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Berliner Ausländerbehörde vor dem Brexit
"Wenn die Briten kommen, müssen alle Mitarbeiter ran"

22 Mitarbeiter zusätzlich, eine großzügige Auslegung des Aufenthaltsrechts - so bereitet sich die Ausländerbehörde in Berlin auf den Brexit vor. Denn rund 18.000 in Berlin lebende Briten könnten nach einem harten Brexit über Nacht ihre Freizügigkeit verlieren. Bei den Betroffenen ist die Unsicherheit groß.

Von Benjamin Dierks | 20.03.2019
Die Ausländerbehörde am 22.12.2015 in Berlin
Die Ausländerbehörde in Berlin (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
Am Eingang der Berliner Ausländerbehörde herrscht ein reges Kommen und Gehen. Im fünften Stock hingegen: Stille. Der Wartesaal E 5.2 ist für EU-Bürger reserviert. Hier sind die 38 Warteplätze bis auf zwei Stühle leer. Das ist die Ruhe vor dem Sturm, warnt Behördenchef Engelhard Mazanke. Denn sollten die in Berlin lebenden Briten nach einem harten Brexit über Nacht ihre Freizügigkeit verlieren, dürften sie seine Mitarbeiter an ihre Grenzen bringen, fürchtet er.
"Das ist eine Belastung, die entspräche der Publikumsbedienungskapazität von sechs Wochen. Natürlich können wir die Behörde nicht für alle unsere Kunden für sechs Wochen schließen."
Britische Anträge könnten Behörde lahmlegen
Deswegen hat Mazanke angeordnet: "Wenn die Briten kommen, müssen alle Mitarbeiter ran". Auch wer bisher nur Studenten aus Amerika oder Flüchtlinge aus Nahost betreut hat, muss sich dann um die kümmern, die als EU-Bürger nach Deutschland kamen, fortan aber unters ganz normale Aufenthaltsrecht fallen. 22 Mitarbeiter werden zusätzlich eingestellt. Mit dem politischen Chaos in London ist ein geregelter EU-Austritt Großbritanniens zum 29. März erst einmal vom Tisch. Damit ist auch für die Berliner Briten, die größte Gruppe in Deutschland, und für Mazankes Behörde so gut wie gar nichts klar.
"Wir wissen, dass es einen nach wie vor harten Brexit geben könnte, wir wissen nur nicht, zu welchem Termin. Und wenn es einen harten Brexit geben sollte, ist es rechtlich so, dass alle Briten und Britinnen, die derzeit in Deutschland leben und auch in Berlin leben, um Mitternacht ausreisepflichtig werden."
8.000 Online-Registrierungen für vorläufiges Bleiberecht
Gut 100.000 Briten sind in Deutschland gemeldet, rund 18.000 in Berlin. Damit die nicht plötzlich das Land verlassen müssen, hat die Berliner Ausländerbehörde schon zu Jahresbeginn eine einfache Online-Registrierung eingerichtet, mit der die hier lebenden Briten automatisch bleiben dürfen, bis ihr Fall von der Behörde entschieden wurde. Gut 8.000 haben sich bislang registriert. Die Wirkung ist aber begrenzt. Ob damit Briten, die nach dem Brexit zum Beispiel im Schengen-Raum reisen wollen, wieder nach Deutschland zurückkehren können, ist nicht klar.
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Entsprechend groß ist die Ungewissheit bei den Betroffenen. Die Britin Hanna Balas hat sich mit Leidensgenossen in einer Berliner Bar getroffen.
"Ich weiß nicht, was los ist. Die können nicht entscheiden. Und wir wohnen hier und wir haben keine Ahnung. Auch die deutsche Regierung hat leider noch nicht eine feste Antwort gegeben.
Die Erzieherin Rachel Marriott hat sich mit anderen im Verein British in Berlin organisiert. Auch sie weiß nicht, was sie sagen soll, wenn Landsleute bei ihr Rat suchen.
"Jede Situation ist ja anders. Weil die Behörden wirklich jeden Fall einzeln nehmen, kann man nicht sicher sein, dass man bleiben kann."
Um trotz der Hängepartie in London etwas Klarheit zu schaffen, will Behördenchef Mazanke jetzt handeln. Auch wenn der Brexit dann noch nicht vollzogen sein sollte, könnten die ersten Berliner Briten bereits im April neue Papiere erhalten. Das solle in der kommenden Woche entschieden werden.
"Damit sie dann für den Zeitpunkt, wo sie über Mitternacht nicht mehr freizügigkeitsberechtigt sind, trotzdem schon ein Aufenthaltsrecht in Deutschland in Händen halten."
Großzügige Regelungen
Vor allem hier lebende Briten, die etwa beruflich dringend reisen müssen, sollen so Sicherheit erhalten. Tatsächlich werde aber jeder Fall einzeln geprüft. Das Aufenthaltsrecht biete über 140 verschiedene Aufenthaltstitel, die dann auch für Briten infrage kämen.
"Wir werden das Aufenthaltsrecht maximal großzügig auslegen in dieser Stadt."
Mazanke sieht nur für eine kleine Minderheit die Gefahr, gar keinen Aufenthaltstitel zu bekommen.
"Ich kann jetzt nicht ausschließen, dass wir in Einzelfällen, aber da reden wir wirklich von weniger als 100, würde ich mutmaßen, tatsächlich keine aufenthaltsrechtliche Lösung finden."
Die Behörde will versuchen, bestehende Übergangsregeln anzuwenden. Das Freizügigkeitsgesetz für EU-Bürger hat für diejenigen vorgesorgt, die etwa durch Jobverlust oder eine gescheiterte Ehe ihre Freizügigkeit verlieren müssten.
"Und über diese Vorschrift versuchen wir dann nicht nur Einzelfälle zu lösen, sondern Tausende von Fällen."