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Berliner Immobilienmarkt
Kiez-Kneipe kämpft gegen Kündigung

Eine Berliner Kiez-Kneipe mit langer Tradition kämpft gegen die Kündigung aus einer Immobilie, in der sie seit Jahrzehnten ansässig ist. Doch mitunter war die Frage für diejenigen, die um den Erhalt kämpfen, an wen sie sich eigentlich wenden müssen. Denn die Eigentumsverhältnisse sind wenig transparent.

Von Ralf Hutter | 19.07.2019
In Berlin-Neukölln haben Bewohner ein Banner mit der Aufschrift "Milieuschutz" an den Balkon ihrer Wohnung gehangen.
Protest gegen Verdrängung: Viele Mieter befürchten, wegen Eigenbedarfs ihre Wohnung verlassen zu müssen. (Imago / Müller-Stauffenberg)
Die Straße Kurfürstendamm in Berlin ist berühmt für ihre Luxusgeschäfte. Donnerstag Nachmittag protestierten dort rund 30 Menschen aus dem eher unterprivilegierten Stadtteil Neukölln mit Redebeiträgen und zwei großen Transparenten. Die Kneipe "Syndikat" hatte vor ein Bürogebäude mobilisiert, wo die Firma Pears Global Real Estate Germany ihr Büro hat, deren Eigentümern um einige Ecken auch das Haus gehört aus dem das "Syndikat" ausziehen soll.
In einer der Reden heißt es: "Auf der einen Seite eine sympathische Kiezkneipe mit rustikalem Charme, kollektiver Zusammenarbeit und solidarischem Grundgedanken, seit 33, fast 34 Jahren tief in der Nachbarschaft verwurzelt und von vielen Tausend Menschen dort gewollt. Auf der anderen Seite das verdeckte Imperium der drei sympathischen Mittelständler, laut Friedrich Merz – die Familie Pears."
Die Spur führt zu Pears Global
Das "Syndikat" wird von einem Kollektiv ohne Chef geführt. Letztes Jahr erhielt es von der Firma "Firman Properties", die das Haus 2015 gekauft hatte, die Nachricht, dass sein zum Jahresende auslaufender Mietvertrag nicht verlängert wird. Das Kneipenkollektiv recherchierte daraufhin diese Firma. An ihrem Sitz in Luxemburg wurde angeblich ein großes Schild mit über 70 Firmennamen angetroffen, zu dem ein einziger Briefkasten gehört. Diese Firmen gehören Firmen auf Zypern, die wiederum Firmen auf den britischen Jungferninseln in der Karibik gehören. Alle drei Länder sind bekannt für extrem geringe Steuersätze oder das Verschleiern von Unternehmenseigentümerschaften. Letztendlich führt die Spur hinter dem Firmennetz zu den drei Brüdern Pears, die zu den reichsten Menschen Englands gehören sollen. Etliche ihrer Tarnfirmen besitzen Häuser in Berlin, Tausende Wohnungen kommen so zusammen, doch anscheinend war der Name Pears bis zu dieser Enthüllung weder in Mietervereinen noch in der Landespolitik bekannt.
"Seit unserer Kündigung, unserer Recherche und der Enttarnung des Pears-Netzwerks als eines der größten Immobilienkonstrukte Berlins herrscht vollkommene Funkstille. Vertreter/innen von Pears Global, sei es hier am Kudamm oder in ihrem Briefkastenfirmensitz in Luxemburg, verweigern sich beharrlich jeglicher Kommunikation, sei es mit uns, mit Journalist/innen oder Politiker/innen."
Räumungsklage nun vor Gericht
Auch ein Anruf des Deutschlandfunk wird abgewehrt. Die Person am Telefon will nicht mal ihren Namen sagen. Die Firmengruppe der Pears-Brüder verfolgt laut englischen Zeitungen auch in der Heimat die Strategie der Diskretion."Sie sind laut Forbes die unbekanntesten Milliardäre, die es gibt. Sie werden auf über sechs Milliarden britische Pfund geschätzt. Es gibt auch nur ganz wenige Informationen über diese Familie. Man kennt auch nur zwei Brüder in der Öffentlichkeit. Der eine, weil er Vorsitzender der familieneigenen Stiftung ist, und der andere, weil er im Board vom British National Museum sitzt. Der dritte ist gänzlich unbekannt", sagt Christian vom Syndikat-Kollektiv. Er steht in der Weisestraße im sogenannten Schillerkiez, ein paar Häuser von seiner Kneipe entfernt. Nach der kurzen Kundgebung vor dem Firmenbüro hat es eine viel längere direkt vor dem "Syndikat" gegeben. Dort haben auch Leute von anderen bedrohten Projekten gesprochen, wie einer weiteren räumungsbedrohten Kneipe und einem selbstverwalteten Jugendzentrum. Rund 150 Personen haben teilgenommen. Ein Teil von ihnen setzt im Anschluss zu einer Spontandemonstration an, um den Unmut auch weiter in die Nachbarschaft zu tragen.
"Das Syndikat ist von Anwohnern hier aus der Straße 1985 gegründet worden, auch schon als Kollektivbetrieb. Die Kollektive haben im Laufe der Zeit gewechselt, aber die Idee ist soweit gleich geblieben, wenn man den Stammgästen der ersten Stunde und den Kollektivisten der ersten Stunde glauben darf."
Die Idee, solidarisch mit den Gästen zu sein und sich für eine lebenswertere Stadt und Welt einzusetzen. So versteht sich das Syndikat. Das Kneipenkollektiv hat viele Stammgäste, die sich ebenfalls nicht mit dem Rauswurf abfinden wollen. Eine Abordnung des Syndikats reiste im Dezember sogar nach London und suchte den Kontakt zu den Pears'. Unterstützung gab es dabei von Londoner wohnungspolitischen Akteuren. Der dortige Besuch bei der Pears-Stiftung und eine Kundgebung vor der Firmenzentrale haben wohl etwas Wirbel erzeugt, aber kein relevantes Gespräch gebracht und somit in Sachen Kündigung nicht gefruchtet. Ende Oktober wird in Berlin die Räumungsklage gegen das "Syndikat" nun vor Gericht verhandelt.