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Berlin rüstet sich

50.000 Menschen werden in Berliner Olympiastadion erwartet, wenn Papst Benedikt XVI kommt. Im Vatikan freut man sich über das rege Interesse, war man bislang doch eher skeptisch, was die Begegnung zwischen Papst und Berlinern anging. Johannes Paul II. musst geworfene Tomaten über sich ergehen lassen.

Von Claudia van Laak | 16.06.2011
    Ja, einen recht schönen guten Abend, liebe Freundinnen und Freunde, wir haben heute das dritte Netzwerktreffen des Bündnisses "Der Papst kommt".

    Ein Versammlungssaal im DGB-Haus. Etwa 50 Menschen sind gekommen, in erster Linie homosexuelle Männer. Schwule Lehrer in der GEW, Schwule bei Verdi. Aber auch die Grüne Jugend, Pro Familia oder die Naturfreunde sind dem Protestbündnis "Der Papst kommt" beigetreten. Federführend ist der Berliner Lesben- und Schwulenverband. Geschäftsführer Jörg Steinert:

    "Wir nehmen den Besuch des Papstes zum Anlass, darauf aufmerksam zu machen, wie Frauen nicht gleich behandelt werden, wie Lesben und Schwule ausgegrenzt werden, wie menschenverachtend die Kondompolitik des Papstes ist, da wollen wir ein Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen. Weil wir glauben, viele teilen unsere Kritik, sie setzen sich nur zum Teil nicht damit auseinander."

    Thema an diesem Abend: Die Demonstration am 22. September. Wann soll sie starten, wo soll sie entlang führen? Am Canisius-Kolleg, dort wo die ersten Missbrauchsfälle in katholischen Internaten bekannt wurden? Am Mahnmal für die homosexuellen Opfer des Naziregimes? Am Giordano-Bruno-Denkmal?

    Eine kontroverse Debatte. Ich bin heterosexuell - ruft eine Frau in den Saal - Warum gibt es hier nur schwule Symbolorte? Ein zweiter will mit der Demo an der CDU-Zentrale vorbeiziehen. Ein dritter fordert lautstark: Wir müssen das Herz des Katholizismus in der Stadt treffen! Doch wo soll es sein, das Herz des Katholizismus in Berlin? In der Hauptstadt fehlt ein römisch-katholischer Symbolort.

    "Wenn die Gottesdienst machen und wir tanzen auf dem Alex, dann ist das doch ein wunderbares Kontrastprogramm."

    Ein Vertreter der Naturfreunde schlägt vor, ein Seifenkistenrennen zu organisieren. Papa-Mobile sollen gegen Teufels-Mobile ins Rennen gehen, natürlich muss das Papa-Mobil das Rennen verlieren.

    Besonders engagiert dabei ist ein Mann, der sich schon äußerlich als Kirchen-Kritiker zu erkennen gibt. Am Revers seines orangefarbenen Jacketts steckt ein Button, der zum Kirchenaustritt auffordert. Seinen Namen will der Mann nicht nennen. Nur soviel - eine repressive katholische Erziehung habe sein Leben verpfuscht.

    "Das motiviert doch genug, sich gegen die Fortsetzung der religiösen Indoktrination einzusetzen. Und vor allem auch dagegen, dass ein offiziell laizistischer Staat das offiziell unterstützt und sich dafür einsetzt, dass die Leute jetzt wieder zurückwandern in die Kirchen."

    Von Kirchenhassern bis zu gläubigen Katholiken, die sich im Verein "Homosexuelle und Kirche" engagieren - das Bündnis gegen den Papstbesuch ist breit, 10.000 Leute sollen auf die Straße gehen, am 22. September in Berlin.

    Fünfmal so viele haben sich bereits für den Papst-Gottesdienst im Berliner Olympiastadion angemeldet, Platz ist für 75.000 Gläubige. Auch bei der katholischen Kirche und ihren Verbänden laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.

    "Du weißt das ja alles wunderbar theoretisch. Jetzt zeig' uns das doch mal praktisch. Jenny, leg Dich doch mal hin."

    Diese Aufforderung kommt von Stefan Bernhard. 40 Jahre alt, braune Socken in schwarzen Sandalen, Latein- und Geschichtslehrer. Außerdem arbeitet er als ehrenamtlicher Ausbilder beim katholischen Malteser-Hilfsdienst. Jenny spielt die Patientin, Sarah übernimmt die Erstversorgung, sie lässt sich gerade zur Sanitäterin ausbilden. Stabile Seitenlage, Puls fühlen, Blutdruck messen.

    "Das funktioniert nicht. Rührt sich nichts. Drehen wir es mal so rum (pumpt). Geht doch. Mach erst mal."

    75.000 Gläubige bei der Papstmesse - kein Problem. Die Berliner Malteser haben Erfahrung mit Großveranstaltungen - jahrelang haben sie Betrunkene, Zugekokste und Hitzeopfer auf der Love-Parade medizinisch versorgt. Der gläubige Katholik Stefan Bernhard mittendrin - als Notfallseelsorger.

    ""Klar, wenn ich so durch mein ganz normales Leben gehe, so durch meinen Alltag, sehe ich nicht so viele Katholiken, das ist klar."

    Berlin, das ist katholische Diaspora. Nur einer von 10 Hauptstadtbewohnern gehört der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft an. Berlin zählt 110 katholische Kirchen, 60 Moscheen und täglich 7 angemeldete Demonstrationen aller Art.

    "Ja, in Berlin muss man mit allem rechnen, das sollte auch im Vatikan schon bekannt sein. Und wenn man das im Vorfeld berücksichtigt, dass man nicht davon ausgeht, dass das hier eine Jubelveranstaltung wird, dann ist da im Großen und Ganzen nichts zu befürchten."

    Zumindest nicht vom papstkritischen Bündnis, das Gewaltlosigkeit propagiert und die religiösen Gefühle der Gläubigen nicht verletzen will. Die Vorbereitung dieser Proteste kostet Geld, großzügiger Finanzier ist der schwule Unternehmer Bruno Gmünder.

    "Ich bin katholisch aufgewachsen, indoktriniert worden. Und ich habe gelernt, wenn du sündigst, dann schlägst Du Jesus einen Nagel in die Hand. Das bedrückt mich bis heute, jetzt werde ich bald 60. Und da finde ich, diesen Papst, den kann man nicht ertragen, dem muss man schon offen entgegentreten und sagen, das ist nicht richtig."

    Bruno Gmünder verdient sein Geld übrigens mit schwuler Erotik - sein Verlag erzielt einen Jahresumsatz von neun Millionen Euro.