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Berliner Bürokratieskandal
Afghanische Eltern warten Wochen auf Bestattung ihres Babys

Fünf Wochen wartete eine afghanische Flüchtlingsfamilie auf die Bestattung ihres toten Babys. Es fehlte ein Bescheid vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, dass die Kosten übernommen werden. Berlins Sozialsenatorin verspricht Aufklärung.

Von Sebastian Engelbrecht | 30.01.2019
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    Verspricht Aufklärung: Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) (Sebastian Engelbrecht / Deutschlandradio)
    Die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach gehört zur Linkspartei, sie ist eine Flüchtlingsfreundin – und überhaupt schon beruflich eine Anwältin der Schwachen. Nun ist die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales aber auch verantwortlich für das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. Deshalb stellt sie sich vor ihre Mitarbeiter, die einen typisch deutschen Bürokratieskandal produziert haben.
    "Es lag jetzt nicht an der Hartherzigkeit einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Soviel ist schon klar. Sondern es ist ganz viel schief gegangen. Und zwar so viel schief gegangen, wie es nicht schief gehen darf."
    Am Heiligabend gebar eine 32jährige Afghanin in Berlin einen Jungen. Zwei Stunden nach der Geburt starb er. Natürlich stand sie gemeinsam mit dem 37jährigen Vater des Kindes unter Schock. Die beiden leben mit ihren zwei Töchtern in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge.
    Trotz des Schocks mussten sie sich um die Bestattung ihres Sohnes kümmern und gingen Anfang Januar zum Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. Sie wollten einen Antrag stellen, damit die Behörde die Kosten für das Begräbnis übernimmt. Der Bescheid des Amtes zur Kostenübernahme ist die Voraussetzung dafür, dass das Kind beerdigt werden kann. Sie sollen, so wurde dem Paar im Amt beschieden, in zweieinhalb Wochen wiederkommen, zu ihrem bereits vereinbarten Termin, und dann den Antrag stellen. Sozialsenatorin Breitenbach nimmt ihr Landesamt in Schutz.
    Verkettung unglücklicher Umstände
    "Dieses afghanische Paar kam offensichtlich an einen Wachschutzmenschen, der da nicht gut reagiert hat, der die weggeschickt hat. Sie kamen aber auch in einer Randzeit. Das darf trotzdem nicht passieren, also so viel ist klar."
    Wie das genau war auf dem Amt, würde man gern von dem afghanischen Paar selbst hören. Aber die Familie ist "psychisch ganz sicher nicht dazu in der Lage", ein Interview zu geben, schreibt der evangelische Pfarrer Gottfried Martens dem Deutschlandfunk auf Anfrage. Martens kümmert sich um die Trauernden, die zu seiner Gemeinde gehören.
    "Man muss wissen: Da kommen Menschen hin, die können möglicherweise nicht Deutsch, die wissen möglicherweise auch nicht, welche Unterlagen sie brauchen. Da müssen dann Menschen auch unterstützt werden, und deshalb sage ich auch: Da muss man auch die Betreiber mit einbeziehen, die da auch sehr früh helfen müssen, aber da ist tatsächlich nicht alles gut gegangen, und das darf nicht noch mal passieren."
    "Das darf nicht nochmal passieren"
    Es mag sein, dass den Eltern des verstorbenen Säuglings irgendwelche Papiere fehlten. Jedenfalls gibt es in der Berliner Flüchtlingsverwaltung offenbar niemanden, der für die Seelennot trauernder Menschen zuständig ist und sie entsprechend begleitet – weder der Betreiber der Unterkunft noch die Sozialarbeiterin noch das Flüchtlingsamt.
    Was bleibt, ist der kalte bürokratische Bescheid. Und nicht nur der: Wenige Tage nach dem Tod des Kindes erhielt die Familie ein amtliches Schreiben mit der Steueridentifikationsnummer des Sohnes. Wieder nimmt die Sozialsenatorin ihre Sachbearbeiter in Schutz:
    "Wir reden darum, dass es öffentliche Gelder gibt, und da müssen Sie – das ist vom Gesetz her so festgelegt – da müssen Sie einfach bestimmte Bedingungen erfüllen. Und das ist eine Bürokratie, die vorgeschrieben ist, die einfach dazu führt, dass in bestimmten Situationen überhaupt nicht empathisch und auch nicht der Situation angemessen gegenüber gehandelt wird, und das würde ich schon gerne auch ändern."
    Bürokratie ist nicht empathisch
    In diesem Falle half der Flüchtlingsbehörde nur die Veröffentlichung des bürokratischen Versagens im Berliner "Tagesspiegel" auf die Sprünge. Nachdem die Zeitung in ihrer Online-Ausgabe am Montag über das afghanische Paar und ihr Baby geschrieben hatte, schaltete sich Sozialsenatorin Breitenbach persönlich ein. Nun gibt ein Sprecher des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten zu, dass Fehler passiert sind und bittet die Familie um Entschuldigung. Die Kosten für die Bestattung werde das Amt übernehmen.
    Die Senatorin sagt eine Untersuchung zu – und gelobt, man werde gemeinsam mit allen beteiligten Ämtern und Instanzen dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder geschieht.