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Berlin hat gewählt
Die Zeichen stehen auf Rot-Rot-Grün

SPD und CDU verlieren deutlich und landen bei 21,6 beziehungsweise 17,6 Prozent, dahinter Linke, 15,6, Grüne, 15,2, AfD, 14,2, und FDP, 6,7. Rechnerisch sind so mehrere Koalitionen möglich. Politisch ist es wohl nur eine - sofern die Parteien inhaltlich zueinander finden.

Von Volker Finthammer | 19.09.2016
    Die Spitzenkandidaten Frank Henkel (CDU, l) und Michael Müller (M, SPD) und Ramona Pop begrüßen sich am 18.09.2016 zur TV-Runde zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin.
    Michael Müller (SPD) und Ramona Pop (Grüne): Bald gemeinsam in Berlin an der Regierung? (dpa / Michael Kappeler)
    Die rot-schwarze Koalition ist abgewählt und beide Parteien haben wohl wegen der starken Unzufriedenheit der Wähler mit der Arbeit des Berliner Senats und den bundespolitischen Einflüssen erhebliche Stimmen an die AfD und andere Parteien abgeben müssen. Doch anders als in Mecklenburg Vorpommern und Sachsen Anhalt wird die AfD in Berlin nur fünftstärkste Partei und zieht mit 14,1 Prozent erstemals in das Berliner Abgeordnetenhaus ein. Darunter fallen auch fünf Direktmandate in den östlichen Bezirken der Hauptstadt.
    Die SPD bleibt mit nur noch 21,6 Prozent und Verlusten von 6,7 Prozentpunkten an der Spitze aller Parteien. Sie wird mit diesem Ergebnis jedoch die schwächste Partei, die jemals an der Spitze einer Regierung in Deutschland stehen wird und erreicht damit auch einen neuen Tiefstand in Berlin. Die SPD hat vor allem an die AfD und die Linke Wähler verloren, aber auch an die CDU.
    Doch die Union erreicht mit 17,6 Prozent gleichermaßen einen weiteren Tiefstand in der Berliner Wahlgeschichte, verliert mit 5,7 Prozentpunkten aber etwas weniger als die SPD. Viele ihrer Wähler sind in Richtung AfD abgewandert und das vor allem wegen der Flüchtlingspolitik und der Sorge um die innere Sicherheit. Aber auch zur FDP , die mit 6,7 Prozent der Stimmen wieder in das Berliner Abgeordnetenhaus einzieht.
    Denn den dritten und vierten Platz im neuen Berliner Abgeordnetenhaus besetzen die Linke und die Grünen. Dabei hat die Linke um 3,9 Prozentpunkte zulegen können und liegt mit 15,6 Prozent knapp vor den Grünen. Die Linke kann viele ehemaligen Wähler der Piraten aber auch von den Grünen und der SPD hinzugewinnen. Die Grünen haben dagegen eine bescheidene Wählerbilanz. Sie haben deutlich mehr Stimmen an andere Parteien abgeben müssen. Der Zustrom ehemaliger Wähler der Piraten konnte das nicht kompensieren. Sie landen bei 15,3 Prozent und müssen 2,4 Prozentpunkte einbüßen.
    Die Piraten, die vor fünf Jahren auf Anhieb knapp neun Prozent der Stimmen gewinnen konnten, werden nicht mehr im Berliner Landesparlament vertreten sein.
    Erstwähler mehrheitlich für Rot-Rot-Grün
    In dem neuen sechs Parteien Parlament gibt es rechnerisch mehrere mögliche Koalitionen. Politisch dürfte eine Rot-Rot-Grüne Koalition die wahrscheinlichste sein, die 92 von 160 Sitzen im neuen Abgeordnetenhaus auf sich vereinen könnte. Das wäre keine gewaltige, aber dennoch eine bequeme Mehrheit, sofern die Parteien inhaltlich zu einander finden.
    Die Wahlbeteiligung stieg auf knapp 67 Prozent und von der Mobilisierung bisheriger Nichtwähler hat, wie zuletzt auch in Mecklenburg Vorpommern, vor allem die AfD profitieren können, gefolgt von der Linken und der FDP.
    Die Liberalen können sich in Berlin als die zweiten Gewinner des Unmuts über die Union bezeichnen, wobei das Motiv nicht die Flüchtlingsfrage, sondern die fehlende wirtschaftspolitische Kompetenz der CDU in Berlin zu sein scheint.
    Die Erstwähler haben in Berlin mehrheitlich für Rot-Rot-Grün gestimmt. Bei ihnen erreicht die Union nur 13 und die AfD nur 7 Prozent der Stimmen.