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Berlinale-Einladung der AfD
Ein vergiftetes Geschenk

Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat AfD-Mitglieder kostenlos zum Besuch des Dokumentarfilms "Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto" eingeladen. Doch nur wenige kamen. Eine gründlich missglückte Aktion, kommentiert Claudia van Laak.

Von Claudia van Laak | 11.02.2019
    Der AfD-Bundestagsabgeordneter Petr Bystron steht vor dem Kino International im Rahmen der Berlinale-Premiere des Dokumentrafilms "Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto" und spricht in eine Kamera (10.02.2019)
    Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron vor dem Kino International bei der Berlinale-Premiere des Dokumentarfilms "Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto" (Gregor Fischer/dpa)
    Dieter Kosslick lud ein, aber nur sechs AfD-Mitglieder folgten der Einladung des scheidenden Berlinale-Chefs am gestrigen späten Abend – zum Besuch der äußerst sehenswerten Doku von Roberta Grossmann "Das Geheimarchiv im Warschauer Ghetto". Mehr als 500 Besucher fasst der große Saal im Kino International, nur sechs davon outeten sich als Zuschauer vom politisch rechten Rand.
    "Da kann man mal sehen", höre ich schon die einschlägigen linken Kulturmenschen. "Die Rechten verweigern sich der Realität, drücken sich um eine politische Auseinandersetzung, wollen sich nicht einem Film aussetzen, der möglicherweise ihr Weltbild in Frage stellt."
    Dabei waren die Berlinale-Tickets - von Dieter Kosslick persönlich bezahlt - ein vergiftetes Geschenk. Denn wer will sich schon gerne in aller Öffentlichkeit auf dem roten Teppich der Berlinale vorführen lassen? Wer folgt bitteschön einer Einladung, die keinem anderen Zweck dient, als den Eingeladenen als unverbesserlichen Neonazi dastehen zu lassen? Und was ist das für eine eindimensionale Vorstellung von politischer Bildung?
    Ein Kinobesuch - und schon geläutert?
    Was haben die Berlinale-Macher da erwartet? Einen Holocaust-Film gesehen - und schwupps ist der Rechtsextreme geläutert? Oder wollten sie einfach nur Beifall von der richtigen Seite? Von einem Kinobesuch eine Einstellungsänderung zu erwarten ist ähnlich dumm wie die Forderung mancher Politiker nach einem verpflichtenden KZ-Gedenkstättenbesuch.
    Um nicht falsch verstanden zu werden – Dieter Kosslick hat das Herz am richtigen Fleck, und seine Idee, AfD-Mitglieder persönlich zur Berlinale einzuladen, hat ja auch Charme. Doch gut gemeint war auch in diesem Fall das Gegenteil von gut gemacht. Hätte sich nur ein AfD-Mitglied nach der Vorstellung geoutet, wäre aufgestanden und hätte eine kritische Frage gestellt – es wäre vermutlich in Grund und Boden gebuht worden. Mit Rechten reden – unter solchen Voraussetzungen geht das ganz und gar nicht.
    Auseinandersetzung gründlich gescheitert
    Zumal sich die AfD – und das ist das größte Problem an der gestrigen Berlinale-Aktion - wieder einmal als Opfer geriert. Kam es doch in der Nähe des Kinos trotz Polizeipräsenz offenbar zu einem gewalttätigen Zwischenfall.
    Mutmaßlich Linksautonome sollen vier Parteimitglieder attackiert haben, wobei ein Mann verletzt worden sein soll. Die geben sich jetzt ganz naiv und fordern Dieter Kosslick auf, den Holocaust-Film doch bitteschön in Neukölln und Kreuzberg auf großer Leinwand zu zeigen. Man sei natürlich zu einem politischen Dialog bereit.
    Fazit: Diese Auseinandersetzung der Berlinale-Macher mit dem politisch rechten Rand ist missglückt – und zwar gründlich.