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Berliner Museumsinsel
Eine Piazza als neue Attraktion

Heute war endlich Richtfest für die James-Simon-Galerie, das neue Eingangsgebäude zur Berliner Museumsinsel - ein öffentlicher Ort zum Flanieren. Die Galerie trägt dem Trend, Museen als Orte des Massentourismus zu gestalten, Rechnung und schafft einen Ort des Willkommens.

Von Christiane Habermalz | 13.04.2016
    Richtfest für die James-Simon-Galerie, das neue Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel
    Richtfest für die James-Simon-Galerie, das neue Eingangsgebäude der Berliner Museumsinsel (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Es gibt mannigfaltige Gründe für die Verzögerungen und unkontrollierten Kostensteigerungen von Großbauten in Berlin. Bei der Einheitswippe, dem geplanten Denkmal für die Einheit und Freiheit Deutschlands, mussten unter anderem seltene Wasserfledermäuse umgesiedelt werden. Für die Bauverzögerung bei der James-Simon-Galerie waren es nicht etwa in der Spree endemisch vorkommende Karpfen, sondern die Eiszeit, die den Baugrund der Museumsinsel ausgehöhlt hatte.
    Eine Baufirma ging darüber pleite, ein Rechtsstreit über Baufehler schloss sich an, die Taucher, die über Jahre versuchten, die Gründungspfähle 40 Meter tief unter Wasser im trüb-morastigen Untergrund zu verankern, wurden zur Touristenattraktion. Heute konnte nun doch endlich Richtfest gefeiert werden – mit dreijähriger Verspätung. Der Freestyle-Posaunist, der für die musikalische Untermalung der Zeremonie engagiert war, wirkte da wie ein nachträglicher Kommentar zum Thema Baudesaster.
    Doch allen Unkenrufen zum Trotz: Warten und Aufwand und auch die Kosten, die sich seit der ersten Entwurfsvorstellung im Jahr 2006 von 73 Millionen auf 134 Millionen fast verdoppelt haben, haben sich gelohnt. Erstmals wird jetzt deutlich, was durch den Entwurf des britischen Architekten David Chipperfield gewonnen wird: Der Neubau öffnet nicht nur einen zentralen Zugang zu den Kunsttempeln dahinter, sondern sie schafft auch einen neuen Raum.
    Erstaunliche Leichtigkeit
    Durch den Bau der James-Simon-Galerie ist zwischen Neuem Museum und Kupfergraben überraschend ein öffentlicher Platz entstanden, eine Piazza von erstaunlicher Leichtigkeit, mit einer großzügigen Freitreppe als Entree, umsäumt von filigranen Kolonnaden. Hier könnte entstehen, was für das Kulturforum mit seinen verödeten Steinwüsten und vielen anderen Berliner Plätzen nicht geschafft wurde: Ein öffentlicher Ort zum Flanieren, an dem sich Menschen auch zwischen den Museumsbesuchen gerne aufhalten.
    David Chipperfield spricht beim Richtfest darüber, was es für eine Herausforderung war, am historischen Ort, überfrachtet von Geschichte und öffentlichen Erwartungen, zeitgenössisch zu bauen, noch dazu ein Multifunktionsgebäude:
    "Wir haben versucht, hier nicht einfach ein neues Gebäude hinzusetzen, sondern eines, das sich aus dem Ort selbst ergibt. Wir wollten es finden, nicht dem Ort aufzwingen. Es sollte nicht durch seine Funktionen bestimmt werden, sondern durch seinen Zweck, seine öffentliche Aufgabe. Wir wollten einen Platz schaffen, nicht ein Gebäude. Einen Platz, der die gesamte Museumsinsel in Szene setzt."
    Das ist ihm gelungen. Die Kritik, dass die James-Simon-Galerie mit seinem hohen Sockelgeschoss nach Westen den Blick auf das Neue Museum verstellt - geschenkt. Ohnehin war die Westfassade des Stülerbaus nie als Schaufassade gedacht. Die andere Frage, die immer wieder im Raum stand: Sind Aufwand und Kosten, auch der Tabubruch eines Neubaus im historischen Bauensemble angemessen für ein reines Funktionsgebäude? Hier entstehe die teuerste Umkleide Deutschlands, ulkte eine Berliner Tageszeitung.
    Rennstrecke für die Massen?
    Foyer, Garderobe, Ticketing, Museumsshop sollen hier unterkommen, dazu ein unterirdisches Auditorium mit 200 Sitzplätzen und ein Bereich für Sonderausstellungen. Vor allem aber sollen von hier aus die Besucherströme verteilt werden, zum unterirdischen Rundgang durch die Highlights von Pergamonmuseum, Bodemuseum, Neuen Museum und Alter Nationalgalerie, wie es der Masterplan für die Museumsinsel vorsieht.
    Eine Rennstrecke für Massentourismus, denen Hochkultur in kleinen verdaulichen Häppchen geboten wird – für viele eine Horrorvorstellung. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz weist das zurück:
    "Massentourismus hat immer so einen negativen Beigeschmack. Es ist heute nicht mehr so, und das finde ich auch richtig, dass die Museen nur für ein gewisses Segment unserer Gesellschaft gemacht werden, nämlich für Bildungsbürger, für Akademiker, für Kunst- oder Geschichtsinteressierte, sondern wir haben die Aufgabe, möglichst alle Teile der Gesellschaft, auch sogenannte bildungsferne Teile der Gesellschaft ins Museum zu bringen. Kulturelle Bildung ist enorm wichtig, aber auch Menschen aus aller Welt, also das ist natürlich eine ganz radikale Veränderung. Wir warten nicht mehr auf die Menschen, die kommen, sondern wir suchen die Menschen, wir wollen sie hereinlocken."
    Museen als Orte des Massentourismus: Diesen Trend wird die James-Simon-Galerie weder bestärken noch behindern. Aber sie trägt ihm Rechnung und schafft einen Ort des Willkommens.