habe Angst. Viele sagen, wenn sie Leute nach Sierra Leone abschieben, haben diese dort keine Probleme. Aber ich glaube das nicht. Denn erst mal wirst du im Gefängnis landen, wenn du dort ankommst. Und ich habe niemanden dort, der für mich etwas tun kann, wenn ich Probleme habe, oder der mich besucht. "

    Mayala Mbungi der Boxer, ist oft traurig, wie er sagt. Jeden Morgen beim Aufwachen und abends vor dem Einschlafen schaut er sich seine Sammlung von Pokalen an und die vielen Medaillen, die an seiner Wand hängen. Er kann es nicht fassen, dass er am Ende vielleicht abgeschoben werden soll.