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Berlinale 2015
Das Festival der Frauen

Die diesjährige Berlinale ist ein Festival der Frauenfilme. Ob Biografisches wie Werner Herzogs "Queen of the Desert" oder aktuelle Gesellschaftsporträts wie "Ixcanul" - Frauen stehen im Mittelpunkt des Wettbewerbs - allerdings nur vor der Kamera.

Von Christoph Schmitz | 07.02.2015
    Die australische Schauspielerin Nicole Kidman kommt am 06.02.2015 in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele zum Fototermin für "Queen of the Desert". Der Film läuft im Wettbewerb.
    Die australische Schauspielerin Nicole Kidman kommt am 06.02.2015 in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele zum Fototermin für "Queen of the Desert". Der Film läuft im Wettbewerb. (picture-alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Unbeirrbar erkundet die Berlinale in diesem Jahr weiterhin die Seelen- und Lebenslagen von Frauen. Unverdrossen forscht das Festival 2015 in Geschichte und Gegenwart nach dem, was Frauen in Gesellschaft und Politik, vor allem aber im Alltag so getan haben und tun, was sie geleistet haben und wie es ihnen ergangen ist und ergeht.
    Vom Eröffnungsfilm an mit Isabel Coixets Biografie einer Frau in der Arktis, wohin die ihrem Mann, einem Polarforscher, folgt, ist die diesjährige Berlinale ihrem angekündigten Thema treu geblieben bis heute am dritten Wettbewerbstag. Der Mann fürs Extremkino über Menschen in Extremsituationen, Werner Herzog, erzählt von der Britin Gertrude Bell und begleitet sie auf ihren Reisen durch den Orient zu Beginn des 20. Jahrhundert.
    Dort erkundet Gertrude Bell die Sprachen, Kulturen und politischen Verhältnisse und wirkt maßgeblich mit an der Neuordnung des Nahen Ostens, mit all den Problemen, die bis heute auf grausame Weise nachwirken. Mit großer epischer Ruhe entwickelt Herzog nach historischem Vorbild das Porträt einer selbstbewussten, intelligenten und sensiblen Frau, die die persische und arabische Welt zu lieben beginnt, wie Herzog seine "Queen of the desert" liebt - so der Filmtitel. Nicole Kidman verkörpert die "weibliche Laurence von Arabien" aufs Beste. Herzog scheut die Ausstattungsoper nicht und liefert ein Kunstwerk frei von Avantgardedruck, lebendig und facettenreich.
    Ebenfalls im Gewand eines Historienfilms schildert der Franzose Benoit Jacquot in seinem "Tagebuch einer Kammerzofe" ein Frauenschicksal um 1900. Die von Léa Seydoux mit stiller Energie, kritischer Beobachtungsgabe und latentem Widerstand gespielte Kammerzofe Célestine verschlägt es nach zahlreichen, meist schlechten Erfahrungen in sogenannten guten Häusern in die Provinz der Normandie. Dort muss sie sich der Zudringlichkeit des lüsternen Hausherrn und der Herrschsucht der Hausherrin erwehren. Typisch für Benoit Jacquot, dass er auch in seinem neuesten Film eine durch und durch marode Gesellschaft schildert, die letztlich nur aus Ausbeutungsverhältnissen besteht. Bezüge zur Gegenwart sind leicht zu erkennen.
    Hinter der Kamera schauen Männer auf die Frauen
    Ganz in der Gegenwart dagegen sind drei weitere Wettbewerbsfilme über Frauen angelegt. Obwohl die Arbeit des aus Guatemala stammenden Regisseurs Jayro Bustamente in einer vergangenen Epoche, in der archaisch anmutenden Welt der bäuerlichen Kaqchiquel-Maya-Bevölkern am Fuß eines Vulkans zu spielt. "Ixcanul" heißen Vulkan und Film. Die Leute sprechen die indigene Kaqchiquel-Sprache, beten gleichzeitig zum Dreifaltigen Gott und den Geistern des Berges.
    Die siebzehnjährige Maria möchte der traditionellen engen Welt entfliehen, in die USA, an der Seite eines jungen Mannes, der sie aber nur schwängert und sitzen lässt. Ein leises Drama in einer mächtigen Natur voller Armut und Abhängigkeiten. Bustamente hat mit seinen Laiendarstellern ein intensives und menschenfreundliches Gesellschaftsporträt entwickelt. Die Frauen bewirken hier mehr, als man ihnen anfangs zutraut.
    Auf ähnliche Weise still und zugleich mit einer unterschwelligen Spannung versehen, entwickelt sich Andrew Haighs Film "45 Years" über ein altes Ehepaar in Großbritannien. Während vor allem die Frau, Kate, gespielt von einer Meisterin des bewegungslosen Minenspiels, Charlotte Rampling, das Fest für den 45 Hochzeitszeit vorbereitet, versinkt ihr Mann in Erinnerungen an seine frühere Geliebte, die Anfang 1960 bei einem Bergunfall zu Tode gekommen war.
    Im Licht seiner Erinnerungen scheint sich die Lebensgeschichte des alten Ehepaars zu verändern. Tapfer geht die altersweise Kate die Reflexion an. Haighs Kammerspiel ist sicherlich ein Höhepunkt des bisherigen Wettbewerbs, der vor wenigen Minuten noch eine Berliner Jugend aus Sicht der Spanierin Veronica im Hier und Jetzt zeigte. "Victoria" heißt auch Sebastian Schippers Film. Frauenfilme - die Berlinale 2015. Wobei die Frauen fast ausschließlich vor der Kamera stehen. Dahinter schauen Männer auf sie.