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Berlin
Drei Religionen, ein Haus

Kirche, Moschee, Synagoge – alles unter einem Dach. House of One heißt das Mehrreligionenhaus, das im Zentrum Berlins entsteht. Eigentlich sollte in diesem Jahr mit dem Bau begonnen werden, doch es fehlt Geld. Die Initiatoren kämpfen jetzt erst recht für ihren interreligiösen Dialog aus Stein.

Von Carsten Dippel | 01.03.2016
    Pfarrer Gregor Hohberg (l-r), Rabbiner Tovia Ben-Chorin und Imam Kadir Sanci posieren am 03.06.2014 in Berlin mit Ziegelsteinen auf dem Petriplatz. Dort soll ab 2015 das Bet- und Lehrhaus, das "House of One" entstehen. Geplant ist ein Sakralbau, in dem sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden.
    Pfarrer Gregor Hohberg (l-r), Rabbiner Tovia Ben-Chorin und Imam Kadir Sanci in Berlin. Dort soll ab 2015 das Bet- und Lehrhaus, das "House of One" entstehen. (picture alliance / dpa / Foto: Paul Zinken)
    "Jeder wird in seinem Gebetsraum, seiner Tradition folgend, seinen Weg zu Gott finden. Daneben wird es das geben, was ich an so einem Haus eben auch sehr wichtig finde: Es wird nicht nur gebetet, sondern auch gelehrt werden. Das heißt, wir gucken uns untereinander die verschiedenen Traditionen an. Aber wir öffnen das auch zur Stadt hin. Also jeder, der interessiert ist, die unterschiedlichen Wege zu Gott, die unterschiedlichen Traditionen auch in Details kennenzulernen, wird dazu die Möglichkeit haben"
    Sagt Rabbiner Andreas Nachama.
    Die alte, im Krieg schwer beschädigte St. Petrikirche wurde 1964 abgerissen, von einem Parkplatz versiegelt. Archäologen stießen 2007 rund um den Petriplatz schließlich auf Überreste von fünf Kirchen, zurückreichend bis ins 13. Jahrhundert. Für Gregor Hohberg, Pfarrer der St. Petri- und Mariengemeinde, eine einmalige Chance, hier einen Akzent zu setzen und das geschichtsträchtige Areal für etwas völlig Neues zu nutzen. So entstand die Idee, dem so oft bemühten Dialog der Religionen eine konkrete Gestalt und Hülle zu geben.
    "Wir sind jetzt fünf Jahre zusammen unterwegs. Da ist viel Vertrauen gewachsen. Das ist eine gute Basis. Es ist was anderes, ob man sich jetzt für irgendeinen Anlass Stunde am Brandenburger Tor mal für eine Stunde unterhakt oder ob man gemeinsam ein Haus baut. Wir sind natürlich progressiv von unserer Theologie her, insofern, dass wir überhaupt zulassen, dass es noch eine andere religiöse Wahrheit gibt. Wir arbeiten auf eine Gestaltwerdung, eine Verkörperung hin und dadurch kriegt das ganze eine höhere Verbindlichkeit. Dadurch sind wir gezwungen, näher auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, die Sachen auszudiskutieren und in der Öffentlichkeit anzubieten als Gesprächsraum."
    Der Entwurf des Berliner Architektenbüros Kuehn Malvezzi sieht einen streng gegliederten Kubus vor, der sich über den Fundamenten der alten Petrikirche erhebt. Eine schnörkellose Erscheinung, die von außen nicht zu erkennen gibt, dass es sich um ein Mehrreligionenhaus handelt. Im Innern hat jede der drei Religionen ihren eigenen Gebetsraum. Dazu gibt es ein gemeinsam nutzbares Forum. Wie die sakralen Räume konkret ausgestaltet werden, ist noch offen. Hier zeigen sich manche Fragezeichen des Projektes: Im Verein treffen eine evangelische Gemeinde, ein islamischer Verein und eine liberale jüdische Gemeinde aufeinander. Wer soll die Räume später einmal nutzen? Nach welcher religiösen Ausrichtung, welchem Ritus folgend? Rabbiner Nachama weiß um die Schwierigkeiten und Diskussionen.
    "Wir betreten hier Neuland und es ist eben nicht so, dass irgendeiner von uns mal eben hier das Kaninchen aus dem Ärmel herauszieht und sagt, da ist der Zaubertrick, hier ist es gelöst. Sondern wir wissen, da gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die schwierig sind. Und gerade, weil es so ist, gehen wir diesen Weg gemeinsam und gehen uns nicht aus dem Weg, wenn es schwierig wird, sondern versuchen darüber zu sprechen. Also wir machen das bewusst offen. Nicht nur offen zwischen uns, sondern auch offen in der jeweiligen Tradition und hoffen einfach, damit Personen in jeder Glaubensgemeinschaft anzusprechen, die sonst vielleicht durch das, was hier am Ort schon vorhanden ist, nicht angesprochen werden."
    Kritische Stimmen gab es jedoch von Beginn an. Ist ein solches Projekt in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen den Religionen nicht ein merkwürdiger Anachronismus? Gerade auf muslimischer Seite gibt es immer wieder Stimmen, die vor einer Verwässerung der Glaubenspositionen warnen.
    "Also ihr größtes Problem war, dass sie immer davon ausgegangen sind, jetzt werden Religionen vermischt, es entsteht jetzt eine Einheitsreligion. Das war die Befürchtung. Und in jedem Gespräch, das ich führe, da kann ich auch Ängste abbauen. Aber trotzdem, sehr viele wissen noch nicht, wie es funktionieren soll."
    Imam Kadir Sanci, Vertreter des "Forums für interkulturellen Dialog", findet diese Ängste unbegründet.
    "Wir leben in einer Zeit, wo dieser Kontrast viel größer geworden ist und das macht unser Projekt natürlich viel wichtiger. Wir wollen eigentlich zeigen, dass man nicht nur oder nicht, indem wir einfach unsere Traditionen beiseite legen, zu uns finden können. Sondern wir sagen der Gesellschaft: Wir können aus diesen Traditionen, die Kraft schöpfend, zueinander zu finden."
    Dass mit dem "Forum für interkulturellen Dialog" ein islamischer Verein mit ins Boot stieg, der der Hismeth-Bewegung des umstrittenen Predigers Fethullah Gülen nahesteht, hat vielfach Besorgnis hervorgerufen. Pfarrer Gregor Hohberg:
    "Natürlich ist uns das bewusst, wir sind ja nicht blauäugig. Und deswegen haben wir ganz offen mit unserem Partner darüber geredet: Was bedeutet das für unsere Arbeit? Gibt es da irgendwas, was dem Dialog schaden könnte oder ist da irgendwas im Verborgenen, was kritisch ist oder was von Nachteil ist für unsere Arbeit? Und es gab offene Gespräche und Auseinandersetzung darüber und es war da nichts, was dem entgegensteht. Und es ist sogar so, dass für unseren islamischen Partner da im Moment die größten Herausforderungen liegen. Sie geraten am stärksten unter Druck durch die eigene Klientel, die ihnen sozusagen vorwerfen, dass sie sich soweit vorwagen im Dialog."
    Auf Dialog angelegte Projekte haben es derzeit allerdings nicht leicht. Vielfach scheinen eher die Unterschiede zwischen Kulturen und Religionen in ungewohnter Schärfe hervorzutreten. So fordert eine durch Flüchtlingskrise und islamistischen Terror bestimmte Debatte auch den interreligiösen Dialog heraus. Was kann ein Projekt wie das House of One in diesen Zeiten leisten? Für Rabbiner Andreas Nachama ist die entscheidende Frage nicht das Trennende, sondern die Suche nach Berührungspunkten.
    "Wir gehen jetzt hier gemeinsam in ein großes, auf Dauer angelegtes Projekt. Das heißt jetzt nicht, dass wir alle Probleme, die es zwischen den Religionen gibt, lösen werden. Aber wir werden vielleicht einen Schritt vorankommen in unserer Zeit. Und die nächste Generation wird vielleicht darauf aufbauen können und noch ein paar Schritte vorankommen. Das ist das, was wir wollen: Jeder bleibt in seiner Tradition, jeder hat seinen Gebetsraum und doch, wir leben in einer Gesellschaft. Wir beten zum gleichen Gott und daraus ergeben sich dann einfach Chancen, Möglichkeiten und aber auch Fragen."
    Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Doch es gibt bereits eine über Jahre gewachsene Zusammenarbeit, gemeinsam organisierte Veranstaltungen. Im Oktober 2011 haben die drei Vertreter ihrer Religionen eine Charta verabschiedet, die für Transparenz und Verbindlichkeit sorgen soll. Pfarrer Gregor Hohberg:
    "Im Grunde existiert in dieser Weise das House of One schon virtuell. Aber dadurch, dass wir auf dieses Gebäude zulaufen und dass die Idee irgendwann mitten in Berlin, in der Hauptstadt verortet wird und dass sie Gestalt gewinnt, kriegt das Ganze eine höhere Verbindlichkeitsstufe und dadurch wird das Einüben, das Vertrauen, was da nötig ist, das kriegt eine größere Tiefe. Und ich glaube, dass das wichtig ist. Es muss sich zeigen, dass es gelingen kann, auch gemeinsam ein Haus zu bauen. Im Grunde unsere Welt im Kleinen, unsere Welt betrachtet als ein Welthaus, wo einfach Menschen unterschiedlicher Herkunft versuchen müssen, miteinander auszukommen."