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Berliner Kurse für Flüchtlinge
Willkommen im Rechtsstaat

Das Land Berlin will Flüchtlingen, die im letzten Jahr gekommen sind und hier bleiben wollen, schnell das deutsche Recht beibringen. Sie sollen erklärt bekommen, wie die Gesellschaft und der Staat funktionieren und schnell Deutsch lernen. In der Hauptstadt sind jetzt entsprechende Volkshochschulkurse gestartet.

Von Claudia van Laak | 19.07.2016
    Mehrere junge Männer sitzen in einem Unterrichtsraum in einer Reihe nebeneinander
    Flüchtlingen in Berlin soll das deutsche Recht so schnell wie möglich nahe gebracht werden. (dpa / Gregor Fischer)
    David Rabenschlag arbeitet als Richter am Berliner Verwaltungsgericht. An diesem Tag hat er seinen Arbeitsplatz verlegt – in einen stickigen, bis auf den letzten Platz gefüllten Seminarraum an der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg. Vor ihm sitzen 20 arabischsprachige Flüchtlinge, die wissen wollen, wie der Rechtsstaat funktioniert. Wie ist das zum Beispiel mit der Vielehe – ist sie in Deutschland erlaubt?
    "Männer können nur eine einzige Frau wirksam heiraten. Und auch umgekehrt, Frauen können nur einen einzigen Mann heiraten."
    David Rabenschlag erläutert, dass eine Ehe, die nur von einem Imam geschlossen wurde, in Deutschland ungültig ist. Was ist mit den Kindern, will eine Frau wissen. Sie gelten dann als nicht-ehelich geboren, antwortet der Jurist. Ein anderer Kursteilnehmer mischt sich ein.
    "Er meinte, man kann auch Kinder kriegen, ohne zu heiraten. Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Es ist in Deutschland auch üblich, dass ein Paar Kinder bekommt, ohne verheiratet zu sein."
    Es gibt Fragen, die Kursteilnehmer sind unsicher
    David Rabenschlag ist einer von 200 Richtern und Staatsanwälten, die nach Berlin Geflüchteten einen Grundkurs zum Thema "Rechtsstaat" geben. Keine theoretische Vorlesung, sondern Fälle, die aus dem Leben gegriffen sind. Darf der Vater der 17-jährigen Tochter befehlen, ein Kopftuch zu tragen, obwohl die Tochter das nicht will? Gibt es Fälle, in denen ein sogenannter Ehrenmord nicht bestraft wird? Die Kursteilnehmer sind unsicher. Auf keinen Fall, erklärt Rabenschlag, in Deutschland gilt das Gewaltmonopol des Staates.
    "Es ist immer strafbar, man darf nicht das Recht in die eigenen Hände nehmen, man darf sich selbst nicht rächen. Wenn man schwer beleidigt wurde, hat man die Möglichkeit, zur Polizei zu gehen."
    "Es ist eine Grundvoraussetzung, dass sie sich mit der deutschen Rechtsordnung, dem deutschen Rechtsstaat und mit der Gewaltenteilung beschäftigen, die die meisten Flüchtlinge in ihren Heimatländern meistens nicht mal in der Theorie, jedenfalls in der Praxis nicht kennen. Unbestechliche Behörden, Rechte für alle, die man auch durchsetzen kann, Prozesskostenhilfe, so etwas kennt man in diesen Ländern üblicherweise nicht."
    Sagt Berlins Justizsenator Thomas Heilmann. Insgesamt eine Million Euro stellt sein Ressort für die Kurse "Willkommen im Rechtsstaat" zur Verfügung. All diejenigen, die an einer Volkshochschule einen Deutschkurs besuchen, erhalten in Zukunft das kostenlose Angebot, zusätzlich etwas über das Rechtssystem zu erfahren.
    "Wir wollen die grundlegenden Spielregeln unseres Staates ihnen näherbringen und wollen das so früh wie möglich machen, weil ich denke, um so eher sie es wissen umso besser. Und selbst für die, die zurückkehren, halte ich es für eine sinnvolle Einrichtung. Wir wollen allen Geflüchteten das Angebot unterbreiten."
    Zum Schluss kommt ein kleines Quiz
    Zurück in den Volkshochschulkurs – jetzt bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Aufgaben vorgelegt.
    Ihre Tochter ist erst 16 und schwanger. Was kann man tun? Sie haben eine Wohnung gemietet, können aber einen Monat lang die Miete nicht bezahlen. Darf der Vermieter Sie auf die Straße setzen?
    Oder dieser Fall: Ein 15-jähriger Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft wird auf der Straße angesprochen. Er wolle bestimmt Geld verdienen, mit dem Verkauf von Haschisch sei das ganz einfach.
    Hassan Sultan meldet sich – der Junge solle sich erst gar nicht von Fremden ansprechen lassen, erklärt der Syrer, außerdem dürfe er noch kein Geld verdienen, er sei zu jung. Richter Rabenschlag erläutert den Asylbewerbern, dass es Folgen für ihren Aufenthaltsstatus haben kann, wenn sie gegen hiesige Gesetze verstoßen.
    Zum Schluss dann ein kleines Quiz, abgestimmt wird mit grünen und roten Karten. Dürfen in Deutschland Medikamente auf der Straße verkauft werden? Darf man seine Kinder schlagen? Darf eine Frau anziehen, was sie will? Und – ganz wichtig:
    "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich?"
    Alle strecken die grüne Abstimmungskarte in die Luft.
    "Das war einfach, so."