Donnerstag, 18. April 2024

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Berlin-Sitcom "Just push Abuba"
Neues deutsches Fernsehen aus dem TV-Labor

Schnell, packend und viral: Das Fernsehlabor "Quantum" entwickelt zeitgemäße Formate fürs ZDF. Nach "Familie Braun" und "Lerchenberg" schickt es eine rasante Comedy-Serie rund um eine Berliner Hipster-WG ins Netz. Man wolle Themen setzen, die sonst nicht im Fernsehen nicht stattfinden würden, sagte einer der Macher im Dlf.

Burkhard Althoff im Gespräch mit Adalbert Siniawski | 16.03.2018
    Ausschnitt aus "Just push Abuba": Joon (Joon Kim, r.) zeigt Lucia (Elli Tringou, l.) und Toni (Anton Weil, M.) die Bewertung der ersten Gäste. Das "Golden Age of Sharing Economy" scheint gekommen.
    Mit "Just push Abuba" möchte das ZDF sich an die Mediengewohnheiten der jungen Zielgruppe anpassen (ZDF und Florian Mag)
    Berlin, Kreuzberg - eine bunt zusammengewürfelte Hipster-WG, zwischen selbstgemachten Europaletten-Möbeln, Kombucha-Drinks und Gender-Debatten. Toni, Lucia und Joon bieten illegal ein Bett über eine Online-Plattform an, um ihr chaotisches Leben zu finanzieren. "Just push Abuba", sagen sie ihren Gästen, die vor der Türklingel stehen, und so heißt auch die neue ZDF-Serie, die ab heute im Netz steht. Apropos Netz: Auf der Jagd nach guten Bewertungen wird der ein oder andere Gast in der Sitcom schon mal ziemlich unter Druck gesetzt.
    "Die Internationalität ergibt sich aus dem Sujet"
    Adalbert Siniawski: Burkhard Althoff, Koordinator beim ZDF-Formatlabor "Quantum", die Schauspieler sprechen in deutlich germanisiertem Englisch ihre Dialoge – erreicht macht so eine junge, großstädtische Zielgruppe?
    Burkhard Althoff: Also, zumindest wird man sie so nicht verschrecken. Ich glaube, dass eine junge Zielgruppe, aber nicht nur eine junge, inzwischen sehr geübt ist und es auch genießt, Serien im Original zu schauen. Und ich glaube, das ist eine Nachfrage, die wir hier vielleicht befriedigen.
    Siniawski: Und schielen Sie damit auch so ein bisschen auf den internationalen Markt, weil, ich meine, Berlin ist hip, hier wird zu 99 Prozent Englisch gesprochen – vielleicht kriegt man da den einen oder anderen internationalen Zuschauer?
    Althoff: Wir sind international zugänglich, aber die Internationalität ergibt sich hier aus dem Sujet, weil wir ja die Geschichte erzählen von einer Kreuzberger WG, die, um ihre finanziellen Nöte zu regeln, illegal eine Europalette als Bett in ihr Wohnzimmer stellt und so versucht, einfach Geld zu machen.
    Siniawski: Und vor dem Wutbrief eines Jens Spahn gegen die omnipräsente englische Sprache in der deutschen Hauptstadt haben Sie keine Angst?
    Althoff: Nein, da habe ich keine Angst. Aber das war hier gar nicht die erste Priorität, sondern wir wollen ja hier die Sharing Economy auf die Schippe nehmen. Und die Leute, die das gemacht haben, die kennen das sehr genau, das sind Leute, die in Berlin in WGs leben, die zum Teil auch einen eigenen internationalen Hintergrund haben. Und daher glaube ich, dass wir hier nicht mit Angriffen zu rechnen haben, oder zumindest sehen wir denen gelassen entgegen.
    Webserien haben besondere ästhetische Voraussetzungen
    Siniawski: Ja, so dieses ganze Chia-Hipstertum, die Jagd nach Bewertungen, Selfies und so weiter – das ist alles sehr dicht da reingepackt in diese Folgen. Ich erinnerte mich da so ein bisschen an ein anderes neues Format, das erst vor zwei Wochen bei ZDFneo gestartet ist, auch eine Comedy-Serie: "Nix Festes" heißt die, auch aus diesem Berliner Hipster-Milieu. Warum setzt das ZDF auf dieses Genre, Berlin-Sitcom?
    Althoff: Also, "Nix Festes" ist ein neo-Format, was ähnliche Motive hat, aber was nicht dezidiert als Web- und TV-Serie aufgestellt ist. Also, was wir uns hier vorgenommen haben ist, ein Format zu kreieren, was zunächst einmal in der Mediathek und auf YouTube startet und was damit auch Nutzungsgewohnheiten bedient, die immer mehr gängig werden. Das hat auch zur Folge, dass wir andere Längen haben – wir müssen andere Dinge berücksichtigen: Als Webserie werden wir zum Teil auch stärker mobil genutzt, das ist zumindest unsere Vermutung. Das hat bis in die Ästhetik hinein Gründe und bei "Quantum" versuchen wir eben, diese Webserien mit aktuellen Themen, mit griffigen Narrativen, mit einer erzählerischen Zuspitzung so auf den Punkt zu bringen, dass es eine andere Charakteristik hat als jetzt die halbstündigen "Nix Festes" von ZDFneo.
    Siniawski: Das müssen wir jetzt so ein bisschen "auseinanderklamüsern", sag ich mal. Die Folgen sind jeweils nur rund acht Minuten lang, die Handlung geht wirklich sehr rasant nach vorne: eben noch kommt ein US-Pärchen als Gast in die WG, schon baggern die Bewohner sie an, und im nächsten Schnitt kommt es zur Eifersuchtsszene. Das alles in wenigen Sekunden. Dieses extrem hohe Tempo, das ist diesem Format geschuldet, für das Netz einen Stoff zu erzählen, ja?
    Althoff: Ja, das ist dem geschuldet. Wir haben da ja mit unserer ersten Webserie "Familie Braun" auch schon Erfahrungen gemacht – das ist die Geschichte von einer Neonazi-WG, wo dem einen klar wird, dass er eine schwarze Tochter hat, die von der Mutter plötzlich dort abgegeben wird. Und bei dieser Webserie/TV-Serie haben wir eben auch diese Zuspitzung gesucht. Und das wurde sehr gut angenommen und hat viele Zuschauer gefunden und auch Preise gewonnen.
    Wir haben noch länger mit Burkhard Althoff gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Siniawski: Wobei ich glaube: Bleiben da nicht die Zwischentöne und ein wenig auch die Glaubwürdigkeit zugunsten des schnellen Lachers auf der Strecke, wenn das Tempo so rasant ist?
    Althoff: Ich glaube, dass es gelungen ist, mit vielen Details die Glaubwürdigkeit und auch die Tiefe der Charaktere durchaus reinzunehmen. Und wenn Sie sich die Folgen anschauen, gibt es auch immer wieder Momente, die ruhiger werden – die Gagdichte ist zwar hoch, aber sie ist jetzt nicht zwanghaft, sondern ich glaube, dass diese Figuren zwar eine Überzeichnung haben, aber dass wir uns nicht über die Figuren lustig machen. Also, ich glaube, die werden schon alle ernstgenommen. Dieser Hintergrund, dass man mal schaut: Was steckt denn eigentlich hinter dieser Fassade der Sharing Economy, in der dieser Nimbus herrscht, "wir sind eigentlich interesselos eine Familie, die Dinge teilen" und dahinter aber doch sehr konkrete Interessen und auch Profitinteressen stehen. Das hat uns, als uns der Stoff vorgeschlagen wurde, sehr gefallen.
    "Die klassische Quote wird sich wandeln"
    Siniawski: Sehr netzkompatibel soll es sein: Heute startet sie in der ZDF-Mediathek und auch bei YouTube gleichzeitig – und erst einen Monat später im "verstaubten", analogen ZDF, analog, beim "Kleinen Fernsehspiel", erst im April. Ich habe mich da gefragt: Sollten Sie die jungen Nutzer nicht lieber in Ihre eigene Mediathek locken, statt sie beim Google-Konzern sozusagen abzufangen und sie dort irgendwie zu bedienen? Google macht ja auch den deutschen Medien das Leben schwer. Ist das nicht ein bisschen kontraproduktiv?
    Althoff: Also, die primäre Ausspielfläche ist die Mediathek, tatsächlich. Da ist unter Abuba.zdf.de ja auch die einzelnen Folgen, aber auch die Kompilationen, ab heute zu finden. Und dass wir das Angebot auch auf Wege ausbreiten, wo sich eben Zuschauer auch aufhalten, - das ist vielleicht insgesamt eine größere Fragestellung -, aber das ist auch ein Service, den man sich nicht abschneiden sollte. Weil wir machen das Programm ja für eine Zielgruppe, die sicherlich in dem Fall tatsächlich 14 bis 49 Jahre alt sein kann. Und die 14- bis 20-Jährigen, die halten sich sehr viel auf YouTube auf – und da wollen wir das auch zugänglich machen.
    Siniawski: Also keine Angst vor "Selbstkanibalisierung"?
    Althoff: Sie wissen, dass es ein junges Angebot von "funk" gibt, die sich ja auch auf verschiedenen Plattformen bewegen. Und ich glaube, es wird in Zukunft darum gehen, zu gucken, wo sind die Zuschauer? Ich glaube, dass es da ein grundsätzliches Umdenken gibt. Ich glaube auch, dass ein anderes Denken darüber einzieht, wie man Zuschauer misst. Ich glaube, die klassische Quote im – wie Sie gesagt haben – "angestaubten", vielleicht gar nicht so angestaubten ZDF wird sich wandeln. Man wird von einer "Produktquote" sprechen, wo eben zusammengerechnet wird, wo finden Zuschauer diese Inhalte? Und das wird sich diversifizieren.
    "Wir versuchen, Know-how für den Sender zu gewinnen"
    Siniawski: Sie sind Teil des Formatlabors "Quantum", ich hatte es gesagt, - wie kommen Sie da auf neue Ideen, was ist Ihre Strategie?
    Althoff: Also, die Strategie ist von Anfang an, dass wir versuchen, Impulse zu setzen für Dinge, die sonst vielleicht im Fernsehen nicht stattfinden würden. Und das ist sowohl inhaltlich/thematisch, in Formaten aber halt auch eben technisch gemeint. Und da sind wir in der Vergangenheit, das gibt es seit 1989, eben Wege gegangen, die am Anfang, 1989, ein Frauen-Nachrichtenmagazin gab es da, es wurde eine Auseinandersetzung mit Popkultur gemacht, die damals so nicht stattfand, mit einer Reihe, "Fantastic Voyages" oder "Lost in Music". Und technisch zum Beispiel: Der erste HDTV-Spielfilm fand damals dort im "Quantum" statt. Und aktuell ist es so, dass wir Dinge ja anstoßen, von denen wir uns wünschen, dass sie weitergeführt werden. Es gab zum Beispiel bei uns diese Miniserie "Eichwald, MdB", die über einen Berliner Hinterbänkler in der Politik eine Satire ist. Und seit 10. März wird die jetzt fortgeführt für das ZDF. Dann machen wir eine "360° In House"-Produktion, die erste fiktionale im ZDF, wo wir versuchen, auch Know-how für den Sender zu gewinnen. "Lerchenberg", das war die satirische Reihe mit Sascha Hehn, wo wir das ZDF selber auf die Schippe nehmen. Und so versuchen wir einfach immer, Inhalte und Technologie zu verbinden, und versuchen auch, mit anderen Abteilungen und Sendern der ZDF-Senderfamilie dabei zusammenzuarbeiten.
    Siniawski: Sagt Redakteur und Mitarbeiter des Formatlabors "Quantum", Burkhard Althoff. "Just push Abuba" ist in der ZDF-Mediathek zu sehen, bei YouTube und ab 16. April dann im analogen ZDF-Programm nach Mitternacht im "Kleinen Fernsehspiel".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.