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Berlin
Evangelische Journalistenschule vor dem Aus

Die Kirchen leisten sich eigene Journalisten-Schulen. Eine davon könnte möglicherweise bald schließen: die Evangelische Journalistenschule Berlin. Es seien keine inhaltlichen Gründe, die zum Aus führen könnten, heißt es, sondern Finanzprobleme. Dennoch regt sich Protest.

Von Thomas Klatt | 19.02.2020
Die erste Studiengruppe der Evangelischen Journalistenschule Berlin im April 1995. Das Gruppenfoto zeigt unter anderem Imme de Haen, die damalige Leiterin der EJS (vordere Reihe, 3. v.links).
Die erste Studiengruppe der Evangelischen Journalistenschule Berlin im April 1995. (imago/Rolf Zöllner)
"Die Ausbildung in der evangelischen Kirche im Journalismus gibt es schon seit den 50er-Jahren. Das nannte sich früher christliche Presseakademie, weil während der Nazizeit Journalismus sehr schnell zu Propaganda wurde. So etwas soll nie wieder passieren und das Beste, was wir tun können, ist in die Ausbildung von Journalisten zu investieren."
Sagt der noch amtierende Leiter der Evangelischen Journalistenschule EJS in Berlin, Oscar Tiefenthal. In den letzten 25 Jahren wurden in der Berliner Jebensstraße vis-à-vis vom Bahnhof Zoo mehr als 200 Volontäre ausgebildet.
"Und wir wollen schon Leute ausbilden, die nicht einfach nur sagen, ich übe jetzt hier ein Handwerk aus. Sondern die sich der Verantwortung dieses Handwerks bewusst sind und die eine eigene Haltung entwickeln."
GEP soll 1,9 Millionen Euro einsparen
Doch nun wurde bekannt, dass die Stelle des scheidenden Leiters nicht wieder ausgeschrieben wird. Ebenso eine zweite von drei Vollzeitstellen an der EJS. Dazu will der Leiter nichts sagen und verweist an den Direktor des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik, GEP, in Frankfurt am Main, Jörg Bollmann. Die Journalistenschule ist einer von sechs GEP-Unternehmensbereichen.
"Allen Leuten im GEP ist klar, dass wir ein Restrukturierungsprogramm von 1,9 Millionen Euro bewältigen müssen", so Bollmann. "Wir wollen einen Kostenblock abbauen ohne betriebsbedingte Kündigungen, dass wir uns alle Stellen angucken müssen, die durch Altersruhestand frei werden. Und das sind in der Evangelischen Journalistenschule zwei von drei. Das heißt, dass die evangelische Journalistenschule in Frage steht."
Der Direktor des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik, GEP, Jörg Bollmann
Jörg Bollmann, der Direktor des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik GEP (imago stock&people / epd-bild / Norbert Neetz)
1,9 Millionen Euro Einsparung bis 2024, möglichst sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen. Das habe er schon auf der letzten EKD-Synode im November 2019 angekündigt. Die Evangelische Journalistenschule kostet jährlich rund 500.000 Euro. Die evangelische Publizistik - vom Evangelischen Pressedienst "epd" bis zur Zeitungsbeilage "chrismon" - werde schon jetzt von der EKD mit rund 12,1 Millionen Euro unterstützt, also rund 60 % des Gesamtetats. Die restlichen 40 % müsse das GEP selbst erwirtschaften.
"Wachstum ist kaum noch zu erreichen"
"Wir machen unsere Umsätze mit den klassischen Verlagsgeschäften, Anzeigen, Abo-Geschäft, Verlagsdienstleistung, etc., Nachrichtenagentur. Und das sind Geschäfte, von denen wir wissen, dass sie das Umsatzwachstum, was wir in den vergangenen Jahren immer erreicht haben, dass wir das einfach nicht halten können. Wachstum ist kaum noch zu erreichen", so Bollmann.
Aber wo kürzen? Bollmann sieht nicht nur die Journalistenschule, sondern alle GEP-Produkte und -Werke auf dem Prüfstand: "Sie können mir glauben: Alles was wir jetzt aufgeben müssen im Rahmen einer solchen Restrukturierung, ist schmerzhaft. Und wenn wir die Schule aufgeben müssten, dann wäre das schmerzhaft."
Die Berliner Tageszeitung "taz" hingegen zitiert Bollmann so: Man müsse sich fragen, ob die Art, wie seit über 20 Jahren ausgebildet werde, noch zeitgemäß sei. EJS-Volontär Jann-Luca Künßberg, 26 Jahre alt, kann das nicht verstehen.
"Das ist schon ziemlich einzigartig"
"Das hat mich, offen gesagt, schockiert. Da kann ich auch für unseren ganzen Jahrgang sprechen. Wir fangen an mit zwei Basiskursen, die sich den klassischen Genres des Text-Journalismus widmen, von der Nachricht bis zum Kommentar, außerdem die digitalen Formen, dazu zählt mobile-Reporting. Digitaler Datenjournalismus. Das wird gefolgt von der ersten Praxisstation in Verlagshäusern, Lokalberichterstattung. Hörfunklehrredaktion in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten für 3 Monate. Porträt-Seminar gemacht, das dann wieder von der Fernsehlehrredaktion und der entsprechenden Praxisstation gefolgt wird. 22 Monate ist, glaube ich, das längste journalistenschulische Volontariat in Deutschland, so breit aufgestellt wie keine andere", sagt Künßberg.
"Eine fatale medienpolitische Entscheidung"
In einem offenen Brief an den EKD-Ratsvorsitzenden fordert der Förder- und Freundeskreis der EJS den Erhalt der Schule. Ragnar Vogt arbeitet heute beim "Berliner Tagesspiegel" und ist Vorsitzender des EJS-Freundeskreises, in dem mehr als 100 ehemalige EJS-Volontäre engagiert sind.
"Das ist eine fatale medienpolitische Entscheidung, gerade die Evangelische Journalistenschule zuzumachen", so Vogt. "In Zeiten, wo der Rechtsextremismus in den Parlamenten angekommen ist, in solchen Zeiten braucht es Journalisten mit Haltung. Die auch dagegen halten können gegen diese Diskursverschiebung nach rechts. Zumal sie in der Tradition der cpa steht, die ist gegründet worden Ende der 40er-Jahre von Theologen und Journalisten, die noch im Nachhall des Dritten Reiches erschrocken waren, wie sehr alles gleichgeschaltet worden ist. So was darf nie wieder passieren!"
Gerade aus Kreisen der AfD werde immer wieder der sogenannte Haltungs-Journalismus kritisiert. Doch genau der werde den jungen Kollegen in der Evangelischen Journalistenschule beigebracht.
"Das wär traurig, wenn Journalisten keine Haltung hätten. Ich bin tief überzeugt davon, dass alle Institutionen, die unsere Demokratie stärken, und da ist Journalismus eine ganz wesentliche Säule, dass alle Institutionen auch eine Haltung haben müssen. Wer denn, wenn nicht wir."
Zusammenarbeit katholischer Nachwuchsförderung?
Diese journalistische Haltung sei aber kein Alleinstellungsmerkmal der EJS, hält GEP-Direktor Jörg Bollmann dagegen:
"Wir setzen uns mit unseren Produkten und Arbeitsbereichen mit dem rechten Rand auseinander. Dass wir hier durchaus auch Drohungen bis hin zu Morddrohungen ins Haus bekommen, dass eine journalistische Qualitätsausbildung zu diesem Gesamtbemühen um qualitative journalistische Arbeit gehört, dafür stehen wir ja. Und die Journalistenschule, die 1995 gegründet worden ist, hat in ihrer Geschichte immer Finanzprobleme gehabt, weil sie 1995 leider ohne funktionierendes Finanzkonzept gegründet worden ist. Aber wir haben das immer aufgefangen."
Dass die Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule ausgesetzt werden könnte - darauf reagierte die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands mit Bedauern und regte eine Zusammenarbeit mit dem katholischen Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses, ifp, in München an. Von dort heißt es, man sei grundsätzlich offen für mögliche Formen der Zusammenarbeit.