Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Berliner Immobilienmarkt
Grüner Baustadtrat wegen Vorkäufen unter Druck

Der Berliner Baustadtrat Florian Schmidt ist durch seinen Einsatz für bezahlbare Mieten bekannt geworden. Der Grünen-Politiker nahm Mehrfamilienhäuser aus dem freien Markt, in dem er ein Vorkaufrecht des Bezirks geltend machte. Doch bei den Vorkäufen ist wohl nicht alles korrekt gelaufen.

Von Wolf-Sören Treusch | 22.01.2020
Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, am 16. Juli 2018 im Rathaus Kreuzberg in der Yorckstraße
Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) musste Fehler einräumen (picture alliance / dpa / Tagesspiegel / Kitty Kleist-Heinrich)
Gereizte Stimmung auf einer öffentlichen Sitzung im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg vergangene Woche. Baustadtrat Florian Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, in einer Art Kreuzverhör. Die Politiker wollen von ihm wissen, warum ihr Bezirk für einen umstrittenen Immobilienkauf 190.000 Euro zahlen muss. Von "erheblichen Risiken, die eingegangen worden sind, die man mit den Schlagworten Schlamperei und Willkür gar nicht mehr erfassen kann" ist die Rede.
Auch von grober Fahrlässigkeit ist die Rede, gar von Aktenmanipulation. Es geht um das Vorkaufsrecht des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, mit dem eine Immobilie einer privaten Genossenschaft zugesprochen wurde. Florian Schmidt gibt sich kleinlaut: "Dieser lange Prozess, der ist natürlich so nicht optimal gelaufen. Möchte ich schon sagen."
Worum geht es? Im Sommer 2019 macht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in acht Fällen von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch. Das kann er immer dann, wenn die Immobilie in einem so genannten Milieuschutzgebiet liegt. In dem die Wohnbevölkerung davor beschützt werden soll, wegen steigender Mieten verdrängt zu werden. Baustadtrat Florian Schmidt wird durch Aktionen wie diese überregional bekannt als eine Art Robin Hood der Mieter.
Genossenschaft kurz vor der Zahlungsunfähigkeit
Die Bezirke üben das Vorkaufsrecht immer zugunsten von Dritten aus. Selbstverständlich auch im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wo für sechs der acht Immobilien die private Genossenschaft DIESE eG den Zuschlag erhält. Ende 2019 gerät das Finanzierungskonzept der DIESE eG jedoch in Schieflage. Die Genossenschaft steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Vorstandschef Werner Landwehr sieht die Lage allerdings halb so schlimm:
"Och ja, sie war überschaubar dramatisch, also: es gab sehr wohl eine zeitweilige Kontosperrung, aber die wurde zum Jahreswechsel auch wieder aufgelöst, weil die Veranlassung dafür auch aus der Welt geschafft werden konnte."
Der Bezirk jedoch bleibt auf den Kosten für die Verzögerung der Verfahren sitzen. 190.000 Euro.
Warum aber steht die private Genossenschaft DIESE auf solch wackeligen Beinen? Ihr Finanzierungsmodell basiert ganz wesentlich auf Förderinstrumenten des Landes. Doch die Darlehensverträge mit der Investitionsbank Berlin IBB in Höhe von etwa 22 Millionen Euro sind bis heute nicht in trockenen Tüchern. Für die sechs erworbenen Immobilien sind die Kaufsummen aber teilweise jetzt schon fällig. Werner Landwehr ist vor allem darüber enttäuscht, dass der rot-rot-grüne Senat das Verfahren verschleppt und Finanzierungszusagen nicht einhält.
Zuschüsse des Landes Berlin fließen nicht
"Wir sind davon ausgegangen, dass wir durchaus im öffentlichen Interesse handeln. An der Vorkaufsfront, die Ausübung von Vorkaufsrechten und die Umsetzung als Bestandteil der Politik und Abschreckung von spekulativem Gebäudeerwerb ist Bestandteil des Koalitionsvertrages, und wir sind davon ausgegangen, deutliche politische Mehrheiten hinter uns zu wissen, und dass da zwischen den Parteien dann doch wieder Ränkespiele dazu führen, dass da Dinge nicht so vorankommen und doch wieder schwierig sind, das haben wir ein Stück weit unterschätzt."
Den zehnprozentigen Zuschuss, den das Land Berlin versprochen hat, gibt es nur für zwei der sechs Häuser. Für die anderen vier übt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufsrecht zu einem Zeitpunkt aus, als der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die Zuschüsse noch gar nicht bewilligt hat. Er habe unter enormem Zeitdruck gestanden, räumt der grüne Baustadtrat Florian Schmidt ein.
Opposition fordert den Rücktritt des Baustadtrats
"Wir hatten eine politische Zusage - da kann man jetzt um den Begriff Zusage streiten - wir hatten, nach dem, was wir gehört haben, das Vertrauen in den weiteren Prozess mit dem Berliner Senat, vielleicht war diese Ermutigung … vielleicht war ich mir zu sicher, dass alles glatt läuft. Und dass dann aber es hieß, es können keine Fälle mehr bezuschusst werden, die ausgeübt wurden vor Hauptausschuss, und dadurch haben sich dann aber Probleme ergeben, weil: dann mussten die ganzen Berechnungen noch mal neu aufgestellt werden."
Ob Baustadtrat Schmidt die Unregelmäßigkeiten rund um das Finanzierungsverfahren politisch überleben wird, bleibt offen. Die Bezirksverordneten der SPD haben ihm ein Ultimatum gestellt. Sie wollen alle Akten zu dem Vorgang sehen. Vollständig. Die Opposition fordert den Rücktritt des Baustadtrats und denkt auf Landesebene über einen Untersuchungsausschuss nach. Und auch der Landesrechnungshof interessiert sich jetzt für den Fall.