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Berlin-Kabul und zurück

Wer den Campus der Universität Kabul erreicht, betritt eine andere Welt. Während große Teile der afghanischen Hauptstadt immer noch in Trümmern liegen und der Wiederaufbau nur langsam vor sich geht, sind die Universitätsgebäude gut in Schuss. Beim Kanzler der Uni angesiedelt ist das neue Rechenzentrum ITCK. Ein großer klimatisierter Raum, die Klinkerwände aus den 60er Jahren sind neu gestrichen, auf dem Teppichboden stehen in vier Reihen Tische mit 50 neuen Computer, in einem Nachbarraum die dazugehörigen Server. Über Satellit ist das Netzwerk mit dem Internet verbunden.

Von Stefan Bitterle | 27.02.2004
    Möglich gemacht hat dieses Zentrum eine Initiative der Technischen Universität Berlin, sagt der Leiter des Rechenzentrums, Mohammad Isa Mahmoodi:

    Die Hauptaufgabe des Zentrums ist es, die Leistungsfähigkeit der Universität zu verbessern und den Professoren, nicht-akademischen Mitarbeitern und den Studierenden - weiblichen wie männlichen - beizubringen, wie man Computer und das Internet nutzt. Gleichzeitig gibt es neun Mitarbeiter, die einerseits studieren und anderseits das Zentrum betreiben, drei Administratoren, fünf Tutoren und ich selbst. Wir arbeiten als Administratoren und wir lernen, wie man das System administriert. Dabei helfen uns die Studierenden der Technischen Universität Berlin.

    Vor gut zwei Jahren war Nazir Peroz, Informatiker und selbst Afghane, mit einer Delegation in der afghanischen Hauptstadt, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Im August desselben Jahres kam er mit ein paar Studierenden und plante den Aufbau des Rechenzentrums.

    Im Mai vergangenen Jahres ging das Zentrum in Betrieb. Seither haben 600 Afghanen gelernt, wie man mit Computern umgeht. Alle zwei Monate beginnt ein neuer Kurs für 120 Teilnehmer - die Hälfte Studierende, die andere Hälfte Professoren oder Mitarbeiter anderer Bereiche der Universität. Sehr ermutigend in einer Gesellschaft, die von Männern dominiert wird:

    Die meisten Besucher sind schon Frauen, und wir haben schon auch schon drei Tutorinnen hier, die - sehr professionell sogar - unterrichten. Ich mache auch schon extra Kurse für andere Frauen und für Dozentinnen, die hier arbeiten oder auch schon die Beamtinnen, die hier arbeiten und die auch lernen, wie man den Computer ein- und ausschalten oder wie man mit der Maus umgeht, Programme ausführt und so weiter.

    Maryam Sharafedin ist Iranerin. Sie studiert Informatik an der TU Berlin und betreut seit zwei Monaten gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Daniel Tröder das Rechenzentrum. Da sie mit Dari eine der Landessprachen spricht, genießt sie bei ihren Seminarteilnehmern hohes Ansehen - auch bei den Männern:

    Ja, in Übungszeiten habe ich immer mitgeholfen, wenn jemand Fragen hatte. Das ist kein Problem gewesen.

    Seit Beginn des Projektes vor einem dreiviertel Jahr waren hier mit kleinen Unterbrechungen ständig zwei Studierende Informatiker von der Spree, die den Aufbau des Zentrums begleiteten. Daniel Tröder hat zufällig von der Möglichkeit erfahren, herzukommen. Mit Afghanistan hatte er zuvor keine Verbindung. Ende letzten Jahres reiste er an den Hindukusch. Er ist begeistert von der Lernbereitschaft seiner Kursteilnehmer:

    Sie sind ziemlich fleißig, muss ich sagen. Bevor wir hier waren, waren sie auch einen Monat lang alleine, da war niemand hier. Und da haben sie den Laden wirklich gut geschmissen, haben sich die Aufgaben aufgeteilt und Zuständigkeiten gefunden. Vor einem Jahr hatten die meisten hier noch nie einen Computer gesehen, und jetzt schmeißen sie ein IT-Center. Das ist echt stark.

    Nun, Ende Februar ist das Projekt zu Ende. Mit Daniel und Maryam reisen die letzten Berliner ab, nachdem sie das Zentrum ihren afghanischen Partnern übergeben haben. Der Vertrag ist ausgelaufen, doch Mohammad Mahmoodi ist zuversichtlich, dass der Kontakt auch in Zukunft erhalten bleiben wird:

    Klar werden wir versuchen, das hier nicht auslaufen zu lassen. Wir versuchen, den Vertrag zu verlängern, denn die Universität hat im Moment überhaupt keine Mittel zur Verfügung. Auch wenn wir jetzt alleine hier sind, bleiben wir natürlich in Kontakt mit Berlin, und wir werden viele, viele Fragen haben, denn das ist alles Neuland an der Uni für uns, und ohne ihre Hilfe wird es sehr schwer für uns werden, das Rechenzentrum zu betreiben.